06.08.2012

Wenn es niemals mehr dunkel wird

BMBF stärkt Forschung zum Einfluss nächtlicher Beleuchtung auf Umwelt und Gesundheit.

Der Mensch macht die Nacht zum Tag: Er beleuchtet Straßen, strahlt Gebäude an, umgibt sich mit leuchtenden Werbeflächen und Schaufenstern. Das vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, ist Zeichen für Modernität und Wohlstand. Doch das nächtliche Licht hat auch seine Schattenseiten: Es ist nicht nur für 19 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Licht außerhalb der natürlichen Rhythmen kann auch Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit von Mensch und Tier beeinträchtigen. Nicht zuletzt deshalb sprechen Forscher auch vom Phänomen der „Lichtverschmutzung“.

Abb.: Der nächtliche Himmel über Berlin. (Bild: C. Kyba)

Wie sich die künstliche Beleuchtung auf den Organismus auswirkt, welche gesundheitlichen und ökologischen Folgen sie hat und welche kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen es gibt, das erforscht seit 2010 der weltweit einzigartige Forschungsverbund „Verlust der Nacht“. Ihm gehören - unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - sechs Leibniz-Institute, ein Helmholtz-Zentrum sowie die TU und die FU Berlin an. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung in Berlin fördern das Projekt.

„Ziel der Forscher ist es, nicht nur die Zusammenhänge zu verstehen, sondern auch Konzepte für eine intelligente und nachhaltige Beleuchtung zu entwickeln“, sagt Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Christopher Kyba, Physiker an der Freien Universität erläutert, dass Innovationen in der Beleuchtungstechnik unterschiedliche Farbspektren der Lampen mit sich bringen werden. Er hat gemeinsam mit seinen Kollegen kürzlich eine Studie zu dem Thema veröffentlicht. „Der derzeitige weltweite Trend, Gasentladungsröhren durch LED-Lampen zu ersetzen, wird die Helligkeit und das Lichtspektrum des Nachthimmels erneut verändern.“ Um mögliche Auswirkungen auf Ökosysteme nachzuvollziehen, sei es nötig, den Nachthimmel langfristig zu beobachten.

Die Wissenschaftler untersuchten dazu mittels eigens angefertigter Messgeräte, wie Wolken die Helligkeit des Nachthimmels beeinflussen. „In annähernd jeder Epoche der Erdgeschichte haben Wolken den Tag- und Nachthimmel verdunkelt“, sagt Franz Hölker, Ökologe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie Leiter des Interdisziplinären Forschungsverbunds „Verlust der Nacht“. In Regionen mit starker Beleuchtung ist nachts jedoch das Gegenteil der Fall; so ist in Berlin das blaue Licht eines bewölkten Nachthimmels siebenmal heller als in unbewölkten Nächten, das rote Licht achtzehnmal.

Für viele Tiere sind bewölkte Nächte in Ballungsgebieten heute tausendmal heller, als sie es bis vor wenigen Jahrzehnten waren. Den Autoren der Studie zufolge könnte das zusätzliche Licht Räuber-Beute-Beziehungen beeinflussen, wie zum Beispiel zwischen Eulen und Mäusen.

An unbewölkten Tagen streut die Atmosphäre besonders das kurzwellige blaue Licht. Deswegen geben die Wissenschaftler zu bedenken, dass weiße LED-Leuchten ohne gesonderte Vorkehrungen bei Design und Einbau den Himmel in unbewölkten Nächten stark erhellen können. Sie weisen darauf hin, dass Städte, die sich für einen Wechsel zu LED-Beleuchtung entschieden haben, Leuchten anschaffen sollten, die ein nicht aufwärts gerichtetes, warmweißes Licht mit möglichst geringem Strahlungsanteil im blauen Spektralbereich abgeben.

Der Verlust der Nacht wird in dem Verbundprojekt in fünf Bereichen erforscht:
Ökologie – Wenn Millionen Insekten und tausende Vögel von Laternen und beleuchteten Gebäuden angezogen werden, dann hat dies Einfluss auf Artenvielfalt und Gleichgewicht im Ökosystem. Die Projekte untersuchen, wie einzelne Lebensgemeinschaften im Wasser oder an Land auf künstliche Lichteinflüsse reagieren.
Gesundheit – Licht, wenn der Körper eigentlich Dunkelheit erwartet: Welche physiologischen Mechanismen den saisonalen und täglichen Lichtrhythmen zugrunde liegen, und wie künstliche Beleuchtung Physiologie und Verhalten von Mensch und Tier beeinflusst, wird im Bereich Gesundheit untersucht.
Gesellschaft - Sozialwissenschaftler interessieren sich dafür, welche gesellschaftliche Bedeutung künstliche Beleuchtung hat und wie sie geregelt ist. Diese Grundlage hilft, künstliche Beleuchtung auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene nachhaltiger zu gestalten.
Lichttechnik - Künstliche Lichtquellen können nach den gewonnenen Erkenntnissen in Leuchtdichte und spektraler Charakteristik optimiert, effizienter ausgelegt und zeitlich regelbar gestaltet werden. Hierfür kooperieren die Forscher mit der Beleuchtungsindustrie.
Astronomie und Kulturgeschichte - Wo die Nächte immer heller werden, verlieren die Sterne ihre Strahlkraft - einen beeindruckenden Sternenhimmel gibt es nur noch an wenigen Orten in unseren Breiten. Das ist auch ein kultureller Verlust, den es ins Bewusstsein zu rücken, zu erforschen und - nach Möglichkeit - zu beheben gilt.

BMBF / PH

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