Der Satellit Planck hat die um wenige hundert Mikrokelvin schwankende Temperatur der kosmischen Mikrowellenstrahlung vermessen (vgl. S. 18, Bild: ESA / Planck Collaboration).
Physik Journal 5 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
High-Tech
Im Brennpunkt
Plancks rätselhafter Hintergrund
Ergebnisse der europäischen Satellitenmission festigen das Standardmodell der Kosmologie, korrigieren jedoch einige seiner Parameter und zeigen rätselhafte Anomalien.
Interferometrie im freien Fall
Experimente mit einem Bose-Einstein-Kondensat in nahezu perfekter Schwerelosigkeit erlauben es, quantenmechanische Superposition und Interferenz über makroskopische Entfernungen und Zeiten zu beobachten.
Überblick
Ein Ring, die Erde zu finden
Hochauflösende Ringlaser ermöglichen die Inertialnavigation für den Erdkörper.
Unser Alltag hängt, oft ohne dass wir es merken, immer mehr von satellitengestützten Navigationssystemen ab. Damit diese funktionieren, müssen die Orientierung der Erde im Raum und ihre Rotationsgeschwindigkeit, die beide variieren, so genau wie möglich bekannt sein. Traditionell liefert ein globales Netz von Radioteleskopen diese Information. Doch höchst präzise Ringlaser, deren Prinzip auf ein Experiment von Georges Sagnac aus dem Jahr 1913 zurückgeht, können diese Größen auch in einem Laborexperiment bestimmen und haben das Potenzial, die Messungen von Radioteleskopen bedeutend zu verbessern.
Auch wenn unsere Alltagserfahrung dagegen spricht, ist die Erde kein starrer Körper. Über große Zeiträume hinweg betrachtet hat sie sich ganz erstaunlich verändert. Kontinente haben sich über große Distanzen verschoben. Die Ausrichtung und Feldstärke des Erdmagnetfelds wandert, wobei mehrfach Polaritätswechsel stattgefunden haben. Daher verwundert es auch nicht, dass beispielsweise auf Spitzbergen fossile Pflanzenreste einer subtropischen Vegetation gefunden wurden. Doch auch jenseits dieser Vorgänge gibt es Hinweise auf einen dynamischen, deformierbaren Erdkörper. Dass der Mond für die Gezeiten der Meere verantwortlich ist, überrascht niemanden mehr, dass er aber auch in gleichem Maße Gezeiten der festen Erde mit einer Amplitude von rund zwanzig Zentimetern bei uns in Mitteleuropa verursacht, ist weniger allgemein bekannt und entspricht obendrein auch nicht unserer Alltagserfahrung. Die durch die gravitative Deformation verursachte Hebung bzw. Senkung der Erdkruste findet periodisch über einen Zeitraum von etwas mehr als zwölf Stunden statt, und das wellenförmige Signal mit einer Amplitude von 20 cm, einer Frequenz von 22,4 mHz und einer Wellenlänge von ca. 20 000 km entzieht sich unserer direkten Wahrnehmung. Mit Gravimetern und hochgenauen Neigungsmessern lässt sich aber nicht nur die Höhenänderung, sondern auch der Neigungswinkel der lokalen Erdkruste infolge der Deformation der Erde bestimmen.
Um herauszufinden, ob so kleine Effekte für unsere typischen Alltagssituationen vielleicht doch konkrete Auswirkungen haben können, müssen wir genauer hinschauen. Die Erde besteht in einer einfachen Einteilung aus einem festen inneren Kern, einem flüssigen äußeren Kern, einem Mantel, einer dünnen Kruste, den Ozeanen und nicht zuletzt der Atmosphäre. In dieser Aufzählung dürfen auch die großen kontinentalen Eisschilde aufgrund ihrer Variabilität nicht fehlen. Jede dieser Komponenten trägt einen Teil der Gesamtmasse der Erde und nimmt an einem fortwährenden Massenumverteilungsprozess bzw. einem Impulsaustausch teil. Die Folge dieser gegenseitigen Wechselwirkungen im Gravitationsfeld von Sonne, Mond und anderen prominenten Massen des Sonnensystems sind geringfügige Änderungen des effektiven Trägheitsmoments der Erde. Damit gehen leichte Schwankungen in der täglichen Rotationsgeschwindigkeit sowie der Lage des Erdkörpers im Raum einher. Als ein Effekt von mehreren führt allein die Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde aufgrund der Gezeitenreibung dazu, dass ein Tag innerhalb von hundert Jahren um rund 2 ms länger wird. Auf den ersten Blick erscheint es vernachlässigbar wenig, wenn ein Tag mit 86 400 Sekunden nach hundert Jahren um 2/1000 Sekunden länger ist. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass sich diese kleine Abweichung mit jedem weiteren Tag erneut aufsummiert. Bei 36 525 Tagen in einem Jahrhundert kommt da schon einiges an Abweichungen zusammen. Die gelegentliche Einführung von Schaltsekunden in unserer bürgerlichen Zeit erinnert uns immer wieder daran. Zu diesem gut überschaubaren Effekt der Gezeitenreibung kommen die nicht vorhersagbaren Effekte aus den angesprochenen Massenumlagerungen sowie dem Impulsaustausch zwischen den einzelnen Subsystemen der Erde. Damit ändert sich die Tageslänge noch erheblich mehr. Doch warum ist dies für jeden von uns so wichtig? ...
In die richtigen Bahnen lenken
Wie Strömungsfelder komplexe Objekte formen können
Die Mikrofluidik und Lab-on-a-Chip-Konzepte versprechen, große Bereiche der Biophysik zu revolutionieren. Denn sie ermöglichen Reihenuntersuchungen auf Ebene einzelner Zellen bei gleichzeitigem Studium der Variabilität innerhalb einer ganzen Zellpopulation. Biophysikalische Prozesse lassen sich so quantitativ beschreiben und verstehen. Grundlage sind Methoden, um Strömungen im kleinen Maßstab zu beeinflussen. Diese könnten sich auch in anderer Weise kreativ nutzen lassen, etwa zur Massenfabrikation komplexer mikroskopischer Objekte oder sogar, um neue Materialien und funktionale Mikro-Maschinen zu entwickeln.
In der Mikrofluidik geht es darum, extrem kleine Flüssigkeitströpfchen in 10 bis 100 Mikrometer dünnen Kanälen mit hoher Frequenz zu kontrollieren, typischerweise in dafür entwickelten Chips. Die kleinen Volumina erlauben es dabei, wenige Moleküle hoch zu konzentrieren. Gleichzeitig ist es möglich, kleine Tröpfchen mit hoher Frequenz zu manipulieren. Dies hat zur Idee geführt, ganze miniaturisierte Chemie- oder Biochemielabors effizient auf einen Chip zu packen („Lab on a Chip“). Davon erwartet man enorme Auswirkungen auf die Biowissenschaften. Eine der ersten Anwendungen, die sich die kleinen Volumina und hohen Geschwindigkeiten zu Nutze machen, sind Reihenuntersuchungen mit hohem Durchsatz („high-throughput screening“). Dabei lassen sich schnell viele Bedingungen, z. B. die chemische Konzentration, durchtesten. Wie der amerikanische Chemiker George Whitesides in einem vielbeachteten Übersichtsartikel [1] schreibt, ist die Entstehung der Mikrofluidik mit zwei wesentlichen Entwicklungen verknüpft:
- Zum einen ergab sich in der Forschung unter dem Eindruck der immer besseren Verfügbarkeit genetischer Information die Notwendigkeit, Reihenuntersuchungen der Biochemie weniger Zellen unter variablen Bedingungen zu studieren. Das motivierte die Entwicklung miniaturisierter Experimente.
- Gleichzeitig gelang es, Chips statt aus Glas schneller und kostengünstiger aus Kunststoff herzustellen, indem man die in der Silizium-Technologie entwickelten photolithographischen Methoden für die Konstruktion von Mikrokanälen einsetzte: Bei der „soft lithography“ werden die Negative der gewünschten Kanäle und anderer Strukturen lithographisch erzeugt und die so gebildeten „Formen“ mit flexiblem Kunststoff ausgegossen. Damit lassen sich Chips relativ einfach, zuverlässig und mit überschaubarem experimentellen Aufwand herstellen. ...
Geschichte
Der Mann, mit dem die Kälte kam
Walther Meißner (1882 – 1974) und die Tieftemperaturphysik in Deutschland
Die Tieftemperaturphysik ist ein faszinierendes und sehr erfolgreiches Forschungsgebiet der modernen Physik. In Deutschland begann die bis heute anhaltende fulminante Entwicklung der Tieftemperaturphysik und -technik mit dem Bau eines Wasserstoffverflüssigers vor genau 100 Jahren durch Walther Meißner. Der Bau der ersten Helium-Verflüssigungsanlage in Deutschland, die Charakterisierung vieler neuer Supraleiter und vor allem die Entdeckung des Meißner-Ochsenfeld-Effekts vor 80 Jahren sind weitere wichtige Meilensteine dieses Pioniers.
Vor hundert Jahren bestimmten die noch neuen Ideen und Entdeckungen nach der Jahrhundertwende die Physik: Max Plancks Quantentheorie der Strahlung schwarzer Körper, Albert Einsteins damit einhergehende Quanteninterpretation des lichtelektrischen Effekts sowie seine spezielle Relativitätstheorie, Max von Laues Entdeckung der Röntgenbeugung an Kristallen, der Zeeman-Effekt, die Radioaktivität und – nicht zuletzt – die Tieftemperaturphysik. Emil Warburg, damals der dritte Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) in Berlin-Charlottenburg, sah insbesondere in den beiden letztgenannten Bereichen eine besondere experimentelle Stärke seiner Forschungseinrichtung. Es gelang ihm, zwei junge, einsatzfreudige und außerordentlich fähige Kollegen für die PTR zu gewinnen: Hans Geiger für das Arbeitsgebiet „Radioaktivität“ kam von Ernest Rutherford aus Manchester und Walther Meißner für die „Tieftemperaturphysik“ von Max Planck, bei dem er 1907 promovierte. Emil Warburg beauftragte vor genau 100 Jahren Walther Meißner mit dem Bau eines Wasserstoffverflüssigers, des ersten in Deutschland.
Meißner gelang es zunächst nur, die lächerlich kleine Menge von einem halben Liter flüssigen Wasserstoff pro Stunde zu produzieren. Das ermöglichte aber bereits Messungen des elektrischen Widerstands und der Wärmeleitfähigkeit in Metallen bis hinab zu etwa 15 K. Für Werner Buckel markieren diese Pionierarbeiten den „Start des Kältelaboratoriums der PTR“ – und damit den Beginn der Tieftemperaturphysik in Deutschland. Warburg löste ein weiteres, nämlich ein finanzielles Problem der neuen Forschungsrichtungen durch die Gründung der privat finanzierten Stiftungen Helmholtz-Fonds und Emil-Rathenau-Stiftung, wofür er den Anlass des 25-jährigen Bestehens der PTR im Jahre 1912 zu nutzen wusste.
Interessant am wissenschaftlichen Werdegang von Walther Meißner ist, dass er ab 1901 zunächst Maschinenbau an der TH Charlottenburg studierte und erst 1904 zum Studium der Physik und Mathematik an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität wechselte. Da die Tieftemperaturphysik eine Forschungsrichtung ist, bei der sich technische und physikalische Entwicklungen stark befruchten und gegenseitig bedingen, war ihm dieser Umstand in seiner späteren Karriere vielfältig nützlich. Nach dem Studium wurde er einer der wenigen Doktoranden von Max Planck und beschäftigte sich in seiner Doktorarbeit mit der Theorie des Strahlungsdrucks. Während seiner Doktorarbeit lernte er Max von Laue kennen, der dort vier Jahre zuvor promoviert hatte und eine Assistentenstelle innehatte. Seit dieser Zeit waren sie nicht nur gute Kollegen, sondern es sollte sie eine lebenslange enge Freundschaft verbinden. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Tagungen
Energy-Related Catalysis Today and Tomorrow: From Fundamentals to Application
528. WE-Heraeus-Seminar