13.11.2023

Supraleiter unter Druck

Quantenmechanische Anregungen der Elektronen in Strontiumruthanat erhöhen Supraleitung.

Der Supraleiter Strontium­ruthanat stellt die Wissenschaft vor viele Fragen. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie KIT und am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) in Dresden haben nun festgestellt, dass mechanischer Druck die Supraleitung erhöht und zugleich die Verformung des Materials erleichtert. Dies führen sie auf quanten­mechanische Anregungen der Elektronen zurück. Ihre Arbeit trägt zum Verständnis des Wechsel­spiels von elastischen und elektronischen Eigen­schaften bei. 

Abb.: Die Grafik zeigt, wie die Sprungtemperatur, bei deren Unterschreiten der...
Abb.: Die Grafik zeigt, wie die Sprungtemperatur, bei deren Unterschreiten der supraleitende Zustand eintritt, in Strontiumruthanat ansteigt.
Quelle: Y.-S. Li et al., Nature 607, 276 (2022)

Bei Strontium­ruthanat (Sr2RuO4) hat die Wissenschaft noch nicht verstanden, wie es zur Supraleitung kommt. „Die konventionelle Theorie lässt sich auf Strontium­ruthanat nicht anwenden. Doch die Quantenmechanik bringt uns weiter, denn mit ihr lassen sich nicht nur die Eigen­schaften einzelner Atome und Moleküle, sondern auch die kollektiven Eigenschaften von Vielteilchen­systemen beschreiben“, sagt Jörg Schmalian, Leiter des Instituts für Theorie der Kondensierten Materie (TKM) des KIT sowie Leiter der Abteilung Theorie der Quanten­materialien am Institut für Quanten­materialien und Technologien (IQMT) des KIT. 

Forschende an mehreren Instituten des KIT und am MPI CPfS hatten bereits 2022 demonstriert, wie sich durch mechanisches Drücken entlang einer bestimmten Richtung die Sprungtemperatur von Strontium­ruthanat deutlich erhöhen lässt und wie dabei das Anregungs­verhalten der Elektronen verändert wird. Zusammen mit inter­nationalen Partnern stellten die Forschenden aus Karlsruhe und Dresden nun fest, dass genau dieser Druck, der die Supraleitung stark erhöht, das Material mechanisch wesentlich weicher macht, sodass Verformungen erleichtert werden. Dies führen die Forschenden auf eine quanten­mechanische Resonanz der Schwingungen der Elektronen zurück. 

Vor rund sechzig Jahren sagte der sowjetische Physiker Ilja M. Lifschitz ein mechanisches Aufweichen vorher, das heute als Lifschitz-Übergang bekannt ist. „Der Effekt, den wir nun identifiziert haben, ist jedoch mehr als tausendmal größer und lässt sich klar mit der Verstärkung von Supraleitung in Verbindung bringen. Das ist verblüffend, weil weniger als ein Prozent der insgesamt im Material existierenden Elektronen eine Reduktion der elastischen Konstanten um zwanzig Prozent erzwingen“, erläutert Schmalian. 

Um die Untersuchung des Wechselspiels von elastischen und elektronischen Eigenschaften geht es auch im von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) geförderten Transregio ELASTO-Q-MAT, in dem das MPI CPfS und das KIT stark vertreten sind. Nun entwickelten die Forschenden ein Modell des Effekts, bei dem einige wenige der strom­führenden Elektronen alle anderen beherrschen und das Material viel weicher machen können. Die Messungen dazu liefen am MPI CPfS in Dresden. „Ilja M. Lifschiz machte in seiner Theorie keinen Fehler“, betont Schmalian. „Unsere Studie bietet jedoch eine neue Perspektive und eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft starke Quanten­fluktuationen im Labor zu mani­pulieren und Materialien für einen gegebenen physikalischen Effekt zu optimieren.“

KIT / JOL

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