Tiefer Blick in die Erde
Daten des Gravitations-Satelliten GOCE machen Strukturen im Erdinneren sichtbar.
Wie verändert sich das Eis der Polkappen? Und welche geologischen Eigenschaften hat die Erdkruste darunter? Welche Struktur hat die Grenzfläche zwischen Erdkruste und Erdmantel? Um diese Fragen zu beantworten, können Geophysiker künftig Daten des GOCE-Satelliten der ESA nutzen, mit dessen Hilfe das Schwerefeld der Erde vermessen wurde. Geodäten der Technischen Universität München (TUM) haben nun die Messdaten so aufbereitet, dass sogar Strukturen tief unter der Oberfläche sichtbar werden.
Abb.: Graviationsgradienten über dem Nordatantik. (Bild: Bouman / TUM)
Könnte ein Astronaut Gravitationsfelder sehen, so erschiene ihm die Erde nicht rund, sondern verbeult wie eine Kartoffel. Der Grund: Die Massen in Ozeanen, Kontinenten und tief im Erdinneren sind ungleich verteilt. Die Gravitationskraft ist daher von Ort zu Ort unterschiedlich. Diese Variationen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind, haben hochempfindliche Beschleunigungssensoren an Bord des ESA-Satelliten „Gravity field and steady-state Ocean Circulation Explorer" (GOCE) gemessen.
Mehrere Hundert Millionen Datensätze hat der Satellit von 2009 bis 2013 zur Bodenstation gefunkt. Die TUM ist maßgeblich an der Entwicklung der Mission und an der Auswertung und Nutzung der Messungen beteiligt. „Dank dieser Daten ist es gelungen, das Gravitationsfeld der Erde sehr genau zu kartieren. Und jetzt können wir die Messwerte sogar nutzen, um – quasi durch die Gravitationsbrille – tief unter die Oberfläche unseres Planeten zu sehen", erklärt Johannes Bouman vom Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut der TUM (DGFI-TUM) und Leiter der Projektgruppe GOCE+ GeoExplore.
Auf den Karten des Schwerefelds, die das Team jetzt veröffentlicht hat, erkennt man beispielsweise im Nordatlantik einen breiten roten Streifen, der erhöhte Gravitation symbolisiert. Dies deckt sich mit dem plattentektonischen Modell: Zwischen Grönland und Skandinavien steigt entlang des Mittelozeanischen Rückens dichtes und schweres Material aus dem Erdmantel auf, kühlt ab und bildet frische ozeanische Kruste.
„Wir konnten hier mit den Schwerefeldmessungen wichtige Ergänzungen zum plattentektonischen Modell liefern, indem wir Rückschlüsse auf die Dichte und Mächtigkeit von unterschiedlichen Platten ziehen", erläutert Bouman. Zwei Jahre hat er zusammen mit seinem Team an der Aufbereitung der GOCE-Daten gearbeitet. Diese galten als schwer interpretierbar, weil Höhe und Orientierung des Satelliten, als er um die Erde kreiste, nicht immer gleich waren. „Mit Hilfe von GPS wurde er zwar ständig lokalisiert, doch bei der Auswertung der Daten musste man jede Messung mit den gespeicherten Koordinaten korrelieren", erinnert sich der TUM-Forscher. Durch die Algorithmen, die er mit seinem Team entwickelt hat, ist es gelungen, die Daten so zu transformieren, dass Geophysiker sie künftig ohne weitere Korrekturen nutzen können.
Der Trick: Die Messwerte wurden nicht mit der tatsächlichen Flugbahn des Satelliten korreliert, sondern auf zwei Referenz-
„Für Geophysiker ist die Methode sehr interessant", betont Jörg Ebbing, Mitautor und Leiter der Arbeitsgruppe Geophysik und Geoinformation der Christian-
Die Analyse der Erdkruste im Nordatlantik ist dabei nur der Anfang. „Mit Hilfe der geodätischen Daten aus der GOCE-Mission wird man künftig den Aufbau der gesamte Erdkruste genauer untersuchen können", ergänzt Florian Seitz, Direktor des Deutschen Geodätischen Forschungsinstituts der TUM. „Und wir können sogar dynamische Bewegungen wie das Abschmelzen der polaren Eisschilde sichtbar machen, für die die Seismik blind war."
TUM / DE