09.11.2011

Wie ein echter Mensch

Beschleuniger-Experimente mit einer menschenähnlichen Spezialpuppe zur Verbesserung der Tumortherapie mit schweren Ionen.

Mit einer menschenähnlichen Spezialpuppe haben Wissenschaftler an der Beschleunigeranlage des Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt Experimente durchgeführt. Die Puppe ist eine Nachbildung eines Oberkörpers mit Kopf und im ihrem inneren und äußeren Aufbau einem Menschen nachempfunden. Mit dem „Matroshka“-Experiment möchten die Wissenschaftler ein neues Messverfahren zur Qualitätssicherung und weiteren Verbesserung der Therapietechnik entwickeln. Die Spezialpuppe soll dabei einen echten Patienten ersetzen. Ein Zwilling der Puppe befindet sich auf der internationalen Raumstation ISS. Dort wird unter anderem untersucht, wie hoch die Strahlenbelastung für einen Astronauten im Weltall ist.

Abb.: Die vollständige Spezialpuppe des Matroshka-Experiments bestehend aus Torso und Kopf am GSI-Therapieplatz. (Bild: G. Otto, GSI)

Die Spezialpuppe ist eine Leihgabe vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Von außen sieht sie aus wie einfaches braunes Plastik. Jedoch verbirgt sich im Inneren ein komplexer Aufbau unterschiedlicher Materialdichten, die einem menschlichen Körper inklusive der Knochen und verschiedener Gewebesorten entsprechen – wie bei einem echten Menschen. Die Puppe ist aus mehr als 20 verschiedenen Schichten zusammengesetzt, die auseinander genommen werden können. Im Inneren der Schichten befinden sich Aussparungen zur Anbringung von Messgeräten. Mit ihnen können die Wissenschaftler die Strahlung im Inneren der Puppe messen.

„In unserem aktuellen Experiment versuchen wir ein neues Messverfahren für die Bestimmung der Position unseres Ionenstrahls bei der Tumortherapie zu entwickelt“, sagt Chiara La Tessa, die das Experiment bei GSI leitet. „Ob das funktioniert, können wir nur herausfinden, weil sich die Ionenstrahlen in der Puppe genau so verhalten wie bei einem echten Patienten.“

Bei der Tumortherapie mit Kohlenstoff-Ionen, kann der Ionenstrahl millimetergenau in das betroffene Gewebe hineingebracht werden. Er entfaltet erst an seinem Stopppunkt in der Tiefe die maximale Wirkung. Die Position des Stopppunkts will La Tessa gemeinsam mit ihren Kollegen in Echtzeit während eines Therapievorgangs genau bestimmen und so eine bessere Diagnostik bei der Durchführung der Therapie erreichen. GSI arbeitet bei dem Experiment mit Forschern der Universität La Sapienza in Rom zusammen. Die italienischen Forscher bringen für die Durchführung des Experiments besondere Messgeräte mit.

Bereits im Jahr 2009 war die Spezialpuppe für ein Experiment bei GSI. Damals wurde in Zusammenarbeit mit dem DLR die Strahlenbelastung des Körpers bei verschiedenen Strahlentherapieverfahren verglichen. Dazu wurde der Dummy nicht nur bei GSI, sondern auch noch an Therapieanlagen in Schweden, Schweiz, Japan und in Frankfurt bestahlt. Das DLR stellte die Messgeräte zur Verfügung und übernahm die Datenanalyse.

Die Behandlung mit Ionenstrahlen ist ein sehr präzises, hochwirksames und gleichzeitig sehr schonendes Therapieverfahren. Ionenstrahlen dringen in den Körper ein und entfalten ihre größte Wirkung erst tief im Gewebe, hochpräzise in einem nur stecknadelkopfgroßen Bereich. Sie werden so gesteuert, dass Tumoren bis zur Größe eines Tennisballs Punkt für Punkt millimetergenau bestrahlt werden können. Das umliegende gesunde Gewebe wird weitgehend geschont.

Nach erfolgreichen Studien an der GSI-Beschleunigeranlage hat GSI für den klinischen Routinebetrieb eine maßgeschneiderte Beschleunigeranlage entwickelt, die am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (Hit) im Jahr 2009 in Betrieb gegangen ist. Dort wurden mittlerweile über 500 Patienten behandelt. GSI forscht weiter an der Behandlung neuer Indikationen, beispielsweise an bewegten Tumoren in der Lunge.

GSI / PH

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