29.11.2024

Ultraschall prüft Stahlbeton-Brücken

Neues Verfahren erkennt kritische Veränderungen an Bauten frühzeitig.

Stahlbeton ist ein unverzicht­barer Baustoff für Gebäude, Brücken und andere Bauwerke. Doch das Material ist besonders schwierig auf seinen Zustand und seine Sicherheit zu überprüfen. Eine Forschungs­gruppe unter Beteiligung der Technischen Universität München entwickelt derzeit ein neues hoch­empfindliches Verfahren zur Zustands­überwachung von Beton­strukturen. Neue Sensoren und computer­gestützte Rechenmodelle werden erstmalig die präzise Prüfung der Bauten und die genaue Lokalisierung der Schadenstelle erlauben.

Abb.: Seit 2021 messen die Forschenden mit Ultraschall-Sensoren den Zustand der...
Abb.: Seit 2021 messen die Forschenden mit Ultraschall-Sensoren den Zustand der 96 Meter langen Gänstorbrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm.
Quelle: N. Wollinsky, Stadtarchiv Ulm

Stahlbeton muss das Gewicht und die Vibrationen von Schnell- und Güterzügen ebenso aushalten, wie die Kräfte, die auf ein Hochhaus wirken. Umso wichtiger ist es, regelmäßig die gesamte Struktur und den Zustand des Baustoffs zu prüfen. Bislang gelingt dies nur mit aufwändigen Material­prüfungen, die zeit-, arbeits- und kostenintensiv sind. So werden Brücken beispielsweise händisch mit Hämmern auf Hohlstellen abgeklopft und hierfür nicht selten gesperrt. Trotz der regelmäßigen Prüfungen kann schweres Materialversagen, wie beim Einsturz der Carolabrücke in Dresden, nicht ausgeschlossen werden. Schon seit langem wird daher an Prüfverfahren mit Ultraschall geforscht. Die Forschungsgruppe CoDA – Concrete Damage Assessment by Coda Waves – hat jetzt vielversprechende Ergebnisse zu einem neuen Verfahren vorgestellt: Mit Hilfe der ultraschall­basierten, hochsensiblen Coda Wellen Inter­ferometrie (CWI) können Bauwerke künftig nicht nur punktuell geprüft, sondern konti­nuierlich und umfassend überwacht werden. Dadurch lassen sich kritische Veränderungen an Bauten frühzeitig erkennen und Maßnahmen rechtzeitig ergreifen, um Sperrungen oder Evakuierungen zu verhindern.

Die Methode zur Überwachung und Analyse von Material­veränderungen ist insbesondere geeignet für Beton- und Spannbeton­bauteile. Sie nutzt Ultraschallwellen, um sehr kleine Änderungen in der Material­struktur zu detektieren. Diese Technik ist besonders nützlich, um Spannungs­zustände und potenzielle Schäden frühzeitig zu erkennen. Die Gruppe bestehend aus Forschenden der Technischen Universität München, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), der Ruhr-Universität Bochum und der Hochschule Bochum testet die Anwendung der CWI für die Überwachung von Stahlbeton­bauwerken nun in Langzeittest an zwei Bauwerken. Seit 2021 messen die Forschenden mit Ultraschall­sensoren den Zustand der 96 Meter langen Gänstor­brücke zwischen Ulm und Neu-Ulm. 2022 begannen Messungen an der Münchner U-Bahnstation Scheidplatz. Dort messen die Sensoren die Belastung der Decke des Bauwerks durch den oberirdischen Straßen­bahnverkehr. 

Die röhrenförmigen Sensoren mit einer Länge von gerade einmal 75 Millimetern und einem maximalen Durchmesser von zwanzig Millimetern werden in Bohrlöchern oder unmittelbar bei Herstellung dauerhaft im Bauwerk angebracht und liefern konti­nuierlich Daten über die momentane Belastung und alterungs­bedingte Veränderungen des Materials. Doch die Signale der Ultraschall­sensoren sagen zunächst nichts über den Grad der Schädigung und die genaue Position etwaiger Schäden aus. Sie müssen zunächst übersetzt und interpretiert werden.

Hier kommen komplexe mathematisch-physika­lische Modellierungen und Simulationen ins Spiel. In Kombination mit maschinellem Lernen werden die Ultraschall­daten so interpretiert, dass sie die Änderungen der physikalischen Material­eigenschaften, wie Steifigkeit, auf verschiedenen Skalen übersetzen können. Nicht nur der Grad, sogar der Ort der Schädigung kann mit den Methoden abgeleitet werden. Die Daten der Sensoren werden an einen Server übertragen, was eine Bauwerks­überwachung aus der Ferne ermöglicht. So können zukünftig viele Bauwerke zentral beobachtet werden.

„Die Ergebnisse unserer jahrlangen Versuche unter Realbedingungen sind eindeutig: Uns ist es gelungen das CWI-Messverfahren derart zu verfeinern, dass wir zukünftig mit unseren Sensoren und den komplexen Auswertungs­modellen selbst große Bauten mit minimalen Eingriffen in die Struktur überwachen könnten. Ausschlaggebend hierfür ist unser systema­tischer und ganzheit­licher Ansatz – der angefangen bei den externen Einflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit bis hin zu einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren für die Auswertung der Signale berücksichtigt“, sagt Christoph Gehlen von der TUM.

Empa / JOL


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