03.08.2017

Weltkleinste Pumpe misst Feinstaub

Mikropumpe mit Silizium-Membran nutzt piezoelektrischen Effekt.

Feinstaub schädigt Herz und Lunge. Vor einer hohen Belastung könnte in Zukunft ein Smart­phone mit eingebautem Gassensor warnen. Damit der Sensor schnell anspricht und genaue Messwerte liefern kann, haben Fraun­­hofer-Forscher eine leistungsstarke Mikro­membranpumpe entwickelt, die die Umgebungs­luft zuführt. „Unsere Smartpump ist nur 25 Quadrat­millimeter groß und damit die kleinste Pumpe der Welt. Trotzdem hat sie ein hohes Kompressions­verhältnis“, sagt Martin Richter, der die Abteilung Mikro­dosier­systeme an der Fraun­hofer-Einrichtung für Mikro­systeme und Festkörper-Techno­logien EMFT in München leitet.

Abb.: Gerade einmal 25 Quadratmillimeter misst die derzeit weltweit kleinste Mikromembranpumpe. (Bild: Fh.-EMFT)

Um in der Pump­kammer Druck zu erzeugen nutzen Richter und sein Team den piezo­elektrischen Effekt, der elek­trische Spannung in mecha­nische umwandelt: Mit Hilfe von Wechsel­spannung wird die Silizium-Membran nach oben oder unten bewegt, dadurch Umgebungs­luft durch ein Ventil eingesaugt, in der Pump­kammer verdichtet und wieder heraus­gepresst. Herkömm­liche piezo­elektisch ange­triebene Mikro­membran­pumpen können nur relativ niedrige Drücke mit Luft erzeugen. Denn die Asym­metrie des Piezo­effektes erfordert viel Platz in der Pump­kammer, um die Membran bewegen zu können. Dadurch entsteht unver­meidbar ein hohes Tot­volumen, also ein Rest­volumen, dessen Gasinhalt nicht ausge­stoßen wird. Durch einen Trick ist es Richter und seinem Team gelungen, das Totvolumen zu redu­zieren und so den Druck und das Saug­vermögen zu erhöhen: „Wir spannen die Membran bei der Montage der Piezo­keramik mit dem Piezoeffekt definiert vor. Das hat den Vorteil, dass wir keine tiefe Pump­kammer mehr benötigen. Dieser Trick ermög­licht nicht nur Mikro­pumpen mit hohen Kompressions­verhältnissen, sondern auch ins­gesamt kleiner zu bauen.“

Nicht nur die Membran, auch die Klapp­ventile und die Pump­kammer werden aus einkris­tallinem Silizium gefertigt, was gegenüber Metallen und Kunst­stoffen zahl­reiche Vorteile hat: Das Halbmetall, aus dem auch Solar­zellen oder Computer­chips hergestellt werden, ist elas­tisch und ermüdungs­frei. Zudem lassen sich die einzelnen Pumpen­komponenten sehr exakt aus der Silizium­schicht heraus­ätzen und anschließend aneinanderfügen. Der Nachteil: Silizium ist verhältnis­mäßig teuer. Auch deshalb ist es so wichtig, die Pumpe so klein wie möglich zu bauen. „Unser Ziel ist, die Pumpe auf eine Größe von zehn Quadrat­millimeter zu verkleinern. Dann wäre die Massen­fertigung rentabel. Wir sind hier auf einem guten Weg“, sagt Richter.

Die Inte­gration von Gas­sensoren in Smart­phones wird derzeit unter anderem dadurch erschwert, dass die Reaktions­zeiten für diese Sensoren viel zu lang sind. Die Smartpump könnte den Gas­sensoren gezielt Luft zuführen und so die Reaktions­zeit von mehreren Minuten auf zwei Sekunden verkürzen. Messen ließe sich nicht nur die Feinstaub-Belas­tung, sondern beispiels­weise auch, ob die Raumluft verbraucht ist und die Fenster zum Lüften geöffnet werden sollten. Auch eine Atem­luft-Analyse wäre prinzi­piell möglich, beispielsweise um den Alkohol-Gehalt zu kontrollieren. „Allerdings ist hier eine hohe Mess­genauigkeit erforderlich, die zurzeit noch nicht erzielt wird. Sonst setzt sich jemand in dem Glauben, nur 0,3 Promille zu haben, hinter das Steuer, hat aber in Wirklichkeit 0,9“, warnt Richter.

Die Mikro­pumpe könnte auch im medi­zinischen Bereich zum Einsatz kommen, zum Beispiel als Medika­menten-Pflaster, das konti­nuierlich Kleinst­mengen eines Hormons oder Schmerz­mittels abgibt. Oder als Implantat, mit dessen Hilfe sich der Augen­innendruck bei einer Glaukom-Therapie regulieren ließe. Maschinen könnten durch die Pumpe mit exakt dosiertem Schmier­stoff versorgt werden. „Diese Anwendung entwickeln wir bereits mit einem Partner aus der Industrie“, so Richter.

Im Rahmen des Förder­programms „Discover“, das unkonven­tionelle und ori­ginelle Ideen unter­stützt, erforschen Richter und seine Kollegen noch ein weiteres Anwendungs­gebiet: das Hinter­legen von Audio- und Video­dateien mit Duft­szenarien. „Unsere Smartpump wird in einem Headset verbaut und verab­reicht nasennah genau dosierte Düfte. Die Gaming-Industrie hat bereits In­teresse angemeldet.“ Generell sei die Smartpump für alle Anwender interes­sant, die kleinste Mengen an Flüssig­keiten oder Gasen genau dosieren wollen.

FhG / JOL

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