17.10.2007

Weich schwingende Atome

Eine internationale Forschergruppe ist mit Experimenten an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) den Sprüngen einzelner Oberflächen-Atome auf der Spur.



Eine internationale Forschergruppe um die Physiker Gero Vogl und Bogdan Sepiol von der Universität Wien fand heraus, dass Atome an der Oberfläche viel weicher schwingen als im Inneren, und ist den Sprüngen einzelner Oberflächen-Atome auf der Spur. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Sie in der Zeitschrift Physical Review Letters.

In den Arbeiten der Gruppe geht es speziell um die Wärme-Bewegung einzelner Atome, deren Diffusion, und die Wärme-Schwingungen der Schichten. Die Schwingungen bestimmen die thermischen Eigenschaften und damit die spezifische Wärmekapazität. Die Diffusion in und auf den Schichten bestimmt deren thermische Stabilität. Als Grundlagenforscher haben sich die Wissenschafter der Universität Wien auf „klinisch reine“ Flächen beschränkt, indem sie einzelne Flächen präparierten, um die komplizierten Phänomene zu entwirren, die sich in der Nanophysik und Nanochemie vermischen. Das Verständnis des thermischen Verhaltens der Materialien ermöglicht in der Folge die Herstellung und Verbesserung neuer Nanomaterialien, wie sie heute in der modernen Technik gefragt sind, z. B. in Turbinenschaufeln, Motorenteilen und Abgas-Katalysatoren.

Um die Oberflächenqualität untersuchen zu können, bauten die Physiker spezielle Analyse-Vorrichtungen an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble. Am Synchrotron kann extrem scharfe Röntgenstrahlung erzeugt werden, die es erstmals ermöglicht, Untersuchungen der Oberflächen-Dynamik anzugehen. Unabdingbar für den Erfolg war eine Apparatur direkt am ESRF, in der ein 10.000-milliardenfach kleinerer Gasdruck herrscht als wir ihn fühlen. Das ist notwendig, um die Oberflächen rein zu halten. Allein die Konzeption dieser Apparatur erforderte mehr als ein Jahr. Ihre Konstruktion ist nicht abgeschlossen, sondern wird entsprechend dem kontinuierlichen Lernen beim Experiment immer wieder neu angepasst. Vorraussetzung für die Experimente war, dass dieser niedrige Gasdruck nicht nur bei Raumtemperatur, sondern auch bei einigen hundert Grad Celsius stabil blieb. Darüber hinaus musste der Synchrotronstrahl durch Spezialfenster unter ganz flachem Einfallwinkel in die Kammer eindringen und aus ihr wieder austreten können. Der ein- und austretende Strahl wird mithilfe feinster Monochromatoren bezüglich seiner Energie und Intensität eingestellt und nach seiner Interaktion mit der Oberflächenschicht analysiert.

Mit dem Forschungsprojekt konnte nachgewiesen werden, dass die Atome in der Oberflächenschicht viel weicher schwingen als im Inneren. Darüber hinaus lässt sich feststellen, wie diese Weichheit mit der Tiefe abklingt. Die Physiker wissen nun, dass und wie in epitaktisch aufgewachsenen Oberflächenschichten, die darunter liegenden Schichten ihren Einfluss geltend machen. Mithilfe der neuen Untersuchungsmethoden lässt sich auch das Springen einzelner Atome auf der Oberfläche mitverfolgen. Zu diesen Forschungsarbeiten wurden in den Zeitschrift Physical Review Letters bereits zwei Beiträge im August und Oktober 2007 veröffentlicht, ein weiterer erscheint im November.

Die Initiative zu diesem Forschungsprojekt setzte Gero Vogl 2001. Damals gründete er das Netzwerk Materialdynamik MDN, dem ForscherInnen aus Österreich, Polen, Ungarn, der Slowakei, Frankreich und Deutschland angehören. Das Ziel der Forschungskooperation war nicht nur ein wissenschaftliches, sondern auch ein forschungspolitisches: die Förderung der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus den neuen EU-Ländern vor und nach deren Beitritt. Darüber hinaus sollten die neuen technischen Möglichkeiten der größten europäischen Synchrotronquelle in Grenoble gemeinsam genutzt werden. Der Beitritt Österreichs zur ESRF im Jahr 2003 verbesserte für das Forscherteam die Möglichkeiten zum Einsatz von Synchrotronstrahlung.

Quelle: Universität Wien

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