Seit 10 Jahren im All: Die Internationale Raumstation ISS
Im November 1998 startete eine russische Proton-Rakete vom Kosmodrom Baikonur zu einer historischen Mission
Am 20. November 1998 startete eine russische Proton-Rakete vom Kosmodrom Baikonur zu einer historischen Mission: An Bord befand sich das erste Modul der Internationalen Raumstation ISS mit dem Namen "Sarja" ("Morgenröte"). Dieses rund 20 Tonnen schwere und knapp 13 Meter lange Fracht- und Kontrollmodul stellt auch heute noch Elektrizität und Antrieb bereit, kontrolliert die korrekte Flugbahn und bietet Stauraum. Mit diesem auch FGB (russische Abkürzung für "Functional Cargo Block") genannten Modul wurde der Grundstein für ein neues Zeitalter in der Raumfahrt gelegt, da erstmals eine dauerhafte internationale Zusammenarbeit zwischen Russland, Amerika, Europa, Kanada und Japan im Weltraum zustande kam.
In den folgenden zehn Jahren wurden zahlreiche weitere Module in die Umlaufbahn gebracht - und die ISS entwickelte sich zum größten menschlichen Außenposten im All. Die mit russischen Trägerraketen oder dem amerikanischen Space Shuttle transportierten Bauteile haben die ISS inzwischen auf die Größe eines Fußballfeldes mit einer derzeitigen Gesamtmasse von rund 300 Tonnen anwachsen lassen.
Die Geschichte der ISS weist zahlreiche Premieren und Meilensteine in der bemannten Raumfahrt auf. Der erste wichtige Schritt im Vorfeld war ein internationales Regierungsabkommen zwischen den USA, zehn europäischen Staaten (vertreten durch die Europäische Weltraumorganisation ESA), Japan und Kanada. Dieser so genannte "Vertrag ohne Vorbild" ging 1988 als eines der umfangreichsten Dokumente internationaler Zusammenarbeit in die Geschichte der Raumfahrt ein. Nach der Überwindung des Kalten Krieges ersetzte die internationale Kooperation die bis dato vorherrschende Konkurrenz um das Weltall der beiden Supermächte USA und Russland. 1993 wurde Russland von den USA eingeladen, sich am Programm der Internationalen Raumstation zu beteiligen. Russland konnte nicht nur mit einem enormen Erfahrungsschatz aus dem Betrieb der eigenen Raumstation MIR aufwarten, sondern auch Trägerraketen vom Typ "Proton" und "Sojus" zur Versorgung der ISS und zum Transport der Crews bereitstellen. Bereits in den 1990er Jahren nutzten westliche Wissenschaftler die russische Raumstation MIR für zahlreiche gemeinsame Experimente.
September 2000: Die erste Besatzung
Im September 2000 schwebten erstmals zwei Besatzungsmitglieder der amerikanischen Space Shuttle Mission STS-106 in die ISS. Seit November 2000 ist die Station permanent von zwei oder drei Astronauten beziehungsweise Kosmonauten besetzt. Bereits jetzt ist die ISS das größte "künstliche" Himmelsobjekt - mit einer Innenraumgröße vergleichbar der eines Jumbojets. Nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2010 wird die ISS aus sechs Forschungslabors, zwei Wohneinheiten, einer Beobachtungskuppel, etlichen Stauräumen, Verbindungsknoten, Andockvorrichtungen und Roboterarmen bestehen.
April 2001: Erster Europäer an Bord
Der Italiener Umberto Guidoni war im April 2001 der erste europäische Astronaut an Bord der ISS. Ein neues Kapitel schlug Thomas Reiter aus Deutschland im Sommer 2006 auf: er brach mit der Mission "Astrolab" als erster europäischer Langzeitastronaut zur ISS auf und verbrachte fast sechs Monate auf der Station, um neben Wartungs- und Servicearbeiten über 30 wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Es war das erste Mal, dass europäische Wissenschaftler ein auf die Möglichkeiten der ISS abgestimmtes Forschungsprogramm zusammenstellen und über einen längeren Zeitraum durchführen konnten. Zudem war "Astrolab" die erste Langzeitmission der ESA, für die das Columbus-Kontrollzentrum im DLR Oberpfaffenhofen die Verantwortung übernahm.
Europas Hauptbeitrag für Forschung und Versorgung - Weltraumlabor Columbus und Raumtransporter ATV
Am 7. Februar 2008 startete das Space Shuttle "Atlantis" mit den beiden ESA-Astronauten Hans Schlegel und Leopold Eyharts an Bord und brachte das Weltraumlabor "Columbus" zur ISS. "Columbus" ist Europas Hauptbeitrag zur ISS und das erste europäische Weltraumlabor, das für eine langfristige, multidisziplinäre Forschung im All ausgelegt ist. Unter Führung des Raumfahrtunternehmens EADS Astrium in Bremen haben sich 41 Unternehmen aus 14 verschiedenen Ländern an der Entwicklung von "Columbus" beteiligt. Seit Inbetriebnahme wurden rund 40 deutsche Experimente begonnen und teilweise schon abgeschlossen - ermöglicht nicht zuletzt durch eine erfolgreiche zwischenstaatliche Kooperation zwischen der DLR Raumfahrt-Agentur und den ISS-Partnern sowie im Rahmen der ESA-Mitgliedsstaaten.
Im April 2008 dockte der europäische Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) mit 7,5 Tonnen Nutzlast erstmals vollautomatisch an die ISS an. Das Raumfahrzeug mit dem Namen "Jules Verne" dient der Bahnanhebung der ISS und versorgt die Station unter anderem mit Lebensmitteln, Frischwasser, Kleidung, Sauerstoff sowie technischer Ausrüstung für Experimente und Instandhaltung der ISS. Anschließend wurde es als Lagerraum und Schlafplatz genutzt, bevor es Ende September 2008 - mit Abfall gefüllt - abgekoppelt wurde, um in der Atmosphäre beim Wiedereintritt weitgehend zu verglühen. Etwa alle 18 Monate soll ein ATV zur ISS geschickt werden, um den kontinuierlichen Betrieb der Station zu gewährleisten.
Deutschland wichtigster europäischer Partner
Deutschland ist für die Europäische Weltraumorganisation ESA der wichtigste ISS-Partner in Europa. Als größter Beitragszahler finanziert die Bundesrepublik 41 Prozent der europäischen ISS-Infrastruktur und trägt maßgeblich zur wissenschaftlichen Nutzung der Raumstation bei. Die Raumfahrt-Agentur des DLR koordiniert die deutschen Beiträge zu den ISS-Programmen der ESA, bezogen auf Aufbau, Betrieb und Nutzung der Station. Hierzu gehören unter anderem:
- das Forschungslabor Columbus
- die Entwicklung des Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle)
- die Planung und Durchführung des Nutzungs- und Betriebsprogramms, einschließlich des Astronauteneinsatzes
- der Betrieb des Columbus-Kontrollzentrums in Oberpfaffenhofen
- das Datenmanagementsystem für das russische Modul Sarja
- der Roboterarm (ERA) für den russischen Teil der Station
Deutsche Wissenschaftler sind seit Beginn der wissenschaftlichen Nutzung der Raumstation im Jahr 2001 dabei. Sie haben seither zahlreiche Experimente beziehungsweise Experimentserien auf der ISS durchgeführt. Diese dienten unter anderem der Gesundheitsforschung (Forschung am Gleichgewichts-, Immun- und Kreislaufsystem des Menschen in Schwerelosigkeit), der Züchtung von Proteinkristallen, der Grundlagenphysik (Plasmaforschung) sowie biologischen Fragestellungen.
Zukunftsweisend für Forschung und Industrie
Nach wie vor zeigen Wissenschaftler großes Interesse, Experimente in Schwerelosigkeit an Bord der ISS durchzuführen. Fast 70 weitere deutsche Projekte, zumeist initiiert durch das DLR, haben sich im internationalen Wettbewerb durchgesetzt und warten auf ihre Umsetzung an Bord der Internationalen Raumstation.
Das europäische Forschungslabor "Columbus" soll sich zukünftig zu einer Großforschungseinrichtung im Erdorbit auch für die Nicht-Raumfahrt-Industrie entwickeln: Das Interesse von dieser Seite, Verfahren und Produkte unter Nutzung der Schwerelosigkeit zu entwickeln, wächst zunehmend. Im Rahmen der Initiative "GoSpace" soll es insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen möglich gemacht werden, auf der ISS zu forschen.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Weitere Infos:
- DLR Artikel mit Bildmaterial unter:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-667/7411_read-14264/
GWF