Supermikroskop für einzigartige Einblicke in die Materie
In Schweden soll ab 2013 die stärkste Neutronenquelle der Welt entstehen - das Bundesministerium für Bildung und Forschung beteiligt sich an der Planungsphase zur Europäischen Spallationsquelle ESS mit 15 Millionen Euro.
In Schweden soll ab 2013 die stärkste Neutronenquelle der Welt entstehen - das Bundesministerium für Bildung und Forschung beteiligt sich an der Planungsphase zur Europäischen Spallationsquelle ESS mit 15 Millionen Euro.
In das Innerste von magnetischen Datenspeichern blicken, den molekularen Aufbau neuartiger Kunststoffe analysieren oder die Bewegung von Proteinen darstellen und damit Abläufe in Zellen besser verstehen - mit Neutronen ist das möglich. Indem Wissenschaftler Materialien mit diesen winzigen, ungeladenen Bestandteilen der Atomkerne beschießen, bekommen sie zerstörungsfrei wie mit einem Supermikroskop Einblicke in die innere Struktur der Stoffe und können auch die Bewegung von Teilchen in den Materialien untersuchen.
Abb.: Das Gelände der geplanten Europäischen Spallationsquelle (Bild: ESS AB)
Im schwedischen Lund wollen 16 europäische Partnerländer dafür eine neue, einzigartige Neutronenquelle errichten. Die Europäische Spallationsquelle ESS wird das weltweit leistungsfähigste Gerät seiner Art. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Engagement deutscher Forschungseinrichtungen an diesem europäischen Großprojekt in der laufenden Design-Update-Phase mit 15 Millionen Euro. Bis zum Baubeginn 2013 werden die bereits existierenden Planungen für die Anlage und ihre Komponenten auf den neuesten wissenschaftlich-technischen Stand gebracht. Heute überreichte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel dem Forschungszentrum Jülich als deutschem Projektkoordinator den Bewilligungsbescheid.
"Die Neutronenstreuung ermöglicht einzigartige Einblicke in die Materie. Sie ist für Physiker, Werkstoffwissenschaftler, Biologen und Mediziner zu einem unverzichtbaren Instrument geworden, sowohl in der Grundlagen- als auch in der angewandten Forschung", sagte Rachel. "Mit der Bewilligung startet Deutschland seine Beteiligung an diesem weltweit einzigartigen Instrument. Damit tragen wir dazu bei, die Spitzenposition europäischer Neutronenforschung weiter auszubauen", betonte Rachel.
In der Europäischen Spallationsquelle ESS werden die Neutronen nicht durch Kernspaltung erzeugt, sondern durch sogenannte Spallation: Mittels Teilchenbeschleuniger werden Salven von Protonen - die positiv geladenen Bestandteile des Atomkerns - fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Mit sehr hoher Energie prallen diese Protonenpakete dann auf die Atomkerne eines schweren Metalls, wo sie Neutronen "absplittern", die dann als Sonde für Material- und Lebenswissenschaften verwendet werden.
Unter Koordination der Jülicher Forscher beteiligen sich auf deutscher Seite weitere Helmholtz-Zentren mit ihrem Know-how in Neutronenforschung und (Groß-) Geräteentwicklung: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Forschungszentrum Dresden-Rossendorf, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Karlsruher Institut für Technologie. Weitere Partnerin ist die Technische Universität München als Betreiberin der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibniz (FRM II). Diese Institutionen tragen gemeinsam weitere 6 Millionen Euro zu dieser Projektphase bei.
Die deutsch-schwedische Zusammenarbeit an der ESS ist Teil des 2009 gegründeten Röntgen-Angström-Clusters zur bilateralen Kooperation in Photonen- und Neutronenforschung. In diesem Rahmen beteiligt sich die schwedische Seite unter anderem am Röntgen-Laser European XFEL, der in Hamburg gebaut wird. "Neben dem Bau der beiden Großgeräte wollen wir gemeinsam auch die dazugehörende wissenschaftliche Nachwuchsförderung vorantreiben, damit diese einmaligen Forschungsanlagen langfristig bestmöglich genutzt werden", betonte Rachel. Bei der ESS handelt es sich um ein europäisches Großprojekt von der "ESFRI-Roadmap" - der Roadmap für Europäische Forschungsinfrastrukturen. Die Gesamtkosten für die 16 Partnerländer liegen bei voraussichtlich 1,4 Milliarden Euro. Der Bau soll 2018 beendet sein. Mit dem Fluss der ersten Neutronen werden dann bis 2025 die Messinstrumente installiert und getestet.
BMBF / AL
Weitere Infos:
- Website der ESS:
ess-scandinavia.eu/ - Neutronenforschung am Forschungszentrum Jülich:
www.fz-juelich.de/iff/d_ins - Infos zur ESFRI-Roadmap:
ec.europa.eu/research/esfri