Die Physikanten lösen mit flüssigem Stickstoff eine Explosion aus. (vgl. S. 20, Bild: Mark Wohlrab)
Physik Journal 2 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Immer bergauf oder verdampft gekühlt
Zwei neue Kühlmethoden eröffnen die Möglichkeit, in Zukunft ein weites Spektrum molekularer Gase nahe dem absoluten Nullpunkt zu untersuchen.
Spielraum für Überraschungen
Der am LHCb-Detektor erstmals nachgewiesene Zerfall Bs0 → μ+μ– schränkt „neue Physik” ein.
Forum
„Die Versuche müssen klappen“
Interview mit Marcus Weber und Engelbert Kobelun von den „Physikanten & Co.“
Die „Physikanten & Co.“ wecken mit ihren Shows seit Jahren Begeisterung für naturwissenschaftliche Phänomene in der breiten Öffentlichkeit und insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Dafür sind sie im November mit der Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik der DPG ausgezeichnet worden. Die Physikanten, zu denen echte Physiker, aber auch gelernte Schauspieler und Künstler zählen, bedankten sich am Tag der DPG mit einer abwechslungsreichen Physikshow. Im Interview erzählen der Gründer und Physiker Marcus Weber und sein langjähriger Bühnenpartner Engelbert Kobelun, wie sich ihre Shows entwickelt haben.
Vor so vielen Physikprofessoren wie hier beim Tag der DPG sind Sie vermutlich noch nie aufgetreten. Haben Sie sich darauf extra vorbereitet?
Marcus Weber: Für heute haben wir uns bemüht, ein Programm mit anspruchsvolleren Sachen zu präsentieren. Die Frage am Anfang, ob ein rohes Ei oder ein gekochtes schneller die schiefe Ebene hinunter rollt, war allerdings riskant. Wenn alle richtig gelegen hätten, wäre das nicht witzig gewesen. Aber ziemlich genau die Hälfte des Publikums lag falsch. Auch die Honoratioren in der ersten Reihe dachten, das gekochte Ei würde schneller rollen. Das war sehr schön für uns. Und wenn so viele daneben liegen, lohnt es sich offenbar auch, über solche Dinge gründlicher nachzudenken.
Ich war überrascht, dass Sie dieses fachkundige Publikum so früh gepackt hatten.
Engelbert Kobelun: Auch Professoren wollen lachen. Humor gehört einfach dazu.
Weber: Letztlich konnte man sehen, was das Team ausmacht, nämlich dass alle Leute einen sehr professionellen Hintergrund haben. Einmal von der Physik, damit die Versuche funktionieren und gut aussehen, aber auch von der darstellerischen Seite. Engelbert ist zum Beispiel gelernter Schauspieler. Das zahlt sich aus.
Kann und darf man über Physik lachen?
Kobelun: Aus meiner Sicht geht es nicht darum, dass man über Physik lacht. Die Physik ist ein Mittel, das den Humor transportiert, ohne dass man – und darauf achtet Marcus – die Inhalte vernachlässigt.
Weber: Wir machen uns nie über die Physik lustig, über Physiker schon (lacht). Es ist schließlich auch gut, mal über sich selbst zu lachen. Wenn wir das Ganze sympathisch rüberbringen, lachen die Leute letztlich nicht über die Physik, sondern über uns und über die Art, wie wir die Physik auf der Bühne zeigen. ...
Überblick
Auf den Kontext kommt es an
Was hat die Frage „Können wir alles wissen?“ mit der Quantenmechanik zu tun?
Die Quantenmechanik hat viele, scheinbar paradoxe Konsequenzen. Diese Tatsache hat zu Spekulationen darüber verleitet, ob es eine übergeordnete Theorie geben könnte, die im Einklang mit der klassischen Physik ist. Neben der Bellschen Ungleichung gibt es ein weitreichendes Theorem von Ernst Specker und Simon Kochen, das es ermöglicht, „klassische Modelle“ quantenmechanischer Systeme auszuschließen. Was als Nachdenken über die logische Struktur der Quantenmechanik begann, lässt sich nun auch im Experiment beobachten.
Schon bei der Formulierung der Quantenmechanik in den 1920er-Jahren war den daran beteiligten Physikern bewusst, dass sich die neue Theorie von der klassischen Physik fundamental unterscheidet. Die Interferenz von Teilchen am Doppelspalt oder die Unschärferelationen galten als typische Quanteneffekte. Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen bemerkten 1935, dass bei räumlich getrennten Quantensystemen neuartige und überraschende Effekte auftauchen. In ihrem berühmten EPR-Paradoxon betrachteten sie zwei separierte Teilchen, die sich jedoch durch eine gemeinsame Wellenfunktion beschreiben lassen. Sie zeigten, dass man unter Umständen dem Ort und Impuls eines Teilchens einen Wert zuweisen kann, was der Quantenmechanik zu widersprechen scheint. Dies warf die Frage auf, ob die Quantenmechanik vollständig ist oder − so die Idee von Einstein, Podolsky und Rosen − eine komplexere deterministische Theorie mit weiteren Parametern sie ablösen könnte. Der Indeterminismus der Quantenmechanik würde sich dann aus unserem Unwissen über die zusätzlichen „verborgenen“ Parameter erklären.
John Bell konnte 1964 mit seiner bekannten Ungleichung zeigen, dass Modelle mit verborgenen Parametern nicht mit den Vorhersagen der Quantenmechanik verträglich sind. Hierbei machte er im Wesentlichen zwei Annahmen über klassische Modelle:
Realismus: Der Wert einer messbaren Größe existiert unabhängig davon, ob die Messung tatsächlich stattfindet oder nicht.
Lokalität: Die Messresultate an einem Teilchen hängen nicht von der Wahl der Messung an einem anderen, weit entfernten Teilchen ab.
Die Bellsche Ungleichung liefert ein klares, experimentell testbares Kriterium, um zwischen Quantenmechanik und klassischer Physik zu unterscheiden. Zahlreiche Experimente an verschränkten Teilchen haben in den letzten Jahren die Vorhersagen der Quantenmechanik bestätigt. Demnach ist zumindest eine der Annahmen von Realismus oder Lokalität nicht erfüllt. ...
Kletternde Tropfen
Auf einer geschüttelten Flüssigkeit können sich Tropfen horizontal bewegen und auf einer geschüttelten festen Oberfläche sogar eine fast senkrechte Steigung „hinauf klettern“.
In geschüttelten Flüssigkeiten mit freien Oberflächen treten interessante Effekte auf, zum Beispiel dynamische Oberflächenmuster und gerichteter Transport. Tropfen können auf der Oberfläche einer geschüttelten Flüssigkeit hüpfend mit selbst erzeugten Oberflächenwellen wechselwirken und sich dadurch gerichtet bewegen, oder sie klettern eine geschüttelte geneigte feste Oberfläche hinauf. Dieser gerichtete Tropfentransport lässt sich im letzteren Fall durch ein Minimalmodell verstehen, das einer hydrodynamischen Realisierung des Ratschenprinzips entspricht.
Bereits im 19. Jahrhundert haben Faraday, Kelvin und Rayleigh den Einfluss von Vibrationen auf Flüssigkeiten untersucht. In der Tradition von Chladni, Oersted und Savart, die Klangfiguren von Pulvern auf festen Oberflächen beschrieben hatten, versetzte Faraday 1831 Flüssigkeitsschichten vertikal in Vibration und beobachtete, wie auf der freien Oberfläche dynamische Strukturen entstanden. Etliche Jahre später berechneten Rayleigh und Kelvin die Eigenschwingungen freier sphärischer Tropfen idealer Flüssigkeiten.
Für eines seiner Experimente beschichtete Faraday die Unterseite einer waagerechten Platte mit Wasser, Öl oder Eiweiß und brachte die Platte durch einen am Rand angesetzen Geigenbogen zum Schwingen. Tropfen, die sich unter dem Einfluss der Schwerkraft an verschiedenen Stellen geformt hatten, wurden geglättet. Gleichzeitig entstanden an den Stellen der stärksten Vibrationen flache Erhebungen im Film. Als Faraday zentimeterdicke Wasserschichten auf einem horizontalen Substrat homogen vertikal schüttelte, ordneten sich nichtlineare stehende Wellen regelmäßig an – die Faraday-Wellen. Die zeitliche Modulation der Beschleunigung bewirkt eine Grenzflächeninstabilität, die als Faraday-Instabilität bekannt ist und als Musterbeispiel für eine parametrische Resonanz gilt.
Bis heute ist die Frage, wie Flüssigkeiten mit freien Oberflächen auf Vibrationen reagieren, von wissenschaftlichem Interesse. Zum Beispiel ermöglichen es Varianten des Faraday-Experiments zu untersuchen, wie sich dynamische Muster in getriebenen Systemen herausbilden und entwickeln. Neben den klassischen Quadratmustern, die schon Faraday kannte, lassen sich inzwischen Supergitter- und quasikristalline Muster experimentell erzeugen. Dazu ist es erforderlich, mehrere Vibrationsfrequenzen gleichzeitig zu verwenden und die Amplituden genau einzustellen. Auch kleine Behälter zeigen interessante raumzeitliche Muster. Diese Effekte sind mit Werkzeugen der nichtlinearen Dynamik zu erklären. ...