Der Exoplanet Kepler-20e ist kleiner als die Erde. Doch er ist zu nah an seiner Sonne, um Leben tragen zu können. (vgl. S. 25; Grafik: NASA/Ames/JPL-Caltech)
Physik Journal 2 / 2012
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
„Wir haben sehr viel Gestaltungsspielraum“ – Interview mit dem neuen Präsidenten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Leserbriefe
Supernova-Lichtkurven sind auch rotverschoben
Zu: „Eins-a-Vermessung des Universums“ von Bruno Leibundgut, Dezember 2011, S. 27
Im Brennpunkt
Symmetrien diktieren nicht alles
Riesige homonukleare Moleküle können ein permanentes elektrisches Dipolmoment tragen.
Diamantene Quantenhochzeit
Die Gitterschwingungen von zwei räumlich getrennten Diamanten lassen sich bei Zimmertemperatur durch Lichtstreuung quantenmechanisch verschränken.
Forum
„Mir war meist viel zu warm“
Interview mit Jens Dreyer, der 13 Monate lang in der Antarktis den Neutrinodetektor IceCube betreut hat.
Im antarktischen Eis befindet sich das weltgrößte Neutrino-Experiment. Über 5000 Detektoren wurden in bis zu 2450 m Tiefe versenkt, wo sie nach Spuren von Neutrinos suchen. Wenn hochenergetische Neutrinos auf einen Atomkern im Eis treffen, kann ein überlichtschnelles Myon entstehen, das Tscherenkow-Licht erzeugt. Dieses sollen die Detektoren von IceCube registrieren. Der Physiker Jens Dreyer (35) war von November 2010 bis November 2011 am Südpol, um als einer von zwei „Winterovers“ den Detektor zu betreuen.
Was hat Sie am Südpol gereizt?
Ich habe mich schon während der Diplom- und Doktorarbeit mit den IceCube-Daten beschäftigt und wollte wissen, wie der Detektor vor Ort arbeitet. Aber ohne besonderen Grund kommt man nicht an den Pol. Daher habe ich mich als Winterover beworben. Außerdem wollte ich wissen, wie es ist, den ganzen Tag isoliert und in Dunkelheit zu leben.
Wie wurden Sie auf die Arbeit als Winterover vorbereitet?
Dazu waren meine Kollegin und ich zwei Monate in den USA. Zunächst übten wir an einer Kopie des Datennahmesystems von IceCube, den Detektor zu bedienen. Anschließend haben wir uns mit IceTop vertraut gemacht – dem Teil des Detektors, der an der Oberfläche steht. Außerdem fand ein zweiwöchiges Training für Erste Hilfe und Brandbekämpfung statt. Am Ende fühlten wir uns gut darauf vorbereitet, den Detektor über den Winter zu zweit zu betreuen.
Was waren Ihre Aufgaben am Pol?
Im Wesentlichen die Administration der Datennahmesysteme. Dazu gehörte es, das System zu überwachen, neu zu kalibrieren oder Datenbänder und Netzteile auszutauschen. Im Prinzip waren wir dazu da, alles wieder ins Laufen zu bringen, wenn Probleme aufgetaucht sind.
Ist so etwas passiert?
Die neuen Server liefen sehr stabil. Im ganzen Winter haben wir drei, vier Festplatten getauscht und zwei, drei Netzteile. ...
Überblick
Die Suche nach der zweiten Erde
Unter den vielen entdeckten Exoplaneten könnten auch solche sein, die Leben tragen. Die große Herausforderung ist, dies aus riesiger Entfernung nachweisen zu können.
Mit der Entdeckung der ersten erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ist die faszinierende Frage nach Leben im All ins Blickfeld der Forschung geraten. Die spektralen Signaturen in den Atmosphären extrasolarer terrestrischer Planeten könnten dafür die entscheidenden Indizien liefern. Die Entdeckung einer „zweiten Erde“ wäre damit in naher Zukunft greifbar.
Gibt es Leben in All? Diese Frage beschäftigte schon antike Philosophen wie Lukrez, der über „andere Erden“ spekulierte. Im Mittelalter postulierte Giordano Bruno nicht nur ein unendliches All, sondern auch, dass „unzählige Welten ähnliche dieser Erde“ existieren. Für viele Jahrhunderte blieb die Frage nach Planeten und erst recht Leben außerhalb unseres Sonnensystems rein philosophisch. Nicht einmal zwanzig Jahre ist es her, dass der Schweizer Astronom Michel Mayor mit seinem Mitarbeiter Didier Queloz im Jahr 1995 erstmals einen Planeten um einen Stern im Sternbild Pegasus ähnlich unserer Sonne entdeckte, was ein amerikanisches Team kurz danach bestätigte. Vorher hatte es allerdings schon Beobachtungen gegeben, die zumindest Rückschlüsse auf die Existenz von Exoplaneten erlaubten, wie z. B. ein substellares Objekt und drei Planeten, die um die Überreste eines Sterns (Pulsar) kreisten. Doch erst mit der Entdeckung von 51 Pegasi b, einem heißen Gasplaneten, war die Existenz extrasolarer Planeten unzweifelhaft erwiesen.
Heute halten die Entdeckungen kleiner, teilweise felsiger Planeten die Welt der Astronomie in Atem. Die Frage, wie nah wir davor stehen, eine „zweite Erde“ zu entdecken, ist ins Zentrum des Interesses gerückt. Könnten um andere Sterne Planeten kreisen, die Leben tragen? Darauf gibt es (noch) keine Antwort, aber durchaus mögliche Indizien. ...
Der tiefe Blick ins Proton
Der Beschleuniger HERA hat die Struktur des Protons mit bislang unerreichter Präzision entschlüsselt.
Eine brodelnde Suppe aus Quarks und Gluonen, die mit zunehmender Auflösung immer dichter erscheint – dies ist das Bild des Protons, das wir dem HERA-Beschleuniger bei DESY in Hamburg verdanken. Diese Hadron-Elektron-Ring-Anlage war ein universelles Testlabor der starken Kraft, das bereits vor über vier Jahren außer Betrieb ging, dessen aufwändige Datenauswertung aber bis heute andauert. Die Ergebnisse zur Protonstruktur sind essenziell, um zum Beispiel die Erzeugung des Higgs-Bosons am Large Hadron Collider präzise vorherzusagen.
Heute blicken Elementarteilchenphysiker aus aller Welt mit Spannung auf die Ergebnisse vom Large Hadron Collider (LHC), der Protonen mit den höchsten bisher im Labor erreichten Energien zur Kollision bringt (Abb. 1a), um nach dem Higgs-Boson und „neuer Physik“ zu suchen. Das Verständnis dieser Kollisionen setzt voraus, die innere Struktur des Protons präzise zu kennen. Dazu haben die Experimente am „Supermikroskop“ HERA maßgeblich beigetragen, das von 1992 bis 2007 in Betrieb war. Der 6,3 km lange unterirdische HERA-Ring war der größte jemals in Deutschland betriebene Teilchenbeschleuniger und weltweit bislang der einzige Elektron-Proton-Speicherring. Elektronen oder Positronen mit 27,5 GeV Energie, die zudem longitudinal polarisiert sein konnten, kollidierten dort frontal mit Protonen der Energie 920 GeV, was einer Schwerpunktsenergie von 320 GeV entspricht. Die HERA-Detektoren H1 und ZEUS gehörten zu den aufwändigsten Detektoren in der Zeit vor dem LHC. Insgesamt haben beide Experimente jeweils etwa eine Milliarde hochenergetische Kollisionen aufgezeichnet.1)
Die Elektronen wechselwirken mit dem Proton über die elektromagnetische und die schwache Kraft, die über den Austausch masseloser Photonen bzw. neutraler Z0- und geladener W±-Bosonen vermittelt werden. Da Z- und W-Bosonen etwa die hundertfache Protonmasse besitzen, ist bei kleinen Impulsüberträgen der Photonenaustausch wesentlich wahrscheinlicher. Daher konzentrieren wir uns zunächst auf den Aspekt des „Lichtmikroskops“: Aus den genauen Werten für Energie und Winkel des gestreuten Elektrons lassen sich dank Energie- und Impulserhaltung der Impulsübertrag Q sowie der Impuls desjenigen Quarks bestimmen, welches das ausgetauschte Photon absorbiert hat. Die Wellenlänge des Photons, also das Auflösungsvermögen des Mikroskops, ist λ = c/Q (Abb. 1b, c). HERA hat erstmals kleinste Wellenlängen bis zu 6 · 10–19 m erreicht, das entspricht zwei Tausendstel des Protonradius. In diesem Sinne trifft also die Bezeichnung „Supermikroskop“ auf HERA zu. ...
Geschichte
Physiker, Kommunist, Atomspion
Die drei Leben des Klaus Fuchs (1911 – 1988)
Klaus Fuchs wird gemeinhin mit einem der folgenreichsten Fälle von Wissenschaftsspionage in Verbindung gebracht: den Verrat von Geheimnissen des US-amerikanischen Atombombenprojektes an die Sowjetunion in den 1940er-Jahren. Doch Fuchs hatte auch vor und nach diesem „Verrat des Jahrhunderts“ ein Leben, das auf ganz spezifische Weise deutsche Zeitgeschichte widerspiegelt; nicht zuletzt sind seine wissenschaftlichen Leistungen keineswegs unbedeutend.
Klaus Fuchs wurde am 29. Dezember 1911 in Rüsselsheim geboren. Sein Vater war der Theologe Emil Fuchs, der als einer der ersten deutschen Pastoren schon vor dem Ersten Weltkrieg der SPD beitrat und später den Bund der Religiösen Sozialisten gründete.1) Klaus Fuchs wuchs so in einem Elternhaus auf, das gleichermaßen von protestantischen wie sozia-listischen Idealen geprägt war. Im Gymnasium, das er im thüringischen Eisenach absolvierte, fiel Fuchs durch herausragende Leistungen, besonders in Mathe-matik und den Naturwissenschaften auf. Gleichzeitig machte er durch politische Renitenz auf sich aufmerksam, die während des anschließenden Mathematikstudiums – zunächst in Leipzig und ab 1930 in Kiel – durch politische Organisationen kanalisiert wurde. 1930 folgte er seinem Vater und trat in die SPD ein. Er schloss sich auch dem Reichsbanner an, der paramilitärischen Organisation der Sozialdemokratie.
Bereits nach zwei Jahren wechselte Fuchs, wie auch seine drei Geschwister, zur Kommunistischen Partei und wurde Leiter der kommunistischen Studentenfraktion in Kiel. Dies machte ihn zum Gegenstand öffentlicher Anfeindungen und tätlicher Angriffe. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde seine Lage zunehmend gefährlich, und nach dem Reichstagsbrand tauchte er in Berlin unter. Im August 1933 flüchtete er schließlich nach Paris und emigrierte im September 1933 nach England, wo er sich an der Universität Bristol ganz darauf konzentrierte, sein Studium fortzusetzen. Nicht zuletzt war Emigranten durch das Gastland jede politische Betätigung untersagt. Fuchs zeigte sich als ein ebenso ehrgeiziger wie brillianter Student. Bereits im Oktober 1935 schloss er seine Dissertation ab.2) Sein Doktorvater ist kein geringerer als der Pionier der modernen Festkörperphysik, Nevill Mott. Dies und seine glänzende Doktorarbeit, aus der mehrere Aufsätze hervorgingen, die bis heute in Standardwerken zur Festkörperphysik zitiert werden,3) wurden für Fuchs zum Eintrittsbillet in die akademische Welt. Mott hat rückblickend festgestellt, „für einen Mann solchen Kalibers habe ich eine große Karriere in der Physik vorausgesehen“.4) ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Innovation als Alleinstellungsmerkmal
Auf der Arbeitstagung „Forschung – Entwicklung – Innovation XXXVI“ des AIW gaben erfolgreiche Unternehmen seltene Einblicke in ihre Innovationskultur.