01.10.2015

Zucker im Windkanal

Neues Verfahren zu Sequenzierung komplexer Zuckermoleküle.

Mit einem neu entwickelten Verfahren lassen sich komplexe Zucker­moleküle künftig sequenzieren. Es ist damit möglich, schneller und einfacher geringste Verun­reinigungen zu erkennen und damit die Qualitäts­kontrolle von synthetisch hergestellten Kohlen­hydraten zu verbessern. Das neue Verfahren ist wichtig für die Entwicklung neuartiger Impfstoffe, Wirkstoffe und Diagnostika. Für die Glyko­biologie ist dies ein ähnlicher Durchbruch wie die DNA-Sequenzierung für die Genetik.

Abb.: Kevin Pagel mit dem Ionenmobilitäts-Massenspektrometer. (Bild: S. Jungtow)

Kohlenhydrate sind wesentlich komplizierter aufgebaut als die DNA oder Proteine. Während DNA-Moleküle aus vier Grund­bausteinen und Proteine aus zwanzig Amino­säuren bestehen, existieren in der Natur mehr als einhundert Zucker­bausteine. Darüber hinaus sind die DNA-Grund­bausteine und Amino­säuren ausschließlich ketten­förmig aneinander­gefügt. Zucker können aber auch Verzweigungen und räumlich unter­schiedliche Anordnungen – Anomere – bilden. Zucker spielen eine sehr wichtige Rolle in vielen natürlichen Abläufen.

Die ungeheure Vielfalt der aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehenden Zucker­moleküle in der Natur ist für Forscher ein Problem, wenn sie spezifische Moleküle finden oder herstellen wollen. Denn einzelne Zucker­bausteine können auf sehr viele verschiedene Arten aneinander binden. Schon einfache Zucker­moleküle haben oft genau die gleiche Anzahl von Atomen, besitzen also die gleiche Masse, doch der Winkel einer Bindung unterscheidet sie. Diese Isomere sind aber unter­schiedlich biologisch aktiv.

Bislang behelfen sich Forscher bei der Identifikation von Molekülen mit Tricks, zum Beispiel ermitteln sie die Masse von Molekülen, untersuchen ihre magnetischen Eigen­schaften oder das Licht, das sie aussenden, wenn die Substanzen verglühen. Damit kann man viele Verbindungen gut aufklären, aber es hilft nicht, wenn es sich um Zucker-Isomere handelt, bei denen nur die Anordnung der Atome unter­schiedlich ist. Es gibt drei Arten solcher Unter­schiede in Zuckern aus der gleichen Anzahl von Atomen: Komposition, Konnektivität und Konfiguration, und alle drei waren bisher für Forscher nur mit sehr hohem Zeit und Material­aufwand und mit großen Molekül­mengen feststellbar.

Forschern der FU Berlin, des Fritz-Haber-Instituts der MPG und des MPI für Kolloid- und Grenzflächen­forschung haben dieses knifflige Problem jetzt durch die Kombination verschiedener Methoden gelöst: Sie nutzen die unter­schiedliche Form der Moleküle. Die unter­schiedlichen Formen erzeugen in einem gas­gefüllten Raum, durch den die Moleküle geschickt werden, unter­schiedlich starken Widerstand, vergleichbar mit dem CW-Wert in einem Windkanal. Das Team kombinierte diese Messung der Ionen­mobilität mit einer Messung der Molekül­massen. Dann glichen die Forscher beide Informationen gegeneinander ab, um Unterschiede in der Komposition, Konnektivität und Konfiguration zu finden. Große Moleküle werden dabei in Bestandteile zerlegt, die Form der Bestandteile wird durch die Aufspaltung jedoch nicht verändert, sodass die Summe der Eigen­schaften der Bestandteile das große Molekül genau beschreibt.

Kombiniert mit einer Datenbank, die derzeit erstellt und auch von anderen Wissenschaftlern bestückt werden soll, lässt sich das Analyse­verfahren so auf eine immer größere Anzahl von Molekülen anwenden. Ist ein Molekül einmal systematisch identifiziert worden, kann es in Zukunft auch durch automatisierte Verfahren erkannt werden. Praktischen Nutzen hat das neue Verfahren für die Qualitäts­kontrolle synthetisch hergestellter Zucker. Synthese­roboter reihen dabei Moleküle wie Perlen an einer Schnur auf. Bisher war es nur möglich, Unreinheiten zu entdecken, wenn sie mindestens fünf Prozent ausmachten. Mit der neuen „Windkanal­methode“ konnte diese Nachweis­grenze auf 0,1 Prozent verringert werden. „Die neue Methode ist schnell, zuverlässig und sehr sensitiv“, erklärt Peter Seeberger vom MPI für Kolloid- und Grenzflächen­forschung. „Dadurch wird die Glykan-Sequenzierung einen riesigen Schub bekommen – ähnlich wie in der DNA Forschung durch die Gen­sequenzierung.“

FUB / RK

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