Sternenlicht schließt Quanten-Schlupfloch
600 Jahre altes Sternenlicht dient als Trigger für kosmischen Bell-Test.
„Existiert der Mond auch dann, wenn keiner hinsieht?” Viele Annahmen der Quantenmechanik widersprechen fundamental den klassischen Gesetzen der Physik, weswegen Albert Einstein als Reaktion darauf diese Frage in den Raum gestellt hatte. Denn tatsächlich sind Teilchen, die ihre Eigenschaften erst annehmen, wenn man hinsieht und somit eine Realität, die nicht unabhängig vom Beobachter existiert, nur schwer mit unserem Weltbild vereinbar. Besonders skeptisch betrachtete Einstein das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung. Es besagt, dass die Messung an einem von zwei Teilchen augenblicklich auch den bis dahin undefinierten Zustand des anderen Teilchens festlegt – und zwar unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt sind und obwohl keine Information zwischen den beiden ausgetauscht wird. Einstein bezeichnete diese seltsame Korrelation als „spukhafte Fernwirkung” und suchte nach bisher verborgenen Variablen, um sie doch noch mit der Physik Newtons erklären zu können.
Abb.: Vom Dach des IQOQI wurden verschränkte Photonen in entgegengesetzte Richtungen an die Österreichische Nationalbank und die Universität für Bodenkultur Wien geschickt. Auf jeder Seite wurde die Messeinstellung für diese Photonen durch mindestens 600 Jahre altes Sternenlicht aus der Milchstraße bestimmt. (Bild: IQOQI / ÖAW)
Doch Einstein irrte sich, wie ein neues Experiment von Wissenschaftlern rund um Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeigt. Nun berichten die Forscher, wie sie in einem „Cosmic Bell Test” mittels 600 Jahre altem Licht von zwei Sternen aus entgegengesetzten Richtungen der Milchstraße Einsteins verborgene Variablen als Erklärung für die Quantenverschränkung ausschließen konnten.
Bereits 1964 hatte der nordirische Physiker John Stewart Bell einen Vorschlag formuliert, wie sich die quantenphysikalische Verschränkung experimentell überprüfen lässt. Seitdem wurden weltweit zahlreiche dieser Bell-Tests durchgeführt. Allerdings enthielten alle diese Experimente „Schlupflöcher", sodass Einsteins Skepsis bis heute nicht gänzlich widerlegt werden konnte.
„Bei einem dieser Schlupflöcher handelt es sich um das ‚Schlupfloch der freien Wahl‘", erklärt ÖAW-
Während in früheren Experimenten die Wahl der Messeinstellung mit erdgebundenen Zufallsgeneratoren getroffen wurde, oder, wie erst kürzlich beim sogenannten „Big Bell Test", mittels tausender zufälliger menschlicher Entscheidungen, haben die Wiener Forscher – zum ersten Mal in der Geschichte der Bell Tests – stellare Lichtquellen zur Steuerung ihres „Cosmic Bell Tests" verwendet.
Bei ihrem Experiment erzeugten die Forscher zunächst verschränkte Photonenpaare im Labor des IQOQI und schickten sie vom Hedy-
Die Idee dahinter, die auf Überlegungen des Physikers David Kaiser und Kollegen vom US-
„Mit dem Cosmic Bell Test konnten wir das ‚Schlupfloch der freien Wahl' um 16 Größenordnungen gegenüber vorherigen Bell Tests schließen", sagt Quantenphysiker Anton Zeilinger. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Variablen gibt, die alternativ zur Verschränkung geführt haben, ist somit noch geringer als bisher. Denn ein Einfluss auf das Messergebnis hätte weit vor Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks stattfinden müssen." Für künftige Experimente planen die Forscher Schritt für Schritt noch weiter in der Vergangenheit zurückzugehen – möglichst bis zu einer Zeit knapp nach dem Urknall.
ÖAW / DE