Die Suche nach den Überlebenden der ersten Sterngeneration in Himmelsdurchmusterungen gehört zu den großen Herausforderungen der Astronomie (vgl. S. 29, Bild: NASA/ESA).
Physik Journal 3 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
Bologna – Pro und Kontra
Zu „Gelungener Umbau“ von Matthias Bartelmann, Dezember 2012, S. 3
High-Tech
Im Brennpunkt
Kosmische Saat
Im frühen Universum können spontan Magnetfelder entstehen, die anschließend verstärkt werden.
Ultrakalt und doch heißer als unendlich heiß
Erstmals gelang es, ein Quantengas mit einer negativen absoluten Temperatur herzustellen.
Forum
Ein Weltbürger der Wissenschaft
Am 9. März wird der in Wien geborene Physiker und Chemie-Nobelpreisträger Walter Kohn 90 Jahre alt.
Kindheit in Wien, Vertreibung durch die Nazis, Studium und Promotion in Toronto und Harvard, später Professuren in San Diego und Santa Barbara – das sind einige Stationen des bewegten Lebens von Walter Kohn, der Mitte der 1960er-Jahre die Dichtefunktionaltheorie entwickelte, für die er 1998 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Zu seinen vielen Ehrungen und Auszeichnungen zählt seit Dezember 2012 auch die Ehrendoktorwürde der Universität Wien.
Anfang 1938 ist für Walter Kohn die Welt noch in Ordnung: Der 14-jährige Sohn jüdischer Eltern besucht das Akademische Gymnasium in Wien, Latein ist sein Lieblingsfach. Mit dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland im März 1938 ändert sich sein Leben aber radikal: Seine Familie, die den „Postkartenverlag Brüder Kohn“ betreibt, wird enteignet, und der junge Walter muss das Gymnasium verlassen. Ab dem Herbst kann er als einer von wenigen die Schulausbildung am jüdischen Chajes-Gymnasium fortsetzen. Als nach und nach immer mehr Lehrer verschwinden, beginnt der Direktor und Physiker Emil Nohel selbst zu unterrichten und hinterlässt bleibenden Eindruck: „Als ich diesen Herrn gehört habe, sind mir alle möglichen Lichter aufgegangen“, erinnert sich Kohn, „das war der Anfang meines Interesses für die Physik“. Ein Jahr später, drei Wochen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, verlässt der 16-Jährige Wien mit einem Kindertransport Richtung England – seine Eltern sieht er nie wieder, sie werden deportiert und ermordet.
Als Angehöriger einer feindlichen Nation („enemy alien“) internieren die Briten Kohn im Frühjahr 1940 und schicken ihn im Sommer in ein kanadisches Lager. Dort organisieren internierte Wissenschaftler Unterricht, außerdem arbeitet Kohn als Holzfäller und spart den Lohn von 20 Cent am Tag, um ein Mathematik- und ein Physikbuch zu kaufen. Nachdem Scotland Yard bestätigt hat, dass er kein feindlicher Spion ist, kommt Kohn im Januar 1942 frei und studiert in Toronto Mathematik und Physik. Im letzten Kriegsjahr dient er in der kanadischen Armee und schreibt in der Freizeit seine erste Veröffentlichung über die Kreiselbewegung. Nach dem Krieg kann Kohn dank eines Stipendiums nach Harvard gehen, wo ihn Julian Schwinger als Doktorand annimmt. Im Jahr 1948 schließt er seine Dissertation über das quantenmechanische Dreikörperproblem ab – trotz aller kriegsbedingten Wirren im Alter von 25 Jahren. ...
Überblick
Galaktische Archäologie
Auf der Suche nach den ältesten Sternen im Universum
Dank der endlichen Lichtgeschwindigkeit ermöglicht uns die Astronomie Blicke in die fernste Vergangenheit. Doch Relikte der kosmischen Frühzeit finden sich astronomisch gesehen auch in unserer Nähe: Sterne der so genannten Halo-Population der Milchstraße oder in Zwerggalaxien, die vermutlich nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Diese Sterne können uns mehr über die frühe Entwicklung des Universums verraten, insbesondere über die Entstehung schwerer Elemente, ohne die es weder Planeten noch uns gäbe. Die schwierige Suche und das detaillierte Studium der ersten Sterngenerationen ist Gegenstand der „galaktischen Archäologie“.
Durch die Vermessung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung wissen wir heute, dass unser Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist. Schon kurz nach dem Urknall entstanden bei kurzzeitig extrem hohen Temperaturen und hohen Dichten vor allem Kerne von Wasserstoff und Helium, aber auch Spuren von Lithium. Durch die Expansion und Abkühlung des Universums konnte wenig später die „Re“kombination mit Elektronen stattfinden. In den Gravitationspotentialtöpfen dunkler Materie bildeten sich dann Gaswolken von einigen 105 bis 106 Sonnenmassen, die Geburtsstätten der ersten Sterne.
Könnten Sterne der ersten Generation im Universum bis heute überlebt haben? Ja, aber nur wenn ihre Masse kleiner als 0,9 Sonnenmassen gewesen ist. Nur dann verbrauchen Sterne ihren nuklearen Brennstoff so langsam, dass sie ein Alter von 14 Milliarden Jahren und mehr erreichen können. Dann wären sie heute noch zu beobachten und würden uns Einblicke in die frühesten Phasen der Stern- und Galaxienentstehung und der Nukleosynthese im Kosmos ermöglichen.
Ob diese erste Generation tatsächlich Sterne mit so geringen Massen enthielt, ist zurzeit noch umstritten. Der entscheidende Prozess dafür ist die Fragmentation der Gaswolken im frühen Universum in kleinere Teile. Aus diesen bildeten sich durch Kontraktion die ersten Sterne. Notwendige Bedingung für den Beginn des gravitativen Kollaps ist, dass die Gravitationskräfte der Gasmasse die Druckkräfte, die aus der thermischen Bewegung der Gasatome resultieren, übersteigen (Jeans-Kriterium). Damit sich der Kollaps fortsetzt, muss die Gaswolke zu jeder Zeit mindestens die mit der Kontraktion verbundene Aufheizung des Gases kompensieren. Eine solche Kühlung kann über Photonen erfolgen, die bei atomaren oder molekularen Strahlungsübergängen emittiert werden. Die Photonen verlassen die Gaswolke und entziehen ihr somit Energie. Beispiele dafür sind die Feinstrukturlinien von atomarem Kohlenstoff oder Sauerstoff sowie Rotations- und Vibrationsübergänge von diatomaren Molekülen wie H2. Damit eine Gaswolke fragmentieren kann, muss die Kühlung also so effizient sein, dass Teile der Gaswolke jeweils das Jeans-Kriterium erfüllen. Die Zeitskala für die Kühlung der Gaswolke muss dafür kürzer sein als die „Freifall-Zeitskala“, auf der die Gaswolke unter Vernachlässigung von Druckkräften kollabieren würde. ...
Maßgeschneiderte Spinwellen
Strukturierte Nanomagnete, in denen Spinwellen propagieren, versprechen vielfältige Anwendungen
Die Wellenlänge von Gigahertz-Strahlung, wie sie in WLAN-Netzen oder Mobiltelefonen verwendet wird, beträgt typischerweise einige Zentimeter. Dass sich diese Strahlung dennoch in handlichen Geräten verarbeiten lässt, verdanken wir der Ankopplung an elementare Festkörper-Anregungen, deren Wellenlänge nur Mikrometer beträgt. Kollektive Spinanregungen in magnetischen Materialien versprechen eine weitere Miniaturisierung bis hinunter auf die Nanoskala und könnten es sogar ermöglichen, die Arbeitsfrequenzen variabel einzustellen.
In unserem Alltag hat die Bedeutung von Mikrowellen rasant zugenommen. Im Mikrowellenofen erwärmen wir Nahrungsmittel mit Hilfe elektromagnetischer Strahlung der Frequenz 2,455 GHz bzw. Wellenlänge 12 cm. Auf ähnlichen Wellenlängen senden und empfangen sowohl WLAN-Netzwerke als auch Mobiltelefone. In Radargeräten haben diskrete Bauelemente wie Phasenschieber und Zirkulatoren, die Mikrowellen direkt verarbeiten, Baulängen in der Größenordnung der Wellenlänge λ und können ein Kilogramm und mehr wiegen. Diese Eigenschaften sind offenkundig nicht geeignet für mobile Geräte in der Informationstechnologie. Die moderne Mikrowellentechnik zeichnet sich daher auch dadurch aus, die langwellige GHz-Strahlung in Endgeräten auf wenige Mikrometer „schrumpfen“ zu können. Dies gelingt durch Ankopplung an elementare Anregungen in Festkörpern. In Mobiltelefonen werden die elektrischen GHz-Signale mithilfe von z. B. piezoelektrischen Materialien in kurzwellige mechanische Oberflächenwellen (akustische Phononen) gewandelt und in miniaturisierten Bauelementen weiterverarbeitet. Eine Alternative könnten kollektive Spinanregungen in magnetischen Materialien bilden. Diese Anregungen breiten sich in Ferromagneten als Spinwellen oder – im Teilchenbild – als Magnonen aus und bieten technologische Vorteile: Die Arbeitsfrequenzen lassen sich mit Magnetfeldern nachträglich einstellen, und nichtflüchtige magnetische Zustände erlauben sowohl Speicherfunktionen als auch logische Operationen. Existierende Bauelemente ließen sich damit umprogrammieren. Dadurch wäre es prinzipiell möglich, die Trägerfrequenzen in WLAN- und Mobilfunk-Netzwerken flexibel zu ändern. Spinwellen erlauben zudem eine weitere Miniaturisierung bis hinunter auf die Nanoskala.
In einer Spinwelle koppelt die elektromagnetische Welle über das magnetische Wechselfeld mit der Magnetisierung des Ferromagneten (Infokasten). Diese Kopplung findet im GHz-Frequenzbereich statt und reduziert die charakteristische Wellenlänge um mehrere Größenordnungen. Zudem besitzt eine Spinwelle eine nichtlineare Dispersionsrelation, die zu einzigartigen Eigenschaften führt: Im Unterschied zu Photonen oder Plasmonen lassen sich die gesamte Dispersionsrelation von Magnonen mit einem Magnetfeld verschieben und die untere Abschneidefrequenz f0 der Spinwellen sehr einfach zwischen 0,1 und 100 GHz einstellen. Bei einer konstanten Frequenz ist es somit möglich, die Wellenlänge stark zu variieren, im gezeigten Beispiel von Millimeter bis unter 100 Nanometer. Im selben GHz-Frequenzbereich würde die Wellenlänge der freien elektromagnetischen Welle von Meter bis Millimeter differieren. Darüber hinaus wird bei der Signalübertragung mit Magnonen im Unterschied zur konventionellen Elektronik oder Spintronik keine Ladung transportiert, was für verlustarme Anwendungen interessant ist. ...
Lehre
Lernen mit gestuften Hilfen
Gestufte Lernhilfen fördern selbstständiges Lernen und lassen individuelle Lernwege zu.
Im Physikunterricht kämpfen Lehrkräfte stets mit der Schwierigkeit, Aufgaben so zu stellen, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler sie lösen können, ohne aber diejenigen zu langweilen, denen Physik leicht fällt. Gestufte Lernhilfen ermöglichen komplexere Aufgaben, an denen leistungsstarke Schüler sich messen und leistungsschwächere auf Hilfen zurückgreifen können.
Guter Physikunterricht setzt darauf, möglichst viele Schülerinnen und Schüler in physikalische Überlegungen zu verwickeln, sie kognitiv anzuregen und sie fachliche Zusammenhänge selbstständig erschließen zu lassen. Unterricht ist besonders lernwirksam, wenn sich Phasen der Instruktion, also der strukturierten Vermittlung von Inhalten, mit Phasen der Konstruktion abwechseln, in denen die Schüler das Gelernte selbstständig anwenden, verknüpfen und weiterdenken. Aufgaben spielen dabei eine wichtige Rolle.
An der Universität Kassel beschäftigen wir uns seit einigen Jahren mit den „Aufgaben mit gestuften Hilfen“. Dahinter verbergen sich komplexe naturwissenschaftliche Aufgaben, deren Bearbeitung über einen Satz von schriftlich formulierten Hilfen unterstützt wird. Darauf können Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich zugreifen. Josef Leisen hat diesen Aufgabentyp 1999 für den naturwissenschaftlichen Unterricht bekannt gemacht [1]. In unserer Weiterentwicklung verwenden wir zweiteilige Hilfen: Der erste Teil enthält eine Denkanregung, eine Frage oder einen Impuls. Der zweite Teil liefert eine passende Antwort dazu. Die Hilfen sind so gestuft, dass sie typische Schritte im Problemlöseprozess abbilden. Die letzte Hilfe enthält im zweiten Teil schließlich die komplette Lösung.
Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler können die Aufgabe ohne Hilfen bearbeiten und erst zum Schluss ihre Lösung mit der letzten Hilfe vergleichen. Andere, die größere Schwierigkeiten haben, können sich mit den Hilfen Schritt für Schritt zur Lösung vorarbeiten und so ebenfalls zu einem Erfolgserlebnis kommen. Auf diese Weise passen sich die Aufgaben bis zu einem gewissen Grad den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen an.
Bei einer Beispielaufgabe aus der Mechanik geht es um die Frage, ob sich ein schwerer Einkaufswagen leichter über eine Bordsteinkante heben lässt, indem man den Wagen am Griff anhebt oder am Griff nach unten drückt. Zur Lösung ist das Hebelgesetz erforderlich. Eine Schwierigkeit besteht dabei darin, die Drehpunkte und Hebelarme korrekt zuzuordnen. Auch müssen die Schülerinnen und Schüler eine Annahme über den Schwerpunkt treffen. Gibt man diesen in der Skizze an, reduziert sich der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Tagungen
Quantum Optical Analogies – a Bridge between Classical and Quantum Physics
518. WE-Heraeus-Seminar