15.06.2007

Wettbewerb in der Spitzenforschung

Mit einem 10-Punkte-Plan schlägt die Humboldt-Stiftung Maßnahmen vor, die Deutschland für internationale Spitzenforscher attraktiver machen.



Mit einem 10-Punkte-Plan schlägt die Humboldt-Stiftung Maßnahmen vor, die Deutschland für internationale Spitzenforscher attraktiver machen.

Deutschland muss mehr tun, um im internationalen Wettbewerb um die besten Forscherinnen und Forscher zu bestehen und besser zu werden. Dies ist die Erfahrung der Alexander von Humboldt-Stiftung, die jedes Jahr rund 1.800 Forschungsaufenthalte von internationalen Top- und Nachwuchswissenschaftlern in Deutschland betreut. Aus den praktischen Erfahrungen als wissenschaftliche Internationalisierungsorganisation und aus den Hinweisen aus ihrem deutschen und internationalen Netzwerk hat die Humboldt-Stiftung einen 10-Punkte-Plan mit Empfehlungen erarbeitet.

„Mit dem Papier will die Stiftung konkrete Verbesserungen erreichen und einen Impuls geben für eine forschungspolitische Standortstrategie“, sagte Georg Schütte, Generalsekretär der Humboldt-Stiftung. Mehr Belohnung für Leistung, mehr Wettbewerb, mehr Mut zum Risiko und weniger Bürokratie und Reglementierung lautet die Quintessenz des Papiers. „Ob es starre Stellenpläne sind, unattraktive Vergütungen, bürokratische Rekrutierungs- und Berufungsverfahren oder die mangelnden Perspektiven für den Nachwuchs – im internationalen Vergleich zeigt sich, wo wir besser werden müssen und was wir vom Ausland lernen können“, sagte Schütte.

„Der Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative sowie der Pakt für Forschung und Innovation zeigen, es tut sich etwas in der deutschen Forschungspolitik. Diese Ansätze müssen verstärkt und erweitert werden. Es ist die Zeit für einen Aufbruch an Universitäten, Forschungseinrichtungen und in der Forschungspolitik“, so Schütte. Die Humboldt-Stiftung wolle hierzu beitragen und die Expertise ihres Netzwerks mit Initiativen wie dem 10-Punkte-Plan stärker einbringen.

Der 10-Punkte-Plan im Einzelnen
Deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen stehen in einem zunehmend härter werdenden internationalen Wettbewerb um wissenschaftliche Talente und Spitzenforscherinnen und -forscher. Weltweit werden kluge Menschen gesucht und umworben. Mit den folgenden zehn Thesen fasst die Alexander von Humboldt-Stiftung die Forderungen zusammen, die sie aus ihrem Netzwerk innerhalb und außerhalb Deutschlands erhält:

  1. Mehr Stellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
    Im Durchschnitt betreuen deutsche Professorinnen und Professoren 63 Studierende. Dies ist mehr als doppelt so viel wie an internationalen Spitzenuniversitäten üblich. Um die Lissabon-Ziele der Europäischen Union zu erreichen, müssten in Deutschland 70.000 neue Forscherstellen geschaffen werden. Der Hochschulpakt und der Pakt für Forschung und Innovation bilden eine finanzielle Basis für die Rekrutierung junger Wissenschaftler. Die Maßnahmen reichen jedoch nicht aus und müssen mittelfristig ergänzt werden.
  2. Wissenschaftliche Karrieren brauchen Planungssicherheit: tenure track als Option für den wissenschaftlichen Nachwuchs etablieren
    Die deutschen Hochschulen müssen die Karrierephase zwischen der Promotion und der festen Professur planbarer und international kompatibel ausgestalten. Es müssen - nach dem Vorbild angelsächsischer tenure track-Verfahren - klare Qualifikationsstufen bestimmt werden, auf denen über den Verbleib an einer Institution entschieden wird. Dieses Stufenmodell muss zwingend mit der Möglichkeit verbunden sein, auf eine feste Professur berufen werden zu können, wohl wissend, dass diese Möglichkeit nur für einen Teil derjenigen infrage kommen kann, die diesen Weg einschlagen.
  3. Karriereunterstützung als Beratungs- und Betreuungsaufgabe wissenschaftlicher Führungskräfte
    Sowohl die vorgesetzten Wissenschaftler als auch die Hochschul- bzw. Institutsleitungen müssen sich aktiv an der Personalentwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses beteiligen. Junge Wissenschaftler brauchen Karriereberatung. Planungssicherheit bedeutet auch, dass es Planungshilfen gibt, um rechtzeitig den passenden Weg im Wissenschaftssystem, aber auch in Beschäftigungen außerhalb des Wissenschaftssystems, zu finden.
  4. Frühe Selbständigkeit durch risiko-offene Forschungsfinanzierung fördern
    Im internationalen Vergleich genießen junge Wissenschaftler in Deutschland weniger Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Die Förderprogramme für frühe, eigenständige Forschung müssen gestärkt werden. Es gilt insbesondere für Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase, Verfahren für risiko-offene Forschungsarbeiten zu profilieren.
  5. Die Rekrutierung und Berufung weiter professionalisieren
    Unabdingbar sind professionalisierte Berufungsverfahren. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2005 bilden den Mindeststandard. Internationale Mobilität gilt es bei entsprechenden Erfolgen zu honorieren. Berufungsverfahren müssen ergebnisoffen und transparent geführt werden. Hierzu müssen Berufungskommissionen unter anderem auch mit externen bzw. unabhängigen Gutachtern besetzt werden. Nicht allein eine Fakultät oder ein Fachbereich, sondern auch die Hochschulleitungen müssen im Interesse der Gesamtorganisation das Verfahren mitgestalten und über das Ergebnis mitentscheiden dürfen. Gute Wissenschaftler müssen schnell berufen werden. Jahrelange Berufungsverfahren können sich international angesehene Hochschulen heute nicht mehr leisten. Schließlich müssen Hochschulen und Forschungseinrichtungen stärker als bisher ihren Nachwuchs aktiv international rekrutieren.
  6. Stellenpläne auflösen und Leitungs-Strukturen anpassen
    Die wichtigste Ressource einer Hochschule bzw. eines Forschungsinstituts - die Hochschul- bzw. Institutsangehörigen - sind immer auch Chefsache. Hochschulleitungen müssen deshalb die Chancen der derzeitigen Hochschulderegulierung und die damit verbundenen Autonomiegewinne konsequent nutzen. Die weitere Entwicklung einer Hochschule oder eines wissenschaftlichen Fachgebietes kann Anlässe bieten, die fachliche Ausrichtung von Lehrstühlen neu zu bewerten. Das Verhältnis von Kontinuität und Wandel muss mit den Beteiligten innerhalb einer Hochschule, aber - wo notwendig - auch mit auswärtigen Kollegen jeweils neu bestimmt werden. Starre Stellenpläne müssen zugunsten flexibler Berufungsmöglichkeiten gelockert bzw. aufgelöst werden. Unabhängige Nachwuchsgruppenleiter innerhalb von Hochschulen und im Zusammenwirken von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen müssen in ihrem Status Juniorprofessuren gleichgestellt werden. Schließlich müssen die gestiegenen Anforderungen an das Hochschul- und Institutsmanagement mit einer entsprechenden Honorierung, die ansatzweise der Vergütung ähnlicher Managementverantwortung im nicht-wissenschaftlichen Bereich vergleichbar ist, einhergehen.
  7. Wissenschaftsspezifische tarifliche Regelungen schaffen
    Der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD/TVL) ist nach Meinung vieler Beteiligter unzureichend für die angemessene Vergütung von Wissenschaftlern und Nicht-Wissenschaftlern in außeruniversitären und universitären Forschungseinrichtungen. Er ist national und international nicht konkurrenzfähig mit anderen Vergütungssystemen, beschränkt die internationale Mobilität und geht mit seinen starren Rahmenbedingungen nicht auf die Besonderheiten des Wissenschaftsbetriebs ein. Dies gilt in gleicher Weise für wissenschaftliches wie nicht-wissenschaftliches Personal. Angemessene Vergütungen für Personen, die in anderen, insbesondere privatwirtschaftlichen Bereichen Erfahrungen erworben haben, sind unentbehrliche Voraussetzungen, um den Technologietransfer durch Personen lebendig und produktiv werden zu lassen.
  8. International konkurrenzfähige Vergütung
    Im Wettbewerb um die besten Wissenschaftler ist zu prüfen, ob die W-Besoldung tatsächlich den Anforderungen entspricht, die heute an international konkurrenzfähige Wissenschaft gestellt werden. Es muss möglich gemacht werden, Spitzenwissenschaftlern international konkurrenzfähige Vergütungen anzubieten. Die derzeit an Universitäten geltenden Vergaberahmen für die Vergütung der Professoren setzen dabei zu enge Spielräume. Mit einem nationalen Sonderprogramm für die Berufung von Spitzenwissenschaftlern aus dem Ausland sollten beispielhaft Bedingungen für die Gewinnung international renommierter Spitzenforscher geschaffen werden.
  9. Sozialleistungen internationalisieren
    International mobile Wissenschaftler müssen vielfach bei ihren Versorgungsbezügen im Alter große Nachteile bzw. Einbußen in Kauf nehmen. Zumindest auf europäischer Ebene müssen Rahmenbedingungen für die Übertragbarkeit von Sozialversicherungsleistungen geschaffen werden. Mit einem Ausgleichsfonds könnten Wissenschaftsorganisationen oder einzelne Hochschulen zwischenzeitlich in die Lage versetzt werden, diese Nachteile zu kompensieren.
  10. Transparenz steigern und attraktive Arbeitsumgebungen schaffen
    In der weltweiten Konkurrenz um Spitzenwissenschaftler auf allen Karrierestufen sind neben beruflichen Rahmenbedingungen auch personen- und familienbezogene Unterstützungsleistungen entscheidend:
    • Für international mobile Nachwuchswissenschaftler muss zur schnellen Orientierung im deutschen Wissenschaftssystem ein Informations- und Beratungsportal geschaffen werden, das den Weg zu weiteren Informationen vorgibt und durch persönliche Beratungsangebote ergänzt wird.
    • Es besteht dringender Bedarf an angemessenem Wohnraum für international mobile Wissenschaftler, die für begrenzte Zeit nach Deutschland kommen. Hierzu muss ein neues Investitionsprogramm für "Internationale Begegnungszentren der Wissenschaft" nach dem Muster früherer Programme aufgelegt werden.
    • Wissenschaftliche Arbeitgeber in Deutschland müssen in die Lage versetzt werden, organisatorische und finanzielle Unterstützung beim Umzug und Ortswechsel anzubieten, wie sie bei der Berufung wissenschaftlichen Spitzenpersonals in anderen Ländern inzwischen üblich sind.
    • Betreuungsangebote für die Kinder international mobiler Wissenschaftler müssen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen schnell und weit reichend ausgebaut werden. Internationale Berufungen scheitern in Deutschland noch immer an mangelnden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung.
    • Karriereberatung sowie Unterstützung bei der Stellensuche für Ehe- bzw. Lebenspartner und so genannte dual career-Beratungen bzw. Förderungen für wissenschaftlich tätige Paare sind notwendig, um international mobile Forscher gewinnen zu können. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass es nicht notwendigerweise konkreter Stellenangebote bedarf (die vielfach nicht zu realisieren sind). Vielmehr kann intelligente Beratung viele Bedürfnisse erfüllen.

Quelle: Alexander von Humboldt-Stiftung

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