12.06.2014

Tunneln per Räuberleiter

Erstmals wechselwirkende Quantenteilchen beim Tunneln durch eine ganze Reihe von Barrieren beobachtet.

Im Labor von Hanns-Christoph Nägerl vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck haben Forscher erstmals  Quantenteilchen dabei beobachtet, wie sie eine Reihe von bis zu fünf Barrieren hintereinander durchdringen. Dabei ist entscheidend, dass die Teilchen miteinander wechselwirken und sich gegenseitig mit einer Art Räuberleiter helfen, um zusammen ans Ziel zu kommen.

Abb.: Tunnelnde Atome müssen potentielle Energie abgeben, und das können sie hier nur über die Wechselwirkung mit den benachbarten Atomen. (Bild: U. Innsbruck)

In ihrem Experiment kühlten die Innsbrucker eine Gaswolke aus bosonischen Cäsium-Atomen bis nahe an den absoluten Nullpunkt ab. Diese Atome platzieren sie in einer Potentiallandschaft, die sie mit Hilfe von Laserstrahlen erzeugten. Dieses optische Gitter zwingt die Teilchen in eine regelmäßige Struktur und hindert sie anfänglich daran, ihren Platz zu verlassen. „Die Atome können die Hürden nicht überspringen, weil ihnen dazu die Energie fehlt“, erklärt Nägerl. „Es bleibt ihnen nur die Möglichkeit, die Barrieren mit Hilfe des quantenphysikalischen Tunneleffekts zu durchdringen.“ Doch auch das geht nicht, wenn die Nachbarplätze schon besetzt sind und dadurch eine Wechselwirkungsblockade besteht. Um trotzdem ein Quantentunneln zu ermöglichen, kippen die Forscher die Reihen der Teilchen mit einer äußeren Kraft. So verändert sich ihre potentielle Energie. Im Zusammenspiel mit den benachbarten Teilchen können die Atome dann eine oder mehrere Barrieren durchdringen, so das auch für die Forscher überraschende Ergebnis. „Jetzt helfen sich die Teilchen gegenseitig, anstatt sich zu blockieren, wie in einer Räuberleiter. Es ist entscheidend für das Experiment, dass wir das Zusammenspiel der Wechselwirkung zwischen den Teilchen und der äußeren Kraft genau kontrollieren“, sagt Nägerl. „Denn tunnelnde Atome müssen potentielle Energie abgeben, und das können sie in unserem System nur über die Wechselwirkung mit den benachbarten Atomen.“

So können die Physiker über die Anpassung von potentieller Energie und Wechselwirkungsenergie genau bestimmen, wie viele Barrieren ein Teilchen durchdringt. Interessanter Weise funktioniert die Quantenräuberleiter besser als eine gewöhnliche. Da die Cäsiumatome ununterscheidbare Quantenteilchen sind, die der Bose-Statistik gehorchen müssen, kommt es nicht darauf an, welches der Atome ins Ziel kommt, sondern nur, dass eines der Atome ins Ziel kommt. Das Mehr an Wahrscheinlichkeit erhöht folglich die Geschwindigkeit des Tunnelprozesses.

„In diesem Experiment haben wir erstmals beobachtet, wie Teilchen in einem stark wechselwirkenden System mehrere Barrieren hintereinander durchdringen“, sagt Nägerl. Solche langreichweitigen Tunnelprozesse wurden in der Forschung bisher wenig beachtet, auch weil sie experimentell nicht zugänglich waren. Der ERC-Preisträger erwartet sichgroßes Interesse an diesen Ergebnissen. „Die Zukunft wird zeigen, welche Einsichten für molekulare, biologische oder elektronische Systeme daraus gewonnen werden können“, meint der Physiker. „Auch Anwendungen in der Quanteninformationsverarbeitung oder Quantensimulation sind denkbar.“

U. Ibk. / OD

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