Verbundwerkstoff als CO2-Sensor
Neues Material ändert seine Leitfähigkeit je nach Höhe der Kohlendioxid-Konzentration in der Umgebung.
Materialwissenschaftler der ETH Zürich und des MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam entwickelten einen neuartigen Sensor, der Kohlendioxid messen kann. Er ist viel kleiner, einfacher konstruiert und braucht sehr viel weniger Energie als bestehende Sensoren, von denen er sich im Funktionsprinzip komplett unterscheidet. Der neue Sensor besteht aus einem neuentwickelten Verbundwerkstoff, der mit CO2-Molekülen wechselwirkt und in Abhängigkeit der CO2-Konzentration in der Umgebung seine Leitfähigkeit ändert. Die ETH-Wissenschaftler haben mit dem Material Sensor-Chips gebaut, mit denen sie mit einer einfachen Messung des elektrischen Widerstands die CO2-Konzentration eruieren können.
Abb.: Der winzige CO2-Sensor – ein Chip mit einer dünnen Schicht des Polymer-Nanopartikel-Verbundmaterials. (Bild: F. Bergamin, ETHZ)
Grundlage des Verbundwerkstoffs sind kettenförmige Makromoleküle, die sich aus bestimmten Salzen zusammensetzen. Diese „ionischen Flüssigkeiten“ sind bei Umgebungstemperatur flüssig und leitfähig. Die daraus hergestellten Polymere haben den irreführenden Namen „polyionische Flüssigkeiten“ – obwohl sie nicht flüssig, sondern fest sind.
Aus unterschiedlichen Beweggründen – darunter die Batterieforschung und die CO2-Speicherung – untersuchen Wissenschaftler weltweit derzeit diese polyionischen Flüssigkeiten, denn sie können CO2 adsorbieren. „Wir fragten uns, ob wir diese Eigenschaft ausnützen könnten, um Informationen über die CO2-Konzentration in der Luft zu erhalten und damit einen neuen Typ von Gassensoren zu entwickeln“, sagt Christoph Willa vom Laboratorium für Multifunktionsmaterialien.
Erfolgreich waren Willa und Teamleiterin Dorota Koziej schließlich, indem sie die Polymere mit bestimmten anorganischen Nanopartikeln mischten, die ebenfalls mit CO2 wechselwirken. Aus den beiden Materialien stellten die Wissenschaftler einen Verbundwerkstoff her. „Weder das Polymer noch die Nanopartikel einzeln sind elektrisch leitend“, sagt ETH-Doktorand Willa. „Doch als wir die beiden Komponenten in einem bestimmten Verhältnis mischten, nahm die Leitfähigkeit rapide zu.“
Nicht nur dies verblüffte die Wissenschaftler. Auch waren sie überrascht, dass die Leitfähigkeit des Verbundwerkstoffs bei Umgebungstemperatur CO2-abhängig ist. „Bisher bekannte chemoresitive Materialen zeigen diese Eigenschaft erst ab einer Temperatur von mehreren hundert Grad Celsius“, so Koziej. Aus bisherigen chemoresistiven Materialien gebaute Sensoren mussten deswegen auf eine hohe Betriebstemperatur geheizt werden. Beim neuen Verbundwerkstoff ist dies nicht nötig, was die Anwendung deutlich erleichtert.
Wie die CO2-abhängige Veränderung der Leitfähigkeit zustande kommt, ist noch nicht im Detail geklärt. Die Wissenschaftler fanden jedoch Hinweise darauf, dass es an der Grenzfläche zwischen den Nanopartikeln und des Polymers auf der Nanometer-Skala zu chemischen Veränderungen kommt, wenn CO2-Moleküle anwesend sind. „Wir vermuten, dass diese Effekte die Mobilität der geladenen Teilchen im Material verändern“, so Koziej.
Mit dem neuen Sensor können die Wissenschaftler die CO2-Konzentration in einer großen Bandbreite messen: von der Konzentration in der Erdatmosphäre von 0,04 Volumenprozent bis zu 0,25 Volumenprozent. Gegenwärtige Messgeräte funktionieren meist optisch und nutzen die Absorption von Infrarotlicht durch das CO2. Im Vergleich mit diesen Geräten können nach Angabe der Forscher mit dem neuen Material sehr viel kleinere, portable Geräte entwickelt werden, die außerdem weniger Energie benötigen. „Denkbar sind etwa portable Geräte zur Atemluftmessung für Taucher, Extrembergsteiger oder medizinische Anwendungen“, so Koziej.
ETHZ / OD