Am LHCb-Experiment des CERN lassen sich seltene Zerfälle von B-Mesonen hochpräzise messen. (vgl. S. 35, Quelle: CERN)
Physik Journal 10 / 2018
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
High-Tech
Im Brennpunkt
Das Salz in der (Mars-)Suppe
Radarmessungen der Mission Mars Express deuten darauf hin, dass es am Südpol des Mars in einer Tiefe von rund 1,5 Kilometern flüssiges Wasser geben könnte.
Ordnung aus Unordnung
Neue Experimente zeigen, dass Nichtgleichgewichts-Systeme eine Koexistenz selbstorganisierter Zustände mit unterschiedlicher Orientierungssymmetrie erlauben.
Bildung - Beruf
„Ich bin der Typ, der Physik lustig erklärt.“
Vince Ebert verabschiedete sich von einem bürgerlichen Beruf und wagte den Sprung auf die Bühne.
Seit rund 20 Jahren bringt der Diplomphysiker Vince Ebert die Menschen als Wissenschaftskabarettist zum Lachen und Nachdenken.*) Neben seinen Bühnenprogrammen tritt er auch regelmäßig im Fernsehen auf, beispielsweise als Moderator der ARD-Sendung „Wissen vor acht“, und engagiert sich für naturwissenschaftliche Bildungsprojekte.
Warum haben Sie ursprünglich mal Physik studiert?
Physik ist mir schon in der Schule leichtgefallen, und im Studium habe ich nach und nach erkannt, was man in der Physik und in den Naturwissenschaften eigentlich macht.
Nämlich?
Es geht eben nicht nur um Rechnungen und Formeln. Mich hat fasziniert, dass die großen physikalischen Theorien immer auch philosophische Fragen beinhalten. Etwa wenn man sich in der Quantenmechanik fragt: Was ist Zufall, oder ist das Leben determiniert? Oder wenn in der Kosmologie die Frage gestellt wird, wie alles angefangen hat. Zu versuchen, diese großen Fragen mit naturwissenschaftlichen Methoden einigermaßen zu beantworten, macht für mich die große Faszination an dem Fach aus...
Viel Wind um die Energie
Durch die Energiewende haben sich die Tätigkeiten von Physikerinnen und Physikern in der Energiebranche verändert.
Abschaltung der Kernkraftwerke, Ausbau erneuerbarer Energien, Vermeidung fossiler Energieträger, Reduktion von CO2-Emissionen, Energiesparen oder Elektromobilität – all dies und noch viel mehr ist untrennbar mit der Energiewende verbunden. In Deutschland ist sie längst beschlossen, so sollen laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bis 2025 mindestens 40 bis 45 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Mit diesen Umwälzungen der Energiebranche wandeln sich auch die Aufgaben, die Physikerinnen und Physiker dort übernehmen können: Waren sie früher häufig Experten für den Strahlenschutz in Kernkraftwerken, so optimieren sie heutzutage den Wirkungsgrad von Solarzellen, entwickeln Konzepte für intelligente Stromnetze oder klären mit ihrem physikalischen Hintergrundwissen über Klimaschutz und Energieverbrauch auf.
Diese Veränderungen hat die Physikerin Dagmar Hallfarth hautnah miterlebt – nach über zwanzig Jahren Tätigkeit in verschiedenen Kernkraftwerken ist sie Anfang des Jahres zu einem Netzbetreiber gewechselt. Ihrem Vater zum Trotz hat sie Physik studiert: „Der ist auch Physiker und hat mir immer davon abgeraten“, lacht sie. Nach dem Studium, das sie voller Begeisterung absolviert hat, entschied sie sich bewusst gegen eine Promotion. „Für mich war es unvorstellbar, fünf weitere Jahre lang an einem Thema zu arbeiten. Ich brauche wechselnde Herausforderungen mit Praxisbezug“, gibt sie zu. Über eine Tätigkeit als Werkstudentin landete sie bei der Urananreicherungsanlage in Gronau, wo sie sich mit der Frage beschäftigte, ob die Nuklide außerhalb der Anlage in der Umgebung massenspektrometrisch messbar sind. „Das war für mich ein sehr spannender Einstieg in die Kerntechnik“, sagt Hallfarth. Nachdem das Interesse an diesen Fragestellungen geweckt war, bewarb sie sich auf eine Stellenausschreibung im Kernkraftwerk Krümmel.
Dort war sie zuständig für den gesamten Aktivitätsfluss in der Anlage – vom Brennelement über den Wasser- und Dampfkreislauf, die Abluft-, Immissions- und Emissionsüberwachung bis hin zur Dichtheitsprüfung beim Wechsel der Brennelemente. „Die Stelle war für mich ein Sechser im Lotto! Mit nur 26 Jahren durfte ich direkt nach dem Studium drei Labore und zwei Teams leiten“, betont sie. Zehn Jahre lang verantwortete sie in Krümmel den Strahlen- und den Notfallschutz. Innerhalb weniger Minuten hätte sie im Katastrophenfall eine komplette Dosisberechnung für die Bevölkerung abliefern können...
Überblick
Vorgeschmack auf neue Physik?
Mit seltenen Zerfällen lässt sich nach Teilchen suchen, die das Standardmodell nicht beschreibt.
Die Suche nach neuer Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik ist zentrales Ziel der aktuellen Forschung. Das präzise Vermessen seltener Zerfälle erlaubt es, die Effekte neuer Teilchen nachzuweisen, selbst wenn sich diese aufgrund ihrer hohen Masse an derzeitigen Beschleunigern nicht direkt erzeugen lassen.
Wir haben einen Meilenstein in unserem Verständnis der Natur erreicht“, so kommentierte der damalige CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer die Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012. Ganz zu Recht, denn schließlich war damit das letzte fundamentale Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik gefunden. Unerwartet war diese Entdeckung allerdings nicht: Aus Präzisionsmessungen der Parameter der elektroschwachen Wechselwirkung, beispielsweise der Massen der W- und Z-Bosonen, ließ sich schon vor der Entdeckung die Masse des Higgs-Bosons im Standardmodell auf weniger als etwa 150 GeV beschränken. In der Tat zeigte sich die zugehörige Signatur im erwarteten Bereich bei 125 GeV.
Dies zeigt sehr anschaulich den typischen Ablauf von Entdeckungen in der Teilchenphysik: Neue Teilchen rufen in Präzisionsmessungen Effekte hervor, die nicht mit den bis dahin bekannten Teilchen zu erklären sind. Hinweise aus Präzisionsmessungen gehen im Allgemeinen den direkten Entdeckungen bis dahin unbekannter neuer Teilchen voraus. Wichtige weitere historische Beispiele sind die Entdeckung des Charm-Quarks, das nach Messungen seltener Kaon-Zerfälle vorhergesagt wurde, die Existenz einer dritten Generation von Quarks, die auf der Entdeckung der Verletzung der Materie-Antimaterie-Symmetrie in der schwachen Wechselwirkung beruht, sowie die genaue Vorhersage der Masse des Top-Quarks...
Extrem und strahlend
Die elektromagnetische Strahlung aus Urknall-Materie enthält Informationen zum Zustand sichtbarer Materie unter extremen Bedingungen.
Jede Form sichtbarer Materie strahlt. Dabei gibt die Frequenzverteilung Aufschluss über die Temperatur, die Zusammensetzung und Dynamik der elektrischen Ladungsträger und oft auch über das kritische Verhalten in der Nähe von Phasenübergängen. Bei extremer Temperatur und Dichte von Kernmaterie zeigen die Spektren reeller und virtueller Photonen den Übergang von hadronischer zu Quark-Gluon-Materie an und tragen so wesentlich zum Verständnis der Erzeugung von Masse durch die starke Wechselwirkung bei.
Kurze Zeit nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren bestand das Universum aus einem heißen Plasma von Elementarteilchen, die das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt (Infokasten). Für die frühe Entwicklung des Universums während der kosmischen Expansion spielten zwei fundamentale Phasenübergänge eine entscheidende Rolle: Der eine fand etwa zehn Pikosekunden nach dem Urknall statt, getrieben durch die elektroschwache Wechselwirkung. Dagegen bestimmte die starke Wechselwirkung den zweiten nach etwa zehn Mikrosekunden. Kondensationsphänomene, die vermutlich für die Masse der heute sichtbaren Materie verantwortlich sind, begleiteten beide Übergänge. Im elektroschwachen Phasenübergang kondensierte das im Jahr 2012 am Large Hadron Collider des CERN entdeckte Higgs-Teilchen und erzeugte die Massen der Leptonen, der schweren Z- und W-Bosonen sowie die „nackten“ Massen der Quarks. Im Übergang der starken Wechselwirkung verbanden sich Quarks und Gluonen zu Hadronen unter permanentem Einschluss der Farbladung („Confinement“), wodurch mehr als 98 Prozent der Masse der sichtbaren Materie entstanden sind. Den genauen Ablauf lassen auch mehr als 30 Jahre intensiver Forschung offen.
Heute bietet sich uns die faszinierende Möglichkeit, den frühen Zustand des Universums in der Nähe der starken Phasenumwandlung bei Stößen schwerer Atomkerne mit extrem hohen Energien erneut zu erzeugen. Dabei geht die kinetische Stoßenergie zu einem Großteil in der Produktion von mehreren tausend Hadronen auf. Systematische Analysen der gemessenen Teilchensorten und deren Energie- und Impulsverteilungen liefern die Evidenz für die Erzeugung einer extrem heißen Reaktionszone. Dieser „Feuerball“ erreicht sehr schnell den Zustand eines lokalen thermischen Gleichgewichts und expandiert explosiv nach den Gesetzen der relativistischen Hydrodynamik (Abbildung). Bei den höchsten Stoßenergien, die derzeit mit 5 TeV pro Nukleonenpaar im Schwerpunktsystem beim Large Hadron Collider zur Verfügung stehen, lässt sich die dazugehörige Zustandsgleichung, die beispielsweise Druck und Energiedichte in Beziehung setzt, präzise aus der Quantenchromodynamik berechnen. Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Energiedichten der frühen Entwicklungsphasen des Feuerballs ausreichen, um ein Quark-Gluon-Plasma zu erzeugen. Diese stark wechselwirkende Materie, die auch im frühen Universum vorlag, besteht aus masselosen Gluonen, nahezu masselosen up- und down-Quarks und den etwas schwereren strange-Quarks. Was lernt man aus diesen Experimenten über die Mechanismen der Massenerzeugung in der starken Wechselwirkung? ...
Streifzug
Geschichte
Die Frühzeit der Feinstruktur
Spektroskopische Instrumente und der Weg zur Entdeckung der Lamb-Verschiebung
Das fundamentale Wechselspiel zwischen Durchbrüchen in der Mess- und Gerätetechnik und grundlegenden Erkenntnissen ist in der Wissenschaftsgeschichte beispielhaft untersucht worden, gerade in der Optik. Man denke an das Fernrohr und seine Bedeutung für das kopernikanische Weltbild oder das Michelson-Experiment für die Relativitätstheorie. Für die exakte Analyse der atomaren Feinstruktur spielte die Entwicklung hochpräziser Spektrographen eine entscheidende Rolle.
In der optischen Spektroskopie [1] gab es im 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zahlreiche Beispiele für Erkenntnisfortschritte, die nur durch ein enges Zusammenspiel von Instrumentenentwicklung, Experimentiertechnik und Theorie möglich wurden [2, 3]. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Beschreibung der dunklen und später nach Joseph von Fraunhofer benannten Spektrallinien im Sonnenspektrum.1) Erst 1859 gelang es Gustav Kirchhoff, den Zusammenhang von Absorptions- und Emissionswellenlängen der Fraunhoferschen Linien zu beschreiben und gemeinsam mit Robert Bunsen kurz danach die Spektralanalyse zu entwickeln.
Hier möchten wir ein weiteres Beispiel aus der Spektroskopie diskutieren: die Entdeckung der Lamb-Verschiebung in der Feinstruktur des Wasserstoffspektrums. Wir befinden uns damit im Kontext der Quantenphysik, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr dynamisch entwickelte. Das betraf sowohl die Theorie als auch die in diesem Kontext stehenden Experimente und den Bau der dafür erforderlichen Instrumente. Das führte zu immer wieder wechselnden Interpretationen der experimentellen Ergebnisse und damit einem eher ungewöhnlichen Verlauf in der Theorieentwicklung...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
David Christian: Die Geschichte der Welt – vom Urknall bis zur Zukunft der Menschheit
Michael Eckert: Ludwig Prandtl – Strömungsforscher und Wissenschaftsmanager. Ein unverstellter Blick auf sein Leben
DPG
Die Vielfalt der jungen DPG
Mit seinen Angeboten begeistert der Arbeitkreis junge DPG jährlich über 8000 Teilnehmende.