17.03.2017

Siliziumnitrid erstmals durchsichtig

Extrem harte Keramik bildet sich unter hohem Druck.

Wissenschaftler haben am Forschungs­zentrum DESY ein super­hartes Fenster aus einer weit verbreiteten Industrie­keramik herge­stellt. Es ist das erste durch­sichtige Werkstück aus Silizium­nitrid. Fenster aus dem kubischen Silizium­nitrid könnten unter extremen Bedingungen verwendet werden wie sie etwa in Motoren herrschen. Kubisches Silizium­nitrid (c-Si3N4) bildet sich unter hohem Druck und ist eine der härtesten Nano­keramiken nach Diamant, kann aber wesent­lich höheren Tempera­turen stand­halten

Abb.: Ein etwa zwei Millimeter großes Fenster aus durchsichtigem polykristallinem kubischem Siliziumnitrid. (Bild: N. Nishiyama, DESY / Tokyo Tech)

„Silizium­nitrid ist eine sehr beliebte Keramik in der Industrie“, erläutert DESY-Forschungs­leiter Norimasa Nishiyama, der inzwischen außer­ordentlicher Professor am Tokyo Institute of Techno­logy ist. „Es wird vor allem für Kugellager, Schneid­werkzeuge und Motor­teile in der Auto- und Flugzeug­industrie verwendet.“ Der kera­mische Werkstoff ist extrem stabil, da die Silizium-Stickstoff-Bindung sehr stark ist. Unter Normal­bedingungen besitzt Silizium­nitrid eine hexagonale Kristall­struktur, und gesin­terte Werkstücke aus diesem Material sind nicht durch­sichtig.

Bei einem Druck von mehr als 13 Gigapascal (GPa) verändert sich die Kristall­struktur von Silizium­nitrid zu einer kubischen Symmetrie, die Experten als Spinell-Typ bezeichnen. Der namens­gebende Spinell (MgAl2O4) ist nicht nur ein beliebter Edelstein, in künst­licher Form findet das kera­mische Material ebenfalls breite Anwendung in der Industrie. „Die kubische Variante von Silizium­nitrid ist erstmals 1999 von einer Forscher­gruppe an der TU Darmstadt erzeugt worden, aber das Wissen über dieses Material ist noch sehr begrenzt“, sagt Nishiyama. Sein Team nutzte eine Hochdruck­presse bei DESY, um hexa­gonales Silizium­nitrid hohem Druck und hohen Tempera­turen auszusetzen. Bei 15,6 Gigapascal, also rund dem 156 000-fachen Atmosphären­druck, und 1800 Grad Celsius entstand ein durch­sichtiges Stück kubisches Silizium­nitrid mit einem Durch­messer von ungefähr zwei Milli­metern. „Es handelt sich um die erste transparente Probe dieses Materials“, betont Nishiyama.

Die Analyse der Kristall­struktur an DESYs Röntgen­licht­quelle PETRA III zeigte, dass sich das anfangs hexa­gonale Silizium­nitrid vollständig in die kubische Form umge­wandelt hatte. „Die Trans­formation gleicht der von Kohlen­stoff, der ebenfalls eine hexagonale Struktur bei Normal­bedingungen besitzt und sich unter Hochdruck in einen kubischen Diamanten umwandelt“, erläutert Nishiyama. „Allerdings hängt die Transparenz von Silizium­nitrid stark von den Korngrenzen ab. Die Undurch­sichtigkeit entsteht durch Lücken und Poren zwischen den einzelnen Körnchen.“ Unter­suchungen mit einem Trans­missions-Raster­elektronen­mikroskop an der Universität Tokio zeigten, dass die Hochdruck-Probe des Materials nur sehr dünne Kor­ngrenzen besitzt. „Außerdem verteilen sich in der Hochdruck-Phase Sauerstoff-Verun­reinigungen in dem gesamten Material und sammeln sich nicht wie unter Normal­bedingungen an den Korngrenzen. Das ist entscheidend für die Transparenz“, sagt Nishiyama.

Abb.: Kubisches Siliziumnitrid unter dem Transmissionselektronenmikroskop: Die Korngröße beträgt rund 150 Nanometer. (Bild: N. Nishiyama, DESY / Tokyo Tech)

„Das kubische Siliziumnitrid ist die härteste und zäheste transparente Spinell-Keramik, die je erzeugt wurde“, fasst Nishiyama zusammen. Die Wissenschaftler sehen verschiedene industrielle Anwendungen für ihre superharten Fenster. „Kubisches Siliziumnitrid ist die dritthärteste Keramik, die wir kennen, nach Diamant und kubischem Bornitrid“, erläutert Nishiyama. „Borverbindungen sind jedoch nicht transparent, und Diamant ist an der Luft nur bis etwa 750 Grad Celsius stabil. Kubisches Siliziumnitrid dagegen ist transparent und bis 1400 Grad Celsius stabil.“

Wegen des zur Herstellung nötigen hohen Drucks ist die Fenstergröße allerdings aus praktischen Gründen begrenzt. „Das Rohmaterial ist billig, aber für die Produktion transparenter Werkstücke benötigen wir etwa doppelt so viel Druck wie für künstlichen Diamant“, sagt Nishiyama. „Es ist relativ einfach, Fenster mit einem Durchmesser von einem bis fünf Millimeter herzustellen. Aber alles über einem Zentimeter wird schwer zu erreichen sein.“

DESY / JOL

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