Wenn Wasser Flip-Flops turnt
Molekulares Kino: Laserspektroskopie macht die Bewegung von Wasserstoffbrücken im Billionstelsekundenbereich sichtbar.
Für die Lösung der Energieprobleme der Zukunft spielen Brennstoffzellen eine wichtige Rolle, weil sie chemische Energie effizient und umweltfreundlich in elektrischen Strom umwandeln. Einen wichtigen Beitrag zum verbesserten Verständnis dieser Energiewandler haben nun Physikochemiker der Universität Bonn geleistet: Ihnen ist es erstmals gelungen, den „Flip-Flop“ einer Wasserstoffbrücke zeitlich hoch aufgelöst aufzuzeichnen. Diese Moleküldrehung ist für den Transport der Wasserstoff-Ionen in der Brennstoffzelle entscheidend.
Abb.: Mit Hilfe der Laserspektroskopie machen Peter Vöhringer, Annika Dahmen und Martin Olschewski die Bewegung der Wasserstoffbrücken im Billionstel Sekundenbereich sichtbar. (Bild: V. Lannert, U. Bonn)
In flüssigem Wasser entstehen die instabilen Wasserstoffbrücken für unvorstellbar kurze Bruchteile einer Sekunde. Dagegen fügen sich die Wassermoleküle im Eis durch die Brücken zu regelmäßigen sechseckigen Strukturen zusammen, die dauerhaft sind – solange das Eis nicht schmilzt. Es gelingt aber nicht immer, dass sich sämtliche Wassermoleküle im Eis zu perfekten Sechserringen ausbilden: Manchmal ragen statt eines Sauerstoff- und eines Wasserstoffatoms auch zwei Wasserstoffatome oder zwei Sauerstoffatome aneinander – dann liegt ein „Bjerrum’scher Defekt“ vor. Die gleich geladenen Atome stoßen sich dabei ab und vollziehen in einem „Flip-Flop“ eine Drehung, bis sich die Richtung der H-Brücke genau um 180 Grad geändert hat. „Experimentell konnte zuvor diese Flip-Flop-Bewegung noch nicht zeitlich aufgelöst beobachtet werden“, erläutert Peter Vöhringer vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. Seinem Team gelang nun mit Hilfe der Laserspektroskopie, wie in einem molekularen Kino die Bewegung der Wasserstoffbrücken im Billionstel Sekundenbereich aufzuzeichnen. Die Wissenschaftler führten die Beobachtungen an dem einfachen Modellmolekül Pinakol durch, einer organischen Verbindung, aus der wie beim Wasser ebenfalls Gruppen mit Sauerstoff- und Wasserstoffatomen herausragen.
Was zunächst wie eine reine Turnübung von Molekülen wirkt, hat großes Anwendungspotenzial: etwa für die umweltfreundliche Verbrennung von explosivem Wasserstoff zu harmlosem Wasser in Brennstoffzellen. Die Effektivität dieser technischen Anwendung hängt entscheidend davon ab, wie gut die Wasserstoff-Ionen im Innern der Brennstoffzelle transportiert werden können. „Unsere Erkenntnisse zu den Wasserstoffbrücken-Flip-Flops zeigen einen Weg, wie dies besser und schneller geschehen kann“, blickt Vöhringer in die Zukunft.
Die Grundlage solcher Reaktionen werden an der Universität Bonn im Sonderforschungsbereich „Chemie an Spinzentren“ untersucht. Für die Verbrennung von Wasserstoff ist Sauerstoff erforderlich, der zwei freie Elektronen als sehr reaktionsfreudige Einzelgänger hat. Diese Reaktivität und die außergewöhnlichen Eigenschaften von Materie mit ungepaarten Elektronen wollen die Wissenschaftler im Detail verstehen und mit modernsten Computerverfahren vorhersagen. Der interdisziplinäre Zusammenschluss von Forschern der drei chemischen Institute, des Pharmazeutischen Instituts und des LIMES-Instituts der Universität Bonn wird nun von der DFG mit 8,3 Millionen Euro für weitere vier Jahre gefördert.
U. Bonn / OD