Aus Schnittbildern rekonstruiertes Bild eines Leberläppchens mit der Vene im Zentrum. (Bild: Stefan Höhme, vgl. S. 29)
Physik Journal 11 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Doppelspalt in HD
Durch Streuung von Helium-Atomen an einem Molekül lässt sich ein Gedankenexperiment von Einstein realisieren und die Frage nach dem Weg eines Teilchens durch einen Doppelspalt neu stellen.
Forum
Dynamik in Echtzeit
Ziele und Aktivitäten des Exzellenzclusters „Centre for Ultrafast Imaging“ in Hamburg
Der Ruf einer Exzellenzuniversität blieb der Universität Hamburg bislang verwehrt, doch in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative konnte sie mit dem Exzellenzcluster zur Klimaforschung CLISAP punkten. In der dritten Runde ging nicht nur CLISAP in die Verlängerung, sondern auch ein neuer Exzellenzcluster für Spitzenforschung im Bereich der Photonen- und Nanowissenschaft an den Start, das „Hamburg Centre for Ultrafast Imaging – Structure, Dynamics and Control of Matter at the Atomic Scale“, kurz CUI. Insgesamt 25 Millionen Euro stehen dafür in fünf Jahren bis 2017 zur Verfügung. Bis zu hundert neue Stellen sollen besetzt werden.
„Die Natur ist nicht statisch. Das ist der Leitsatz für die Forschung des CUI“, sagt Klaus Sengstock, einer der drei Sprecher und einer der 19 „Principal Investigators“ des Exzellenzclusters. Wesentliches Ziel des CUI ist es, die Dynamik besonders relevanter Systeme an den Schnittstellen von Physik, Chemie, Biologie bis hin zur Medizin beobachten zu können. „Wir wissen sehr viel über statische Strukturen, aber oft nicht, wie sie dynamisch funktionieren“, betont Sengstock. Beispiele dafür sind die Signalübertragung im Körper auf mikroskopischer Skala und die detaillierte Funktionsweise von Nanokatalysatoren. Für deren Verständnis ist es nötig, die Dynamik in Echtzeit verfolgen zu können.
Dem CUI stehen vor Ort eine Vielzahl passender Werkzeuge zur ultraschnellen Abbildung zur Verfügung, von fs-Lasersystemen im Labor bis zum Freie-Elektronen-Laser FLASH. Ab 2015 soll der European XFEL extrem intensive Röntgenlaserblitze erzeugen. Zudem nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler internationale Einrichtungen wie die Linac Coherent Light Source (LCLS) in Stanford. „Dort haben Hamburger Kollegen derzeit die höchsten Anteile an Strahlzeit“, sagt Sengstock.
Eine gute Basis für viele CUI-Forscherinnen und Forscher ist das Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) am Campus Bahrenfeld, das 2008 seine Arbeit aufgenommen hat und seit Juni 2013 in einem beeindruckenden, kreisrunden Neubau residiert, in dem auch Mitglieder des Exzellenzclusters unterkommen. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das Zentrum für Optische Quantentechnologien (ZOQ), an dem Sengstock arbeitet. ...
Bildung - Beruf
Existenzielle Physik
Wenn Physiker ihre eigenes Unternehmen gründen, müssen sie über den Tellerrand schauen und sich auch mit Fragen der Kapitalakquise oder des Marketings beschäftigen.
Eine beeindruckende Zahl von 49 Firmenschildern prangt neben der Glasfassade des modernen Gebäudes in Martinsried. Hier, im Süden von München, haben sich junge Unternehmen im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) angesiedelt, das sich zu den „Top Ten der Biotechnologiezentren der Welt“ zählt. Sie alle profitieren von der Nähe zu den Instituten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sowie den Max-Planck-Instituten für Biochemie und Neurobiologie. Entsprechend groß ist die Nachfrage und entsprechend schwer ist es, hier einziehen zu können.
Die Firma GNA Biosolutions hat diese Hürde im Mai 2012 genommen, ob sie aber auch am Markt Erfolg haben wird – die ungleich größere Hürde –, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Denn noch hat das 2010 gegründete Unternehmen, das inzwischen 14 Mitarbeiter beschäftigt, kein Produkt auf dem Markt. Ein solcher Vorlauf ist für neue High-Tech-Unternehmen durchaus typisch, gilt es doch in der Gründungsphase zunächst, Kapital einzuwerben, um aus einem Laborexperiment ein zuverlässiges Produkt zu entwickeln – ganz abgesehen von der Notwendigkeit, potenzielle Kunden von seinem Produkt zu überzeugen. „Vieles dauert am Ende länger, als man es sich zu Beginn vorgestellt hatte“, sagt Joachim Stehr. Der 35-jährige promovierte Physiker ist gemeinsam mit zwei gleichberechtigten Partnern Geschäftsführer von GNA Biosolutions.
Die Idee, ein eigenes Unternehmen zu gründen, entstand bereits während seiner Doktorarbeit, die Stehr in der Arbeitsgruppe von Jochen Feldmann an der LMU angefertigt hat. In ihrem Rahmen beschäftigte er sich mit der Frage, wie sich die optischen Eigenschaften von Nanopartikeln aus Gold nutzen lassen, um selektiv DNA-Sequenzen nachzuweisen. Im Gegensatz zu einem massiven Stück Gold absorbieren Nanopartikel stark im grünen Spektralbereich. Daher ist eine Lösung mit solchen Partikeln rot – ein Effekt, der seit Jahrhunderten in Kirchenfenstern genutzt wird. Für den Nachweis „dekoriert“ man das Partikel mit der zu detektierenden DNA-Sequenz, beispielsweise eines Krankheitserregers. Diese Schnipsel stehen dann wie die Stachel eines Igels vom Goldkügelchen ab. Bringt man in die Lösung nun unbekannte DNA, so können nur Schnipsel des Krankheitserregers an die Partikel andocken. Geschieht dies, verbinden die Schnipsel die Partikel zu größeren Konglomeraten, die verglichen mit den einzelnen Partikeln bei einer höheren Frequenz absorbieren. Ein kurzer starker Laserpuls erlaubt es, die Nanopartikel effektiv zu „heizen“, wodurch die Bindung zwischen den DNA-Schnipseln aufbricht und sich die ursprünglichen optischen Eigenschaften wieder einstellen. Verfolgt man diese Änderungen der Absorptionseigenschaften, so ist ein sehr selektiver Nachweis eines Krankheitserregers möglich, da sich nur passende Sequenzen miteinander verbinden. Aus diesem Prinzip leitet sich auch der Firmenname GNA ab, der für Gold Nano Aggregate steht und die Assoziation zu DNA auslösen soll. ...
Überblick
Lebendes Gewebe im Modell
Wie sich den komplexen Regenerationsmechanismen der Leber auf die Spur kommen lässt.
Die Leber verfügt über die erstaunliche Eigenschaft, sich auch nach großen Schädigungen schnell wieder regenerieren zu können. Wie dies gelingt, ist eine bedeutende medizinische Frage, die sich nur interdisziplinär lösen lässt. Im Wechselspiel von Beobachtung, Modellierung und Experiment ist es mittlerweile gelungen, den zugrunde liegenden Mechanismen auf die Spur zu kommen. Diese Einblicke in die Leberregeneration versprechen neuartige Therapie-Ansätze bei Zirrhose und anderen Schädigungen der Leber.
Als größtes Organ des Menschen spielt die Leber eine zentrale Rolle für den gesamten Stoffwechsel. Sie ist nicht nur für die Aufnahme von Nährstoffen zuständig, sondern entgiftet auch das Blut. In der griechischen Mythologie bestrafte Zeus Prometheus dadurch, dass ein Adler jeden Tag einen Teil seiner Leber fraß, die sich anschließend wieder erneuerte, nur um am nächsten Tag abermals gefressen zu werden. Tatsächlich verfügt die Leber über eine bemerkenswerte Regenerationsfähigkeit: Bis zu 70 Prozent ihrer Masse kann der menschliche Körper nach einer Schädigung wiederherstellen. Leberschäden entstehen durch Virusinfekte, Alkohol oder bestimmte Medikamente. Eine Überdosis des Schmerzmittels Paracetamol gehört zu den häufigsten Ursachen für akutes Leberversagen. Die Substanz verursacht eine charakteristische Schädigung, bei der speziell das Zentrum der Leberläppchen betroffen ist. Von diesen funktionellen „Bausteinen“ der Leber besitzt der Mensch rund eine Million. In ihrer Mitte befindet sich die Zentralvene. Eine Vergiftung durch Paracetamol-Überdosis zerstört in jedem Leberläppchen das Gewebe, welches die Zentralvene umgibt.
Experimente mit Mäusen, deren Leber durch Tetrachlorkohlenstoff geschädigt wurden, das ähnlich wie Paracetamol wirkt, belegen die erstaunliche Regenerationsfähigkeit der Leber. Innerhalb einer Woche hatte sie sich bei den Labortieren vollständig regeneriert. Doch wie bewerkstelligt dieses Organ eine solch erstaunliche Leistung? Wie wir im Folgenden sehen werden, lässt sich diese Frage mit einer Kette aus Experimenten, Bildanalysen und Computersimulationen beantworten.
Als Referenzzustand dient die ungeschädigte Leber, deren Mikrostruktur mit einem Konfokalmikroskop vermessen wurde. Spezielle Fluorenszenzfarbstoffe zur selektiven Färbung erlauben es, in den optischen Schnittbildern einzelne Strukturen sichtbar zu machen und diese am Computer zu einem dreidimensionalen Bild zusammenzusetzen. Die im Bild enthaltene Information lässt sich durch Weiterverarbeitung der Lage, Position, Dichte und Form der Zellen sowie der Architektur der Blutgefäße quantifizieren. Aus den Verteilungen über den Parametern wurde ein repräsentatives Läppchen konstruiert, das als Startkonfiguration für die anschließende Computersimulation dient und an dem sich die Architektur mit Portalvene und -arterie, dem Netzwerk kleiner gefensterter Blutgefäße (die „Sinusoide“) sowie Zentralvene gut verdeutlichen lässt (Abb. 2c). Die spezielle Architektur des Leberläppchens stellt den optimalen Stoffaustausch zwischen Blut und den Hepatozyten, den „Arbeitstieren“ der Leber, sicher. 75 Prozent des Blutes fließen über die Portalvene, der Rest als sauerstoffreiches Blut über die Portalarterie in das Läppchen ein. Jedes Volumenelement Blut fließt genau durch eines der Läppchen. ...
Sensoren für die Prozessautomatisierung
Druckmessumformer sind essenziell für die Prozessindustrie. Mit Simulationen von physikalischen Effekten lassen sie sich optimieren.
In industriellen Anlagen sind eine Vielzahl von Sensoren nötig, um Größen wie Druck, Füllstand oder Temperatur zu messen. Die Simulation der zugrunde liegenden unterschiedlichen physikalischen Effekte erlaubt es, die Leistung der Sensorik wesentlich zu steigern. So gelang es beispielsweise, bei Druckmessumformern der neuen Generation die Langzeitstabilität um das Fünffache zu steigern und Linearität sowie Temperaturempfindlichkeit enorm zu optimieren.
Überall dort, wo es um die kontinuierliche Verarbeitung von Materialien in chemischen, physikalischen oder generell technischen Prozessen geht, spricht man von Prozessindustrie. Dazu zählen Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche ebenso wie Produzenten von Nahrungsmitteln, Papier oder Zement. Um die zur Herstellung der Güter nötigen Rezepte oder Ablauffolgen reproduzierbar, kostenoptimal und sicher durchführen zu können, ist Automatisierung essenziell. Die Basis dafür bilden Feldgeräte. Zu diesem Oberbegriff zählen Messumformer – das sind Sensoren plus zugehöriger Elektronik – sowie Aktoren wie Stellglieder oder Ventile. Feldgeräte erfassen physikalische Größen, sie überwachen und steuern die zahlreichen Prozesse in den unterschiedlichsten Industrieanwendungen. Sie sind prozessnah installiert und übermitteln ihre Informationen an die übergeordnete Leittechnik. In einer typischen Anlage der Prozessindustrie sind einige hundert bis tausend Feldgeräte im Einsatz und bilden somit unter dem Investitionsaspekt einen bedeutenden Wert. Innovationen bei Feldgeräten haben daher auch einen großen Einfluss auf den gesamten Wertschöpfungsprozess und wirken sich in allen Lebenszyklen einer Anlage positiv aus.
Obwohl Messumformer eine Vielzahl von unterschiedlichen physikalischen Messprinzipien nutzen, ist ihr prinzipieller Aufbau immer gleich: Auf der Prozessseite nimmt das Sensor-Subsystem die physikalische Größe wie Druck, Temperatur oder Kraft auf und wandelt diese in ein elektrisches Signal um. Ein Transmitter verarbeitet das Signal und gibt es zum einen an die übergeordnete Leitebene weiter, zum anderen an sein eigenes Human Machine Interface (HMI). Das HMI beinhaltet lokale Anzeige- und Bedienelemente des Messumformers, die für Vor-Ort-Bedienung und schnelle Anpassung an die Applikation sowie für die Analyse beim Auftreten von Fehlern nötig sind. ...