Vielseitiger Radarsensor
Start-up entwickelt kontaktloses System für Echtzeit-Messungen von Luftströmungen in der Industrie.
Gesundheitsgefährdende Feinstaubemissionen bereits zu messen und zu erkennen, wenn sie entstehen – das versprach die weltweit einzigartige Methode, die vier Mitglieder der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) entwickelt haben. Um ihre Radarsensor-Technologie zur Marktreife zu bringen, bekam das aerosense-Team 2020 finanziellen Rückenwind durch das EXIST-Forschungstransfer-Programm. Im Mai 2022 startete aerosense schließlich mit einem serienreifen Prototyp in die Selbstständigkeit – aber mit ganz anderen Marktchancen als anfangs gedacht.
Die Idee klang vielversprechend, auch die Vorarbeiten an der Technischen Fakultät der CAU liefen über Jahre erfolgreich: Die Basis dafür schafften die Dissertationen von Alexander Teplyuk und Alwin Reinhardt am Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik. Teplyuk hatte 2006 die Forschungen angeschoben und erste Prototypen entwickelt, die mithilfe von hochfrequenten elektromagnetischen Wellen Menge, Größe und Geschwindigkeit von Kleinstpartikeln in Luftströmungen kontaktlos und ich Echtzeit messen können – ein absolute Neuheit in der Messtechnik von Feinstaub, der im menschlichen Körper Entzündungen, Asthma und Krebs hervorrufen kann.
Mit diesem enormen Innovationsvorsprung im Rücken formierte sich das aerosense-Team mit Alexander Teplyuk, Phillip Durdaut, Leve Freiwald und Robin Sielken. „Um unsere Technologie mit moderner Halbleitertechnik zur Marktreife weiterzuentwickeln, haben wir glücklicherweise die notwendigen Fördermittel bekommen“, berichtet Projektleiter und Hochfrequenztechniker Freiwald. Für die Projektlaufzeit über 18 Monate erhielt das Team 735.000 Euro vom Bundeswirtschaftsministerium über das EXIST-Forschungstransfer-Programm. Davon bauten die Forscher unter anderem ein mechanisches Labor mit einer CNC-Fräsmaschine fürs Rapid Prototyping auf, außerdem ein Elektroniklabor und ein Software-Server. Das Team wähnte sich bereits auf dem Weg zum marktfähigen Produkt. Doch es kam anders, als die angehenden Gründer anfangs dachten.
Ursprünglich sollte die Industrie mit der aerosense-Technologie ein neues Instrument an die Hand bekommen, um Feinstaub während der Produktion zu messen. „Auch die Staubentwickelung in Silos, die unter bestimmten Bedingungen zu Explosionen führen kann, hatten wir im Blick“, berichtet Leve Freiwald. „Doch wir wussten noch nicht, wie sich unsere Technik im Praxiseinsatz bewährt. 2021 mussten wir bei unserer Feuertaufe in einer amtlichen Testanlage in Kassel feststellen, dass die Messungen nicht so funktionierten, wie wir es prognostiziert hatten.“ Diesen herben Rückschlag habe das Team erst einmal verkraften müssen. „Trotzdem waren wir davon überzeugt, dass wir mit unserer Expertise und unserem Vorhaben im Prinzip gut aufgestellt sind“, erklärt der 31-Jährige.
Weil die Radarsensor-Technologie grundsätzlich auch für andere Einsatzzwecke in Frage kommt, bahnte sich 2022 ein ganz neues Anwendungsfeld an: Ein Weltmarktführer aus der Industrie meldete großes Interesse an. Noch dürfen keine Firmennamen genannt werden, doch eines können die Gründer schon mal sagen: Erste Tests stimmen zuversichtlich, dass das junge Unternehmen mit Sitz in Mönkeberg bei Kiel eine neue lukrative Anwendung für ihre Technologie gefunden hat. Nun hoffen die Newcomer auf Aufträge.
„Wir haben durch unsere wechselvollen Erfahrungen gelernt, dass man einen langen Atem braucht, um sich erfolgreich selbstständig zu machen“, erzählt der Projektleiter. Rückschläge und unerwartete Erfolge zählen nun mal dazu und lassen ein junges Unternehmen auch reifen. „Dazu kommt, dass wir alle viel Spaß an unserer Arbeit haben – auch das motoviert uns.“ Unterstützung erhielten die Gründer vom Zentrum für Entrepreneurship (ZfE) an der CAU. „Hier bekamen sie alle wichtigen Informationen zur Gründung eines Unternehmens. Darüber hinaus begleiten wir die Teams aber auch bei ihren Erfolgen und Rückschlägen. Wir helfen bei der Einordnung und Planung der nächsten Schritte“, berichtet ZfE-Leiterin Anke Rasmus. Dankbar ist das Team von aerosense ebenfalls ihrem wissenschaftlichen Mentor Michael Höft, der sie fachlich unterstützt, aber auch ermöglicht hat, dass das Team Räumlichkeiten der Technischen Fakultät der CAU für ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nutzen konnte.
CAU / DE