Der Galaxienhaufen Abell 2218 wirkt als besonders starke Gravitationslinse, ein Effekt der Allgemeinen Relativitätstheorie, die hundert Jahre alt wird. (vgl. ab S. 27, Bild: NASA, ESA und Johan Rischard, Caltech, USA)
Physik Journal 6 / 2015
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Kontrollierte Schlangenlinien
In Graphen gelang erstmals der direkte Nachweis von schlangenförmigen Elektronenbahnen.
Forum
„Ich wollte es den Zweiflern zeigen“
Interview mit dem Chemie-Nobelpreisträger Stefan W. Hell
Seit fast dreißig Jahren beschäftigt sich Stefan W. Hell (52) mit Mikroskopie. Schon sehr früh setzte er sich zum Ziel, eine Methode zu entwickeln, mit der sich die Beugungsgrenze durchbrechen lässt. Dieses verfolgte er hartnäckig weiter und nahm dafür eine wechselvolle akademische Karriere in Kauf, die ihn schließlich ans Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen führte, wo er seit 2002 Direktor ist. 2014 erhielt er gemeinsam mit Eric Betzig und William E. Moerner den Chemie-Nobelpreis für die Entwicklung superauflösender Fluoreszenzmikroskopie.
Woher kam die Idee, sich mit der Auflösungsgrenze zu beschäftigen?
Zur Mikroskopie bin ich über meine Doktorarbeit über Konfokalmikroskopie bei Siegfried Hunklinger in Heidelberg gekommen. An sich hatte ich das Gefühl, dass das Thema Lichtmikroskopie ausgereizt ist, andererseits wollte ich etwas fundamental Neues machen. In diesem Spannungsfeld habe ich angefangen, herum zu überlegen und war rasch davon überzeugt: Da muss doch was drin sein!
Woher kam die Gewissheit?
Aus dem breiten Wissen der Physik, das ich mir im Studium aufgebaut habe. Während der Promotion hatte ich die Intuition entwickelt, dass sich doch irgendeins der vielen Phänomene, welche die Physik im 20. Jahrhundert gefunden hat, einsetzen lassen müsste, um die Beugungsgrenze im Lichtmikroskop zu knacken...
Schwerpunkt
Einsteins Schöpfung
Die Allgemeine Relativitätstheorie wird hundert Jahre alt.
Wohl keine Theorie der modernen Physik ist so sehr Schöpfung eines einzelnen Menschen wie die Allgemeine Relativitätstheorie (ART). Ihre Vorhersagen sind heutzutage auf vielfältigste Weise triumphal bestätigt. Das auf der ART fußende kosmologische Standardmodell deutet auf die Existenz Dunkler Materie und einer abstoßenden Dunklen Energie. Gleichzeitig nimmt Einsteins Theorie eine solitäre Stellung ein. Noch immer ist unklar, wie sie sich mit den Quantenfeldtheorien in Verbindung bringen lassen könnte.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es eigentlich keinen Grund für die Entwicklung einer neuen Gravitationstheorie. Die einzige damals bekannte Abweichung von der Newtonschen Gravitationstheorie, die Periheldrehung der Merkurbahn, konnte versuchsweise durch Störungen erklärt werden. Für den hypothetischen Planet, dem man diese Störungen zuschreiben wollte und der innerhalb der Merkurbahn um die Sonne hätte laufen sollen, gab es bereits einen Namen: Vulkan.
Es war nicht die Gravitationstheorie, die Einstein auf den Weg von der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) zur ART brachte. Obwohl die SRT den absoluten, affinen Raum der Newtonschen Mechanik aufgab, auf dem die Galilei-Transformationen von einem Inertialsystem in ein anderes transformierten, behielt sie die Inertialsysteme bei. Später hat es Einstein als den größten konzeptionellen Schritt der ART bezeichnet, dass sie die Inertialsysteme aufgab und an ihre Stelle die frei fallenden Bezugssysteme setzte, was aufgrund des Äquivalenzprinzips möglich wurde. Die ART erhebt den empirischen Befund zum Prinzip, dass die träge und die schwere Masse beliebiger Körper gleich seien. Dies führt zu den vertrauten Betrachtungen eines im Gravitationsfeld frei fallenden oder außerhalb des Gravitationsfeldes gleichförmig beschleunigten Aufzugs: Fällt eine Aufzugskabine frei im Gravitationsfeld, lässt sich in ihr kein Gravitationsfeld mehr nachweisen. Beschleunigt man eine Aufzugskabine gleichförmig außerhalb eines Gravitationsfeldes, kann ein Experimentator in der Kabine nicht unterscheiden, ob er durch die Beschleunigung oder durch ein Gravitationsfeld an den Boden der Kabine gedrückt wird...
Präzisionstests mit Pulsaren
Rotierende Neutronensterne eignen sich ideal zum Testen der Allgemeinen Relativitätstheorie in starken Gravitationsfeldern.
Ähnlich zu elektromagnetischen Wellen sollten auch Gravitationswellen existieren, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Auch wenn diese Wellen bislang nicht direkt beobachtet wurden, steht ihre Existenz inzwischen außer Frage. Der indirekte Nachweis gelang mithilfe von kosmischen „Leuchttürmen“, den Pulsaren. Ihr Bahnumlauf beschleunigt sich messbar, da sie aufgrund der Abstrahlung von Gravitationswellen Bahnenergie verlieren.
Am 18. November 1915 zeigte Albert Einstein, dass seine Allgemeine Relativitätstheorie (ART) auf natürliche Weise die beobachtete Periheldrehung des Merkur erklärt. Die Lösung dieses seit 1859 ungelösten Problems der Himmelsmechanik gelang Einstein bereits eine Woche, bevor er die ART als abgeschlossen erklären konnte, und markiert die erste experimentelle Überprüfung der Theorie. In demselben Beitrag schlug er des Weiteren die Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne und die Gravitationsrotverschiebung von Spektrallinien als Tests der ART vor. Der erste Nachweis der Lichtablenkung glückte ein paar Jahre später während der totalen Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919. Die damalige Messung wies zwar noch eine recht große Unsicherheit von rund 15 Prozent auf, entschied aber zugunsten der ART, die verglichen mit der Newtonschen Theorie den doppelten Ablenkwinkel vorhersagt. Heute ist die Ablenkung an der Sonne am besten mittels der Radiostrahlung von Quasaren nachgewiesen. Die Vermessung der Quasar-Positionen mit der VLBI-Methode stimmt im Rahmen der Messgenauigkeit von etwa 10–4 mit der ART überein.
Die Krümmung der Raumzeit durch die Masse der Sonne lenkt aber nicht nur das Licht ferner Sterne ab, sondern verlängert auch die Laufzeit elektromagnetischer Wellen. Den besten Nachweis dieser sog. Shapiro-Laufzeitverzögerung ermöglichten 2002 die Telemetrie-Daten der Cassini-Sonde, die den Planeten Saturn umkreist. Sie erreichte eine relative Genauigkeit von etwa 10–5. Als besonders schwierig stellte es sich heraus, die Gravitationsrotverschiebung in den Spektrallinien der Sonne zu beobachten, und zwar aufgrund nichtgravitativer Einflüsse wie Plasmaströmungen in der Photosphäre. Mit hoher Präzision gelang der Nachweis der Rotverschiebung erst mit dem Mößbauer-Effekt sowie Atomuhren...
Simuliertes Verschmelzen
Mit Hilfe numerischer Methoden lassen sich heutzutage Phänomene und Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie genau erkunden.
Rechtzeitig zum hundertsten Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie hat ihre numerische Behandlung enorme Fortschritte gemacht. Mit neuen Methoden ist es jetzt möglich, Szenarien zu simulieren, die mit analytischen Methoden unzugänglich sind − zum Beispiel die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher.
Kurz zusammengefasst beschreibt die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) Gravitation mit Hilfe der Krümmung der Raumzeit. Oder, wie John Wheeler es eloquent beschrieben hat, „Matter tells spacetime how to curve, and curved spacetime tells matter how to move.“ Mathematisch ist dies ausgedrückt in der Einsteinschen Feldgleichung1)
deren hundertsten Geburtstag wir dieses Jahr feiern. Leider ist dieses Juwel einer Gleichung für Nichtspezialisten etwas unzugänglich. Für den Rahmen dieses Artikels müssen wir sie aber zum Glück nicht im Detail verstehen.Auf den ersten Blick scheinen die beiden Gleichungen nicht viel gemeinsam zu haben (genau genommen nur π und G), aber sie sind tatsächlich eng verwandt. Die Dichte ρ spielt die Rolle einer Quelle auf der rechten Seite der Poisson-Gleichung (2); in der Einstein-Gleichung (1) wird die Dichte ausgedrückt durch den Energie-Impuls-Tensor Tab. Auf der linken Seite der Poisson-Gleichung ist der Laplace-Operator =2 eine Abkürzung für zweite (räumliche) Ableitungen des Gravitationspotentials , dem fundamentalen Objekt in der Newtonschen Gravitationstheorie. Das fundamentale Objekt in der ART ist die Raumzeit-Metrik gab, und tatsächlich befinden sich zweite Ableitungen der Metrik auf der linken Seite der Feldgleichung (1) − diese sind allerdings gut versteckt im Einstein-Tensor Gab. Stattdessen vergleichen wir sie mit ihrem Newtonschen Cousin, der Poisson-Gleichung
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Linsen im Kosmos
Die gravitative Lichtablenkung ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Kosmologie geworden.
Lichtstrahlen folgen den Nullgeodäten der Metrik und werden daher im Schwerefeld abgelenkt. Dieser Effekt besitzt wichtige astrophysikalische Anwendungen: Wenn das Licht einer entfernten Quelle durch eine Massenkonzentration („Gravitationslinse“) zwischen uns und der Quelle abgelenkt wird, lässt sich daraus viel lernen – sowohl über die Massenverteilung der Linse als auch über die Eigenschaften der Quelle und die des Raums dazwischen. Der Gravitationslinseneffekt ist inzwischen als zentrales Werkzeug der Astrophysik und Kosmologie etabliert.
Die Messung der Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne während einer Sonnenfinsternis 1919 bestätigte eine der zentralen Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Das verhalf ihr zur breiten Anerkennung in der Fachwelt und weit darüber hinaus. Schon bald darauf wurde über weitere spektakuläre Effekte der gravitativen Lichtablenkung spekuliert: Falls sich eine genügend massereiche und kompakte Massenverteilung zwischen einer entfernten Quelle und uns befindet, kann es mehrere Lichtstrahlen geben, die uns mit der Quelle verbinden − und damit wäre die Quelle an mehreren Positionen der Sphäre zu sehen (Abb. 1). Die ersten Mehrfachbilder eines Quasars wurden 1979 entdeckt; inzwischen ist die Zahl solcher starken Gravitationslinsensysteme auf mehrere hundert angewachsen, wobei als Quellen aktive und normale Galaxien auftreten und Galaxien oder Galaxienhaufen als Linse wirken [1].
Da Lichtbündel nicht nur als Ganzes, sondern auch differentiell abgelenkt werden, sind die beobachteten Bilder im Vergleich zum Bild der unabgelenkten Quelle verzerrt. Dies hat zwei Effekte zur Folge: Erstens ändert sich die Querschnittsfläche (bzw. der beobachtete Raumwinkel) der Lichtbündel. Da die Flächenhelligkeit aufgrund des Liouville-Theorems erhalten bleibt, ändert sich der beobachtete Fluss eines Bildes um diese Flächenverzerrung. Zweitens verändert sich die Form der Bilder. Beide Effekte können dramatische Konsequenzen haben, etwa leuchtende Bögen in Galaxienhaufen (Abb. 2). Der Fluss dieser Bögen kann den der „ungelinsten“ Quelle um einen Faktor 20 oder mehr übersteigen. Wie schon Fritz Zwicky 1937 vorhersagte, erlaubt uns der Linseneffekt daher einen besseren Blick auf leuchtschwache, sehr weit entfernte Quellen. In den meisten Fällen ist die Bildverzerrung wesentlich unspektakulärer als bei den leuchtenden Bögen und lässt sich in individuellen Bildern nicht identifizieren; wir sprechen dann vom „schwachen Gravitationslinseneffekt“. Da jedoch in unserem Universum die Dichte von schwachen und weit entfernten Galaxien an der Sphäre sehr groß ist, ist es möglich, diese Verzerrungen statistisch nachzuweisen und quantitativ zu untersuchen...
Geschichte
Ein Pionier der Magneto-Optik
Vor 150 Jahren wurde der niederländische Physiker und Nobelpreisträger Pieter Zeeman geboren.
Pieter Zeeman gehörte zu der kleinen Zahl von Physikern, die für den großartigen Ruf der niederländischen Physik um 1900 verantwortlich waren. Zusammen mit seinem Kollegen Johannes Diderik van der Waals dominierte er über viele Jahre die Physik an der Universität von Amsterdam.
Geboren wurde Zeeman am 25. Mai 1865 in der Kleinstadt Zierikzee, in der niederländischen Provinz Zeeland, als Sohn eines evangelischen Pfarrers. Bereits in jungen Jahren zeigte sich sein Talent für systematische und sorgfältige Beobachtungen. Im Herbst 1882 war in den Niederlanden ein Nordlicht zu beobachten – ein sehr seltenes Phänomen in diesen Breiten, das Zeeman über viele Stunden fasziniert beobachtete. Seine Aufzeichnungen sandte er an einen Physiklehrer, der diese in zwei Artikeln über das Nordlicht in der Zeitschrift Nature erwähnte. Das führte dazu, dass Zeeman einige Zeit darauf einen Brief erhielt, welcher an „Professor Zeeman“ adressiert war und den Nachdruck eines weiteren Artikels enthielt, in dem Zeemans Beobachtungen erwähnt wurden. Diesen Umschlag bewahrte Zeeman sein ganzes Leben lang sorgfältig auf.
Nach Abschluss der weiterführenden Schule ging Zeeman an die Universität Leiden, um Physik zu studieren. Dort wurde er nach seinem Abschluss Assistent am Physiklabor. 1893 promovierte Zeeman bei Heike Kamerlingh Onnes mit einer Dissertation zum Kerr-Effekt. Während eines Forschungsaufenthalts in Straßburg wandte er sich der experimentellen Untersuchung der Ausbreitung elektrischer Schwingungen in Flüssigkeiten zu.
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Wettstreit der Studierenden
In Göttingen fand der Physik-Teamwettbewerb DOPPLERS statt.