16.08.2006

Zuwachs im Sonnensystem?

Durch die erste wissenschaftliche Definition des Begriffs Planet erhöht sich die Zahl der Planeten in unserem System von neun auf mindestens zwölf.

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Prag (dpa) - Die Planetenfamilie in unserem Sonnensystem erwartet Zuwachs: Gleich drei neue Mitglieder sollen in die Gemeinschaft der bisher neun Planeten aufgenommen werden. Das sieht die erste wissenschaftliche Definition des Begriffs Planet vor, die am Mittwoch auf der Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Prag vorgestellt wurde. Mindestens drei bereits bekannte Himmelskörper im Sonnensystem erfüllen demnach die Planetenkriterien. Bevor allerdings Lexika und Lehrbücher umgeschrieben werden können, muss der Beschluss von den IAU-Delegierten am Donnerstag nächster Woche (24. August) offiziell angenommen werden.

Die Neumitglieder der Planetenfamilie wären der Planetoid Ceres, der die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter umkreist, der bisherige Pluto-Mond Charon, der dann Dank seiner Größe selbst die Definition eines Planeten erfüllt, und das vor drei Jahren jenseits der Plutobahn aufgespürte Objekt 2003 UB313 - von seinen Entdeckern nach der Heldin einer Fantasy-Fernsehserie Xena getauft. Xena, bei dem mittlerweile ein Mond gesichtet wurde, ist einer der Gründe, warum die wissenschaftliche Definition des Begriffs Planet nötig geworden ist.

Durch die ständig weiterentwickelte moderne Beobachtungstechnik werden immer mehr Entdeckungen in der dunklen Außenregion des Sonnensystems gemacht, und wiederholt haben Astronomen bereits den Fund eines zehnten Planeten für sich reklamiert - bislang allerdings ohne den offiziellen Segen der IAU, die in solchen Fragen seit ihrer Gründung 1919 die Hoheit besitzt. Angesichts der wachsenden Zahl von Entdeckungen hätte mancher Astronom sogar dem 1930 entdeckten Eiszwerg Pluto gern den Planetenrang entzogen. Der exzentrische Winzling am Rande unseres Sonnensystems unterscheidet sich nicht nur krass von den dort dominierenden riesigen Gasplaneten, er ist zudem sogar kleiner als der Erdenmond.

Der historisch gewachsene Begriff Planet hatte ursprünglich nur verdeutlicht, dass sich diese Objekte anders als die so genannten Fixsterne am irdischen Firmament deutlich sichtbar bewegen. Eine solide wissenschaftliche Definition fehlte aber bislang. Zwei Jahre lang hat die internationale Astronomengemeinde nun diese Frage gewälzt, und schließlich hat sich ein hochkarätig besetztes Definitionskomitee aus Astronomen, Historikern und Schriftstellern im Juli in Paris auf eine Formel geeinigt: Ein Planet ist demnach ein Himmelskörper, der einen Stern umkreist, ohne Mond oder selbst ein Stern zu sein. Außerdem muss die Schwerkraft des Planeten groß genug sein, um ihn zu annähernd kugelförmiger Gestalt zusammenzuziehen.

«Unser Ziel war, eine wissenschaftliche Basis für eine neue Definition von "Planet" zu finden, und wir haben die Gravitation als entscheidenden Faktor gewählt», erläuterte Komiteemitglied Richard Binzel. «Die Natur entscheidet also, ob ein Objekt ein Planet ist oder nicht.»

Ob dies in den Augen der Astronomen eine tragbare Lösung ist, wird sich am Donnerstag nächster Woche entscheiden, wenn in Prag über die Definition abgestimmt wird. Üblicherweise werden auf den IAU- Vollversammlungen die meisten Resolutionen durchgewunken. «In diesem Fall besteht aber durchaus noch eine reale Chance, dass die Resolution nicht angenommen wird», schätzt IAU-Sprecher Lars Christensen. Dann würde möglicherweise weitere drei Jahre lang - bis zur nächsten IAU-Vollversammlung - offen bleiben, was die Wissenschaft denn nun genau unter einem Planeten versteht.

Sollte die Definition jedoch angenommen werden, dürften bei den Xena-Entdeckern die Sektkorken knallen, ihre Entdeckung bekäme dann immerhin als erste seit mehr als 70 Jahren den Planetenstatus. Allerdings müssten sie beizeiten womöglich einen anderen Namen für ihre Entdeckung akzeptieren, denn die offizielle Benennung von Himmelsobjekten behält sich die IAU vor. Auch ein einst verstoßenes Mitglied würde wieder in die Planetenfamilie aufgenommen: Ceres wurde nach seiner Entdeckung 1801 bereits als Planet geführt, verlor aber wegen der folgenden zahlreichen Funde im Asteroidengürtel bald seinen Planetenstatus.

Der wissenschaftlich exakten Definition geopfert würde die Eselsbrücke «Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten» - über die Anfangsbuchstaben der einzelnen Wörter haben sich inzwischen Generationen die Namen und die Reihenfolge der bisherigen Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto gemerkt. Es würde sich allerdings nicht lohnen, viel Mühe in eine neue Version des Merksatzes für die dann zunächst zwölf Planeten zu investieren: Neue Planetenkandidaten stehen bereits im Dutzend Schlange.

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