15.10.2008

Theorie zur Entstehung von Sternen und Schwarzen Löchern im Experiment bewiesen

Günther Rüdiger aus Potsdam und Frank Stefani aus Dresden erhalten den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ 2008.



Günther Rüdiger aus Potsdam und Frank Stefani aus Dresden erhalten den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ 2008. Den Leibniz-Wissenschaftlern gelang erstmals der experimentelle Beweis einer der grundlegenden Theorien der Astrophysik zur Entstehung von Sternen und Schwarzen Löchern. Die Anwendung der Erkenntnisse verspricht Fortschritte für Produktionsverfahren in Kristallzüchtung und Metallurgie.

Berlin/Potsdam/Dresden. ­ Der diesjährige Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ geht an Günther Rüdiger vom Astrophysikalischen
Institut Potsdam und Frank Stefani vom Forschungszentrum Dresden-Rossendorf. Die beiden Leibniz-Wissenschaftler werden für den im Rahmen des Projekts PROMISE (Potsdam ROssendorf Magnetic InStability Experiment) erstmalig geglückten experimentellen Beweis der Theorie der
Magneto-Rotationsinstabilität ausgezeichnet. Dieser stellt einen Meilenstein der kosmischen Magnetohydrodynamik dar.

Die Magneto-Rotationsinstabilität(MRI), die bereits in den späten 1950er Jahren theoretisch vorhergesagt worden war, spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Sternen, Planeten, Sonnensystemen und Schwarzen Löchern. Ihr jetzt gelungener Nachweis in einem Flüssigmetallexperiment ermöglicht methodische Rückschlüsse auch auf industrielle Produktionsprozesse in der Kristallzüchtung und Metallurgie. Zu solchen Prozessen zählen die kontaktlose induktive Strömungstomographie beim Züchten von Siliziumeinkristallen und der Stahlguss Diese Aussicht auf einen konkreten gesellschaftlichen Nutzen der Forschung ist eine der Voraussetzung für die Vergabe des mit 50.000 Euro dotierten Wissenschaftspreises.

Die MRI ermöglicht die Entstehung von Himmelskörpern aus heißen Gasen und Staub. Durch die Rotation um eine zentrale Achse bilden sich abgeflachte Gebilde, so genannte Akkretionsscheiben. Das Problem bei der Entstehung zentraler Objekte ist der Drehimpuls. Eine gewisse Zähigkeit vorausgesetzt, wird Drehimpuls durch Reibung von innen nach außen transportiert. Nur unter dieser Voraussetzung kann Stoff mit reduziertem Drehimpuls nach innen strömen und schließlich vom zentralen Objekt aufgesammelt werden. Die Reibungswärme wird abgestrahlt, was z.B. die gewaltige Leuchtkraft von Quasaren erklärt. Die erforderliche Zähigkeit der Akkretionsscheiben kann nur von Turbulenz herrühren, deren Ursprung allerdings lange Zeit eines der großen Rätsel der Astrophysik war. Nach einem bekannten Kriterium sollten nämlich Strömungen in Akkretionsscheiben laminar sein, also keinen Übergang zur Turbulenz zeigen.

Die Lösung ist die Magneto-Rotationsinstabilität, die besagt, dass Akkretionsscheiben durch magnetisch induzierte Turbulenzen so stark gebremst werden, dass es zur Entstehung kompakter Himmelskörper kommt. Auf die Astrophysik wurde die MRI erstmals 1991 angewandt, allerdings ohne die Theorie im Experiment beweisen zu können. Das seit mehreren Jahren andauernde Wettrennen um diesen erstmaligen Beweis haben die Wissenschaftler aus Potsdam und Dresden letztendlich gewonnen. Die Ergebnisse wurden in mehreren renommierten Fachzeitschriften wie Physical Review Letters, Astrophysical Journal und New Journal of Physics veröffentlicht.

Leibniz-Präsident Ernst Th. Rietschel ist von der Auszeichnung von PROMISE begeistert: „Das Projekt PROMISE ist der Beweis, dass Wissenschaftler, deren Arbeit auf den ersten Blick kaum Anknüpfungspunkte zu haben scheint, im interdisziplinären Netzwerk der Leibniz-Gemeinschaft außergewöhnliche Ansätze verwirklichen und zu ganz bemerkenswerten wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen können.“


Der Preis:
Mit dem Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche
Wissenschaft in der Kategorie „Gesellschaft braucht Wissenschaft" werden wegweisende wissenschaftliche Arbeiten gewürdigt, die einen praktischen Nutzen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft oder Forschung erwarten lassen und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mindestens eines Leibniz-Instituts maßgeblich durchgeführt wurden. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit 50.000 Euro dotiert.


Weiter Infos:



GWF

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