05.04.2007

Tunnelnde Elektronen

Mit extrem kurzen Attosekundenpulsen lassen sich Ladungsträger bei der Ionisation von Neon-Atomen direkt beobachten.



Mit extrem kurzen Attosekundenpulsen lassen sich Ladungsträger bei der Ionisation von Neon-Atomen direkt beobachten.

Tunnelprozesse gehören in der Quantenphysik zum Alltag. Sowohl beim Zerfall von Atomkernen als auch bei mikroelektronischen Schaltvorgängen passieren Elektronen mit diesem Trick klassisch unüberwindbare Potenzialwälle. Physikern um Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching gelang nun mit russischen, niederländischen und österreichischen Kollegen die erste direkte Beobachtung von Tunnelprozessen. Über dieses Schlüsselexperiment berichten sie in der Zeitschrift „Nature“.

„Unser Ergebnis bestätigt zum ersten Mal in einer Echtzeitbeobachtung die theoretischen Vorhersagen der Quantenmechanik“, sagt Krausz, der die Experimente leitete. Mit extrem kurzen Attosekundenpulsen verfolgten die Wissenschaftler schrittweise die Ionisation von Neon-Edelgasatomen. In dem so genannten Pump-Probe-Versuch hoben sie erst ein Valenzelektron im Neon-Atom mit einem ultravioletten Lichtblitz von 250 Attosekunden Dauer in eine schwächer gebundene Umlaufbahn. Ein zweiter Laserpuls im Infrarotbereich lieferte darauf die restliche Energie, um das Elektron über einen Tunnelprozess vom Atom zu trennen.

Die Herausforderung des Experiments lag nun darin, die beiden extrem kurzen Lichtblitze genau zu synchronisieren. Nur so lässt sich der zeitliche Verlauf der Ionisation genau verfolgen. Für diese Synchronisation verwendeten Krausz und Kollegen ein und denselben Infrarot-Laser. Die höher energetischen UV-Pulse wurden dabei durch elektronische Anregungen von Xenon-Atomen in einer Gaszelle erzeugt. Über einen Spiegelaufbau variierten sie danach die Laufzeiten der beiden Lichtblitze, um sie synchronisiert auf den Strahl aus Neonatomen zu schicken.

Abb.: Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Berg zu überwinden. In der klassischen Physik muss man den Berg besteigen, um auf die andere Seite zu gelangen. In der Quantenphysik geht das jedoch auch anders: Objekte können den Berg einfach waagerecht durchqueren – sie tunneln. (Quelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik)

Durch die Messung der entstandenen Neonionen in Abhängigkeit von der Pulssynchronisation konnten die Physiker in Echtzeit das von den Lasern induzierte Tunneln der Elektronen beobachten. Der Zustand nach der UV-Anregung ist dabei für weniger als 400 Attosekunden stabil. Nur während dieser kurzen Zeitspanne kann durch den zweiten, längeren infraroten Puls das Elektron vollständig vom Atom getrennt werden. Das geschieht mit großer Wahrscheinlichkeit nur in der Nähe der intensivsten Wellenberge der Lichtpulse.

In weiteren Versuchen könnte die zeitliche Auflösung dieser Pump-Probe-Methode weiter gesteigert werden. Sehr kurzlebige elektronische Prozesse, die sich bisher den Blicken der Physiker entzogen haben, sollen damit messbar werden. Mit den Ergebnissen könnten die Schaltprozesse in der Mikroelektronik genauer verstanden und für schnellere Chips weiter ausgereizt werden. Auch brillante, kompakte Röntgenquellen sollen dadurch möglich werden.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Faisal, F. H. M. Multiple absorption of laser photons by atoms. J. Phys. B 6, L89 (1973).
  • Baltuska, A. et al. Attosecond control of electronic processes by intense light fields. Nature 421, 611 (2003).
  • Drescher, M. et al. Time-resolved atomic inner-shell spectroscopy. Nature 419, 783 (2002).

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