Der Spielfilm „Schilf“ (Kinostart am 8. März) verknüpft Spekulationen der Physik mit einer unkonventionellen Krimihandlung. (vgl. S. 24, Quelle: X Verleih AG)
Physik Journal 3 / 2012
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
USA
Roadmap für NASA-Technologie – Appell für Untergrunddetektor – Trends der Wissenschaft
Leserbriefe
High-Tech
Im Brennpunkt
Kalte Atome im Quantenkarussell
In einem optischen Gitter lassen sich mithilfe von Lasern starke künstliche, alternierende Magnetfelder erzeugen.
Forum
Schuld und Schilf
Die Physikerin und Regisseurin Claudia Lehmann gibt mit dem physikalischen Thriller „Schilf“ ihr Kinodebüt.
Wenn von Paralleluniversen die Rede ist, drängt sich eher der Gedanke an Science-Fiction auf als an harte Physik. Doch nicht so im Spielfilm „Schilf“ (Kinostart 8. März), nach dem gleichnamigen Roman der Schriftstellerin Juli Zeh: Darin bekräftigt der Jenaer Physikprofessor Sebastian Wittich in seiner Vorlesung, dass parallele Welten wirklich existieren. Er vermutet sogar, dass sie mit Hilfe von Wurmlöchern auch erreichbar seien. Sein bester Freund aus Studientagen, Oskar Hoyer, Theoretiker am CERN in Genf, hat für Sebastians festen Glauben an Paralleluniversen und die Viele-Welten-Theorie nur ein müdes Lächeln über.
Die Grundsatzdiskussionen zwischen den Freunden bleiben meist freundschaftliche Kabbeleien. Doch als beide in einem Wissenschaftsmagazin im Fernsehen diskutieren, kommt es zum Zerwürfnis. Auslöser ist der „Zeitmaschinenmörder“: Ein Mann behauptet, er komme aus dem Jahr 2020 und seine Morde seien Teil eines wissenschaftlichen Experiments. Sebastian rechtfertigt die Taten des Mörders nicht, hält es aber prinzipiell für möglich, dass die Opfer in einer parallelen Welt immer noch leben. Oskar gerät über Sebastians Ausführungen in Rage: Wenn „alles, was möglich ist, passiert“, müsse niemand mehr eine Entscheidung treffen oder Verantwortung für seine Taten übernehmen. Mit diesen Worten stürmt er wutentbrannt aus dem Studio.
Der Eklat lässt Sebastian bedrückt zurück. Dennoch versucht er, sich seinem Vorhaben zu widmen, in der Ruhe der Semesterferien weiter nach einem Beweis für die Realität von Parallelwelten zu suchen. Seine Frau Maike (Bernadette Heerwagen) fährt allein in die Berge, und Sebastian bringt seinen Sohn Nick ins Ferienlager. Doch an einer Raststätte verschwindet Nick spurlos aus dem Auto. Eine Entführung? Dies scheint ein rätselhafter Anruf zu bestätigen. Eine Frauenstimme fordert als Lösegeld einen Mord. Sebastian ist in seiner Verzweiflung zu allem bereit und setzt den Mord in die Tat um. Als sich jedoch völlig unerwartet Nick gesund und munter aus dem Ferienlager meldet, verliert Sebastian jeden Halt. Er zweifelt an seinem Verstand und verstrickt sich mehr und mehr in die Theorie paralleler Welten. Hat er tatsächlich völlig grundlos einen Mord begangen? Oder verzweigt sich die Realität wie in seinen Theorien? Trifft ihn dann überhaupt eine Schuld? ...
Ein komplexes Feld
Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald entsteht das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X vom Typ Stellarator.
Ungewöhnlich ist sie, diese Maschine. Wären da nicht die vielen Löcher in dem matt schimmernden Stahl, kleine und große, runde und rechteckige, könnte das Ganze ein enormer Tank sein. Die Löcher geben den Blick frei auf ein komplexes Inneres aus Metallplatten, kupfernen und silbrig glänzenden Strukturen, Schläuchen, Rohren und elektrischen Leitungen.
Ein Baugerüst führt in fünf Meter Höhe. Hier oben zeigt sich, dass der „Tank“ die Form eines riesigen Torus hat. In seinem Inneren verbirgt sich eines der weltweit größten und komplexesten Experimente der Fusionsforschung: Wendelstein 7-X, ein sog. Stellarator. In der großen Experimentierhalle des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald nähert sich das 725 Tonnen schwere Großgerät der Zielgeraden: Rund dreißig Jahre nach den ersten Plänen soll der Aufbau Mitte 2014 abgeschlossen sein. Dann muss sich in der anschließenden Experimentierphase zeigen, ob ein Stellarator das Potenzial für ein Kraftwerk hat, das wie die Sonne schier grenzenlose Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen erzeugt.1)
Die Crux bei allen Fusionsexperimenten besteht darin, das 100 Millionen Grad heiße Plasma, in dem die Fusionsreaktionen stattfinden, mit Magnetfeldern so einzuschließen, dass es mit dem ringförmigen Plasmagefäß nicht in Berührung kommt. Wie diese Felder erzeugt werden, darin unterscheiden sich die beiden grundsätzlich unterschiedlichen Konzepte für Fusionsexperimente: Beim Stellarator legen äußere Spulen das komplette Feld fest. „Er ist de facto eine magnetische Flasche, in die Sie Plasma füllen“, erläutert Thomas Klinger, Fusionsforscher und Projektleiter von Wendelstein 7-X, „wobei die ganze Intelligenz in der Geometrie des Feldes steckt.“ Im Gegensatz dazu entsteht das Feld bei den meisten Anlagen, den im südfranzösischen Cadarache im Bau befindlichen ITER eingeschlossen, sowohl durch äußere Spulen als auch durch einen Strom im Plasma selbst. Wie bei einem Transformator, dessen Sekundärspule das Plasma ist, wird dieser Strom von außen induziert. Daher eignet sich ein solcher Tokamak nicht für den Dauerbetrieb, und es ist eine große Kunst, ihn „hochzufahren“: Der Plasmaeinschluss entsteht erst sukzessive durch die richtigen Stromprofile, und ein Strom lässt sich nur in einem vorhandenen Plasma induzieren. „Das ist eine typische Selbstkonsistenzschleife“, erklärt Thomas Klinger: „Das System zieht sich wie der Baron Münchhausen selbst aus dem Sumpf.“ Ein großer Vorteil macht all dies jedoch wett: Die Anlage hat die einfache Form eines Donuts. ...
Überblick
Die Milchstraße als Labor
Das Radial Velocity Experiment (RAVE) wird bis Ende 2012 einige hunderttausend Sterne spektroskopisch analysieren.
Die Milchstraße dient als Prototyp für einen fundamentalen Baustein unseres Kosmos, die Spiralgalaxien. In unserer Heimatgalaxie können wir von einzelnen Sternen Abstände und Eigenbewegungen messen und ihr Spektrum aufnehmen. Da Sterne wie Fossilien die chemische Zusammensetzung zum Zeitpunkt ihres Entstehens „konservieren“, eignet sich die Milchstraße als Labor für die Galaxienentstehung und Kosmologie.
Schon Demokrit vermutete im 5. Jahrhundert v. Chr., dass die Milchstraße, deren verschwommenes Band den Nachthimmel durchzieht, in Wirklichkeit aus unzähligen Sternen besteht. Galileo Galilei konnte dies Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem Fernrohr bestätigen. Ende des 18. Jahrhunderts führte Herschel die erste systematische Himmelsdurchmusterung durch und erkannte die scheibenartige Gestalt unserer Milchstraße. Er positionierte die Sonne in die Nähe des galaktischen Zentrums, eine Täuschung aufgrund der vernachlässigten interstellaren Extinktion. Erst in den 1920er-Jahren erkannte Shapley durch die Vermessung weit entfernter Kugelsternhaufen ober- und unterhalb der galaktischen Scheibe, dass die Sonne eher in den Außenbereichen der Scheibe liegt.
Unsere Milchstraße besitzt eine Sonderrolle: Nur die Galaxien der näheren kosmischen Nachbarschaft (bis zu Abständen von etwa 30 Millionen Lichtjahren) können wir in Einzelsterne auflösen, nur in Galaxien unserer lokalen Gruppe – also das Ensemble von Milchstraße, Andromedagalaxie M31, Galaxie M33 sowie deren Satellitengalaxien – können wir einzelne Sterne spektroskopieren, und nur in (Teilen) unserer Milchstraße können wir Abstände und tangentiale Eigenbewegungen direkt messen. Die Milchstraße lässt sich strukturell, chemisch und kinematisch in ihre Bestandteile zerlegen. Das Radial Velocity Experiment (RAVE, [1]) generiert seit fast zehn Jahren einen systematischen Datensatz von hunderttausenden Sternen. Fast jede Nacht werden Beobachtungen durchgeführt, die ein internationales Team von Wissenschaftlern aus zehn Ländern auswertet. ...
Elektrisch durchs Weltall
Ionentriebwerke bieten vielfältige Möglichkeiten für die Raumfahrt.
Im vergangenen Jahrzehnt hat sich ein erkennbarer Bedarf an Raumfahrtantrieben entwickelt, die sehr langlebig sind und höchst präzise arbeiten. Dies gilt insbesondere für Hauptantriebe von Raumsonden bzw. die Bahn- und Lageregulierung von Satelliten. Hierfür eignen sich Ionenantriebe, die bereits seit Jahrzehnten erforscht und gebaut werden und ihre Vorteile schon in zahlreichen Weltraummissionen unter Beweis stellen konnten.
Wir schreiben den Juni 2010: Ein „Wanderfalke“ ist auf dem Weg nach Hause, genauer gesagt die Asteroidensonde Hayabusa, so heißt Falke auf Japanisch. Die Sonde hat einen sechs Milliarden Kilometer langen Weg hinter sich. Das entspricht dem Vierzigfachen des Abstands zwischen Erde und Sonne! Hayabusa war auf dem Asteroiden Itokawa gelandet, um dort Bodenproben zu entnehmen (Abb. 1). Nun befindet sich die Sonde kurz vor der Rückkehr zur Erde. Ihre Triebwerke haben 40 000 Stunden lang gearbeitet. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätte die Beschreibung der Hayabusa-Mission nach Science Fiction geklungen. Doch elektrische Raumfahrtantriebe haben so ehrgeizige Ziele wie Landungen auf Asteroiden Realität werden lassen.
Seit dem Start von Sputnik 1 im Jahr 1957 sind mehr als 5000 Sonden, Satelliten und bemannte Raumfahrzeuge von der Erde aus gestartet, täglich kommen neue hinzu [1]. Die Einsatzfelder reichen von der Wissenschaft (Erkundung des Sonnensystems, Wetter- und Klimabeobachtung, astronomische und physikalische Forschung) bis zu kommerziellen Anwendungen (insbesondere für Kommunikation). Die Raumfahrt stellt die härtesten Anforderungen an heutige und zukünftige Schlüsseltechnologien. Um diese zu erfüllen, wird so interdisziplinär und international zusammengearbeitet wie in wenigen anderen Gebieten. ...
Geschichte
Ein fast vergessener Pionier
Die von Otto Stern entwickelte Molekularstrahlmethode ist essenziell für Physik und Chemie
Mit seinen Arbeiten legte Otto Stern, Nobelpreisträger und Pionier der Atom- und Kernphysik, die Grundlage für die Kernspinresonanzmethode, den Maser und die Atomuhr. Rund zwanzig weitere Nobelpreise in Physik und Chemie beruhen auf seiner Molekularstrahlmethode, mit der sich innere Struktureigenschaften von Atomen, Molekülen und Kernen bestimmen und auch nutzen lassen. Gemeinsam mit Walther Gerlach gelang es ihm damit, erstmals die magnetischen Momente von Atomen zu messen und die Richtungsquantelung der Quantenobjekte nachzuweisen.
Fast jeder Physiker kennt das Stern-Gerlach-Experiment. Doch welche Beiträge hat Otto Stern darüber hinaus in der Physik geleistet? Und wer war der Mensch Otto Stern? Max Born berichtet in seinen Lebenserinnerungen: „Ich hatte das Glück, in Otto Stern einen Privatdozenten von höchster Qualität zu finden, einen gutmütigen, fröhlichen Mann, der bald ein guter Freund von uns wurde. Die Arbeit in meiner Abteilung wurde von einer Idee Sterns beherrscht. Er wollte die Eigenschaften von Atomen und Molekülen in Gasen mit Hilfe molekularer Strahlen […] nachweisen und messen. Sterns erstes Gerät sollte experimentell das Geschwindigkeitsverteilungsgesetz von Maxwell beweisen und die mittlere Geschwindigkeit messen. Ich war von dieser Idee so fasziniert, dass ich ihm alle Hilfsmittel meines Labors, meiner Werkstatt und die mechanischen Geräte zur Verfügung stellte.“ [1]
Otto Stern wurde am 17. Februar 1888 in Sohrau/Oberschlesien geboren. Nach dem Abitur studierte er zwölf Semester physikalische Chemie. Im April 1912 wurde er an der Universität Breslau zum Doktor promoviert. Anschließend wechselte er durch Vermittlung Fritz Habers zu Albert Einstein nach Prag, dem er Ende 1912 an die ETH in Zürich folgte. Als erster und damals einziger Mitarbeiter Einsteins entwickelte sich zwischen beiden eine lebenslange enge Freundschaft. Einsteins Art, Dinge zu hinterfragen, haben Stern entscheidend beeinflusst und ihn zu einem „Querdenker“ gemacht [2]. Als Einstein 1913 an das Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin ging, wechselte Stern als Privatdozent für theoretische Physik zu Max von Laue an die Universität Frankfurt. Nach dem Dienst als Kriegsfreiwilliger und einem kurzen Aufenthalt in Berlin kam er zurück nach Frankfurt, wo inzwischen Max Born Direktor des theoretischen Instituts geworden war. Obwohl er seiner Ausbildung nach ein theoretischer Chemiker war, wandte sich Stern nun mehr und mehr der Experimentalphysik zu (Abb. 1). ...
Physik im Alltag
Menschen
„Das ist genau die physikalische Herangehensweise“
Interview mit Hans-Otto Carmesin
Bücher/Software
DPG
Tagungen
Biologie und Biophysik – Kontexte im Physikunterricht
Wilhelm und Else Heraeus-Arbeitstreffen für Lehramtsstudierende und Studienreferendare