26.11.2003

Studentenproteste in Berlin

Berliner Politiker sind vor wütenden Studenten in diesen Tagen nirgendwo mehr sicher.

Berlin (dpa) - Berliner Politiker sind vor wütenden Studenten der Hauptstadt in diesen Tagen nirgendwo mehr sicher. Vor dem Büro von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) campieren die Hochschüler nachts in Schlafsäcken, aus Protest gegen millionenschwere Kürzungen in den Uni-Etats. Und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schallen bei der Eröffnung von Weihnachtsmärkten statt süßer Schalmeienklänge studentische Spottlieder entgegen. In ganz Deutschland laufen Hochschüler seit Wochen gegen die Sparprogramme in den Bildungshaushalten Sturm. In Berlin könnten die Proteste eine andere Qualität bekommen - die Studenten verstehen sich auch als neue Sammelbewegung gegen Sozialabbau.

Der Unmut kommt nicht von ungefähr. Die «Giftlisten» der Bundesländer für ihre Bildungsetats werden immer länger: In Hessen will die CDU 2004 30 Millionen Euro einsparen, in Niedersachsen sollen es nach den Plänen der CDU/FDP-Koalition 40 Millionen sein, in Baden-Württemberg wollen CDU und FDP 91 Millionen streichen. Selbst im CSU-regierten Bayern, das sich als Bildungs-Musterland versteht, schmilzt der Vier-Milliarden-Etat für Wissenschaft und Kunst im kommenden Jahr um fünf Prozent. In den neuen Ländern planen CDU und FDP in Sachsen-Anhalt, vom Jahr 2006 an zehn Prozent des Hochschulbudgets zusammenzustreichen.

In Berlin reicht es den Hochschülern nun: In der hoch verschuldeten Hauptstadt will die rot-rote Koalition bis 2009 rund 125 Millionen Euro an seinen Hochschulen sparen. Vor drei Wochen beschloss die Technische Uni zu streiken, Humboldt- und Freie Universität schlossen sich an. «Wir lassen uns nicht unserer Zukunft berauben», sagen die Studenten. In der Tat können die Kürzungen an die Substanz der renommierten Hochschulen gehen: Landwirtschaftliche oder Theologische Fakultäten stehen zur Disposition.

Die neue Protest-Generation an den Unis wirft zwar nicht mit Steinen, das Militante oder Dogmatische der 68er-Generation ist ihr fremd. Doch so «lieb» wie die aufmuckenden Hochschüler am Ende der Kohl-Ära wollen die Studenten nach Einschätzung des Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian auch nicht sein. Am Otto-Suhr- Institut der Freien Universität, an dem Grottian lehrt, brodelt es. «Es geht nicht mehr nur um die Mittelkürzungen an den Unis», meint Grottian. «Es geht um die Agenda 2010 oder die Frage, wie hoch verschuldete Städte in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft haben können.»

Grottian hält es für möglich, dass die Studenten zur Triebfeder einer neuen sozialen Bewegung in der Hauptstadt werden könnten und zersplitterte Protest-Gruppen zusammenführen. Er kann sich aber auch vorstellen, dass ihr Streik schnell einschläft - weil ein Drittel der Studenten ihn gar nicht will, aus Desinteresse oder Resignation.

Im friedlich besetzen Büro des Wissenschaftssenators will die 21-jährige Energietechnik-Studentin Bella Hemke ein Zeichen für alle Protest-Willigen setzen. «Wir sind ein Teil der zehntausenden Studenten, die in ganz Deutschland protestieren und ein Teil aller, die vom Sozialabbau betroffen sind», ruft sie in den Raum. Die Studenten planen für das Wochenende eine große Demonstration durch Berlin und haben andere Spar-Opfer - von Kita-Erzieherinnen bis zu Beamten - dazu eingeladen.

Ulrike von Leszczynski, dpa

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