Vorgänge in Sternen mit Isotopen nachgestellt
Untersuchung mit Titan-Isotop ergibt, dass bisherige theoretische Berechnungen korrigiert werden müssen.
Um zu verstehen, warum chemische Elemente auf der Erde in bestimmten Mengen vorkommen, muss man Prozesse untersuchen, die in Supernovae stattfinden. Denn die Materie, aus der die Erde besteht, entstand vor Milliarden von Jahren in einer Supernova und wurde dann bei der Explosion in den Weltraum geschleudert. Forschende, die die Prozesse in einem Labor auf der Erde untersuchen wollen, haben oft ein Problem: Die Stoffe, bestimmte Isotope, die in den Supernovae eine wichtige Rolle spielen, kommen auf der Erde in der Natur nicht vor und stehen so zunächst für die Experimente nicht zur Verfügung. Eine Lösung kommt aus dem Paul Scherrer Institut PSI: An den Experimentieranlagen des Instituts entstehen diese Isotope in hinreichender Menge und können für Untersuchungen verwendet werden. So hat ein internationales Forschungsteam das Titan-Isotop Ti-44 verwendet, um am CERN in Genf einen wichtigen Prozess zu untersuchen. Dabei wurde deutlich, dass dieser weniger effektiv ist als bisher angenommen und man deswegen die bisherigen theoretischen Berechnungen von Abläufen in den Sternen wird korrigieren müssen.
Abb.: Supernova 1987 A in den ersten Jahren nach der Explosion. Der glühende Sternrest in der Mitte wird vor allem durch Ti-44 aufgeheizt. (Bild: NASA / ESA / P. Challis & R. Kirshner, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics)
Das Titan-Isotop Ti-44 ist eines der wenigen Isotope, die man von der Erde aus beobachten kann, weil es beim Zerfall Strahlung erzeugt, die die Erde erreicht. Und wenn man versteht, wie es sich bei Bedingungen verhält, die ähnlich sind wie während der Explosion, kann man auch die Supernovae im Allgemeinen besser verstehen. Konkret haben die Forschenden die Reaktion untersucht, bei der das Titan einen Heliumkern einfängt und sich anschliessend in das Vanadium-Isotop V-47 und ein Proton umwandelt. „Ti-44 aus explodierenden Supernovae ist von verschiedenen Forschungssatelliten beobachtet worden. Um die Beobachtungen deuten zu können, ist es wichtig zu wissen, wie wahrscheinlich diese Reaktion ist", erklärt Alexander Murphy von der Universität Edinburgh, der das Forschungsprojekt leitet.
Um diese Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, schickten die Forschenden an der REX-ISOLDE-Experimentanlage am CERN einen Strahl schneller Ti-44-Atome durch eine mit Helium gefüllte Kammer und konnten so beobachten, wie oft es zu der gesuchten Reaktion kam. „Am REX-ISOLDE-Komplex des CERN konnte aus dem vorhandenen Probenmaterial ein besonders reiner Ti-44-Strahl erzeugt werden“, betont Thierry Stora, Leiter der Target-und-Ionenquellen-Gruppe der ISOLDE-Anlage am CERN. Die Experimente zeigen, dass der untersuchte Prozess deutlich langsamer verläuft als bisher angenommen. „Diese Ergebnisse könnten erklären, warum bisherige Computermodelle die von den Satelliten beobachtete Menge an Ti-44 nicht erklären konnten. Um das endgültig zu bestätigen, werden aber noch weitere Messungen nötig sein”, so Murphy.
Das seltene Titan-Isotop, das diese Untersuchung möglich gemacht hat, ist eigentlich ein Nebenprodukt anderer Experimente. In diesem Fall hatten Forschende untersucht, wie sich Stahl verändert, wenn er bestrahlt wird. Dafür wurden Stahlstücke in der Neutronenquelle SINQ des PSI intensiver Protonen- und Neutronenstrahlung ausgesetzt. „Dabei sind verschiedene Isotope unter anderem das Ti-44 entstanden. Für die Untersuchungen, bei denen erforscht wurde, wie sich die mechanischen Eigenschaften des Stahls verändern, waren sie eher störend“, erzählt Rugard Dressler, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe schwere Elemente am PSI. „Solche Isotope gezielt herzustellen, ist sehr kostspielig und aufwendig. Hier entstehen sie einfach nebenbei. Und weil der PSI-Beschleuniger der leistungsstärkste der Welt ist, entstehen hier auch besonders grosse Mengen der Isotope.“ Mit den am PSI verfügbaren radiochemischen Verfahren konnte das Isotop Ti-44 dann aus den Stahlstücken extrahiert und für die Experimente am CERN zur Verfügung gestellt werden.
„An den Anlagen des PSI entstehen viele verschiedene seltene Isotope, die für unterschiedlichste Untersuchungen auf Gebieten wie nukleare Astrophysik, physikalische Grundlagenforschung oder Umweltforschung nützlich sind, und sonst nur mit sehr grossem Aufwand hergestellt werden könnten. Das PSI hat entsprechende Verfahren entwickelt, mit denen man die Isotope herauslösen und für die Experimente verfügbar machen kann“, betont Dorothea Schumann, Leiterin der Forschungsgruppe RadWasteAnalytik am PSI, die sich mit den an den Anlagen des PSI entstehenden Isotopen beschäftigt.
P. Piwnicki / PSI