21.10.2024

Warum der Wind still steht

Neue Untersuchungen widerlegen alte Theorie für windschwache Äquatorregionen.

Im Zeitalter der Segelschifffahrt fürchteten Seefahrer, die mit den Passatwinden über den Äquator segelten, in den Doldrums zu stranden, einer meteorologisch besonderen Region in den tiefen Tropen. Mindestens ein Jahrhundert lang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Windstille in den Doldrums durch konvergierende und aufsteigende Luftmassen verursacht wird. Neue Forschungsergebnisse legen allerdings nahe, dass das Gegenteil der Fall sein könnte.


Abb.: Satellitenansicht des äquatorialen Atlantiks. Das Wolkenband zeigt die...
Abb.: Satellitenansicht des äquatorialen Atlantiks. Das Wolkenband zeigt die Lage der innertropischen Konvergenzzone, die oft durch aufsteigende Luftmassen gekennzeichnet ist. Schwache Winde in der Region werden durch Regionen mit absinkender Luft verursacht.
Quelle: NASA Worldview

Die Idee, was die Doldrums verursacht, stammt aus einer Zeit, in der wir nicht viel darüber wussten, wie sich die Luft in den Tropen tatsächlich bewegt“, sagt Julia Windmiller, Atmosphärenforscherin am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und Autorin der Studie. „Wir haben die Doldrums so sehr vergessen, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, dieses ursprüngliche Argument noch einmal zu durchdenken.“

Stattdessen schlägt Windmiller vor, dass niedrige bis gar keine Windgeschwindigkeiten in den Doldrums durch große Bereiche absinkender Luft entstehen, die an der Oberfläche auseinanderlaufen und so für klare und windstille Tage sorgen. Damit stellt ihre Forschung die herkömmliche Erklärung für das tropische, ozeanische Phänomen in Frage, welches Segler stranden ließ, Dichter inspirierte und welches aus der wissenschaftlichen Literatur weitgehend verschwunden war.

Traditionell wurden Gebiete mit wenig bis gar keinem Wind rund um den Äquator durch zusammenlaufende und aufsteigende Luftmassen erklärt. Diese Luftmassen führen zwar zu Tiefdruckgebieten mit wenig Wind an der Oberfläche. Kurzfristig decken diese konvergierenden Luftmassen aber nicht ausreichend große Gebiete ab, um windstille Regionen zu schaffen, die tagelang andauern können.

Die Doldrums, wie die Innertropische Konvergenzzone im Atlantik bezeichnet wird, werden in der Regel als eine Region mit konvergierenden Passatwinden und aufsteigenden Luftmassen in Äquatornähe beschrieben. Erwärmte Luftmassen steigen wie Ballone nach oben, bilden Wolken und peitschen Stürme über dem Äquator auf. Anschließend sinken sie etwa 30 Grad nördlich und südlich des Äquators wieder ab und vervollständigen so die Hadley-Zelle der globalen Zirkulation. Dieses Muster konvergierender und aufsteigender Luftmassen in Äquatornähe gilt traditionell als Ursache der Doldrums, da sich unter den aufsteigenden Luftmassen in der Regel windarme bis windstille Zonen bilden.

Windmiller analysierte meteorologische Daten der Innertropischen Konvergenzzone für den Atlantik zwischen 2001 und 2021 sowie Bojendaten von 1998 bis 2018, um die Ränder der Innertropischen Konvergenzzone zu definieren und Ereignisse mit geringer Windgeschwindigkeit in der Region zu untersuchen. Diese sind durch Winde gekennzeichnet, die mit weniger als drei Metern pro Sekunde oder fünf Knoten (die für das Segeln erforderliche Mindestgeschwindigkeit) für mindestens sechs Stunden wehen. Windmiller analysierte die Daten auf mehrtägigen, stündlichen und minütlichen Zeitskalen und untersuchte, wie sich die Ereignisse mit geringer Windgeschwindigkeit im Laufe der Zeit entwickelten.

Sie fand heraus, dass Ereignisse schwachen Windes mit klaren Wetterbedingungen, niedrigeren Lufttemperaturen und fehlenden Niederschlägen zusammenfielen – Bedingungen, die eher auf sinkende Luftmassen hindeuten, die an der Oberfläche auseinanderdriften, als auf aufsteigende Luftmassen.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass moderne Seefahrer in den Doldrums stranden, könnte das Verständnis ihrer wahren Ursache Auswirkungen auf die Gegenwart haben. Neue, hochauflösende Klimamodelle haben Schwierigkeiten, Regionen mit niedrigen Windgeschwindigkeiten zu simulieren, so dass das Verständnis der Doldrums die Modellvorhersagen für Niederschlags- und Windmuster verändern könnte.

Wir können diese Ereignisse mit niedrigen Windgeschwindigkeiten nicht mehr so erklären, wie wir es bisher getan haben“, sagt Windmiller. „Ich hoffe, dass die Leute dies sehen und lesen werden und erkennen, dass die Erklärung genau andersherum ist, als bislang gedacht.“

MPI-M / DE


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