Smart experimentieren lässt sich mit dem Mobiltelefon nicht nur in Vorlesungen zur Experimentalphysik, sondern auch im Science Center phaeno. (Bild: Science Center phaeno / Janina Snatzke; vgl. S. 35)
Physik Journal 11 / 2018
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
High-Tech
Im Brennpunkt
Strahlenkrater im Labor
Erstmals ließen sich die charakteristischen Merkmale von Strahlenkratern experimentell reproduzieren.
Forum
Erfolgsgeschichte im Wandel der Zeit
Seit 50 Jahren gibt es die Sonderforschungsbereiche der DFG – Physikerinnen und Physiker gehören zu den erfolgreichsten Nutzern des Förderprogramms.
Es ist das Jahr, in dem bei der Apollo 8-Mission erstmals Menschen den Mond umkreisen. Die Physik verliert mit Lise Meitner, Otto Hahn und Hertha Sponer drei große Persönlichkeiten. Weltweit prägen gesellschaftliche Umwälzungen das Bild eines epochemachenden Jahres: 1968. Historiker und Politikwissenschaftler mögen darüber streiten, ob die damals angestoßenen Entwicklungen heute eher positive oder negative Folgen haben – viele der 1968er-Ereignisse wirken auf jeden Fall bis in unsere Zeit nach.
Auch in der deutschen Hochschullandschaft hat vor 50 Jahren ein Wandel eingesetzt, der bis heute andauert. Schon zu Beginn der 1960er-Jahre hatte der Wissenschaftsrat empfohlen, die Idealvorstellung einer „vollständigen Universität“ im Humboldtschen Sinne aufzubrechen: Die Hochschulen sollten Schwerpunkte entwickeln und spezielle Forschungsgebiete erschließen. Das erforderte ein Umdenken in Forschung und Lehre, aber auch in Berufungsfragen. Finanzielle Anreize setzte in dieser Zeit des Wandels die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einem neuen Förderprogramm. Die Sonderforschungsbereiche (SFB) zeichneten sich durch damals noch schockierend neue Ziele aus: Es galt, das exzellente Forschen im Verbund und das Setzen von Schwerpunkten an Hochschulen voranzutreiben.
An diese Ideen mussten sich die antragstellenden Professoren erst gewöhnen. Das zeigen die noch sehr breit aufgestellten Titel der ersten bewilligten Sonderforschungsbereiche – in der Physik der SFB 39 „Meteorologie“ der Freien Universität Berlin. Dessen erster Sprecher, Richard Scherhag, hatte das Meteorologische Institut ab 1949 aufgebaut und war seit den 1950er-Jahren für Wettervorhersagen und -warnungen in West-Berlin zuständig. Für den Begründer der Berliner Wetterkarte,1) einer leicht verständlichen, täglich erscheinenden Beschreibung der aktuellen Wetterlage, war das Einwerben eines Sonderforschungsbereichs eine große Ehre und Krönung seines Lebenswerks, wie sein Schüler Horst Malberg 2007 anlässlich des Gedenkkolloquiums zu Scherhags 100. Geburtstag betonte...
Lehre
Smarte Experimente
In den Vorlesungen zur Experimentalphysik lassen sich Smartphones sinnvoll einsetzen.
In den meisten Physikstudiengängen bildet die Vorlesung zur Experimentalphysik die zentrale Einführung. Dabei stellen Studierende jedoch schnell fest, dass das „Experiment“ im Titel der Veranstaltung lediglich Demonstrationsversuchen geschuldet ist, sie aber nicht selbst experimentieren dürfen. Da es unmöglich ist, alle Studierenden mit Messgeräten auszustatten, schauen sie den Vorführungen passiv zu und bekommen erst in den physikalischen Praktika die Möglichkeit, selbst Versuche durchzuführen. Die eigenständige Experimentiererfahrung wird losgelöst vom Vorlesungsstoff gesammelt.
Eine Alternative bietet das Einbinden Smartphone-basierter Experimente [1, 2] in den Vorlesungs- und Übungsablauf. Nahezu alle Studierenden bringen heute in Form ihrer Smartphones eigene Messgeräte mit, die über zahlreiche Sensoren verfügen, welche die Mechanik breit abdecken. Je nach Modell gibt es Helligkeits-, Magnetfeld-, Beschleunigungs- und Drehratensensoren, Mikrofone, GPS sowie Luftdrucksensoren. Mikrofon und Beschleunigungssensor sind in jedem Gerät vorhanden. Die Verfügbarkeit anderer Sensoren hängt vom Modell ab, reicht aber meist aus, um in Gruppenarbeit alle Studierenden zu erreichen.
Ausgehend von dieser Beobachtung bekamen die Studierenden im Bachelorstudiengang Physik an der RWTH Aachen im Wintersemester 2016/17 experimentelle Aufgaben, die mit Smartphones sowie haushaltsüblichen Materialien durchzuführen waren. Für die Erfassung und Verarbeitung der Daten hatten sie eine eigens dafür an der RWTH Aachen entwickelte App zur Verfügung: phyphox [3]. Die Aufgaben waren Teil der Übungsaufgaben, die gleichzeitig Zulassungsvoraussetzung für die Klausur waren. Die Studierenden konnten auf freiwilliger Basis klassische Aufgaben durch Smartphone-Experimente ersetzen...
Überblick
Frustriert in Bewegung
In elastischen Materialien erzeugen weiche Moden, die aus Verspannung und Frustration entstehen, Drehmomente und Bewegung.
Mechanische Verspannungen gibt es in vielen Systemen kondensierter Materie, bedingt durch Materialeigenschaften oder die Geometrie. Wenn dann durch den Bruch einer kontinuierlichen Symmetrie so genannte weiche Moden auftreten, können sich die Systeme aufgrund der Verspannung selbstständig bewegen oder als Motoren und Schalter agieren. In biologischen Systemen ist das Konzept bereits umgesetzt, beispielsweise beim flagellaren Haken von Bakterien.
Im Englischen sind „Bologneser Glastränen“ auch heute noch als Prince Rupert‘s Drops bekannt: Ruprecht von der Pfalz hatte die Glastropfen am Hof des englischen Königs Karls II. im 17. Jahrhundert vorgeführt (Abb. 1). Der laute Knall, mit dem sich der Tropfen nach einem schnellen Fingergriff in Staub auflöste, hat wohl auch den anwesenden Robert Hooke fasziniert: Er versuchte, das Verhalten der Glastränen zu erklären, die beim schnellen Abschrecken heißer Glaströpfchen in Öl oder Wasser entstehen. Ohne die Erkenntnisse der Elastizitätstheorie – die Hooke später inklusive des bekannten Hookeschen Gesetzes entwickeln sollte – oder das Wissen um die Struktur von Gläsern und die thermischen Effekte beim Abschrecken erkannte der Zeitgenosse und Konkurrent Sir Isaac Newtons, dass es sich bei dem Tropfen um ein intern zutiefst verspanntes Material handeln musste. Auch wenn die „Explosion“ des Tropfens bis heute nicht im Detail verstanden ist [1], wissen wir inzwischen um die fundamentale Bedeutung mechanischer Frustration und die damit einhergehenden Verspannungen in vielen Materialien und Systemen.
Physikalisch gesehen stellen Verspannungen interne Kräfte dar. Sie treten auf, sobald Materialeigenschaften mit Geometrie oder Topologie inkompatibel sind. Typischerweise entstehen sie während des Aufbaus eines Objekts (Infokasten Verspannte Materialien und Frustration). Etwas abstrakter kann man sich auch vorstellen, dass ein Körper mit nicht-euklidischer innerer Geometrie in den flachen Euklidischen Raum gezwängt wird [2]: Der Körper muss sich bestmöglich mit der flachen Metrik des umgebenden Raumes arrangieren. Die damit verbundene Frustration führt zu vielen interessanten Phänomenen. In einigen Fällen hält das Material der Frustration nicht stand und löst sich bei geringer Perturbation in Staub auf, wie die Bologneser Glastränen. Verspannungen können aber auch sehr nützlich sein. Klassische Beispiele sind der Spannbeton, bei dem eine Vorspannung des Stahlgerüsts die Bildung von Rissen und Deformationen des Betons stark reduziert, und das für Displays verwendete Gorilla-Glas, an dessen Oberfläche ein Ionenaustausch in der Schmelzphase eine Spannung erzeugt, die ebenfalls der Rissbildung entgegenwirkt. Auch in biologischen Systemen entstehen durch Wachstumsprozesse Strukturen, die intern verspannt sind. Diese Verspannungen sind für viele Lebensprozesse wichtig [3]...
Lokalisierung statt Thermalisierung
Das interessante Phänomen der Vielteilchenlokalisierung verhindert, dass quantenmechanische Vielteilchensysteme das thermodynamische Gleichgewicht erreichen können.
Unordnung in wechselwirkenden Quantensystemen bricht die Translationsinvarianz und zerstört somit Symmetrien. In der Beschreibung der klassischen Statistischen Mechanik ist dann chaotisches Verhalten zu erwarten. Erstaunlicherweise hat starke Unordnung in quantenmechanischen Vielteilchensystemen aber den gegenteiligen Effekt: Von einem Anfangszustand entfernt sich das System nur wenig. Selbst nach beliebig langer Zeit bleibt lokale und damit messbare Information über den Anfangszustand erhalten: Das System erreicht kein thermodynamisches Gleichgewicht.
Jeder hat sicher schon beobachtet, wie Eiswürfel in einer Flüssigkeit schmelzen und sich nach einiger Zeit ein Gleichgewichtszustand einstellt, der durch die Temperatur der Flüssigkeit charakterisiert ist (Abb. 1). Dieses dynamische Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichts nennt man Thermalisierung. Ludwig Boltzmann erkannte, dass dieses Gleichgewicht durch einen Zustand maximaler Entropie gegeben ist – unter Einhaltung vorliegender Randbedingungen. Dieser Zustand stellt sich durch dynamisches Chaos ein, bei dem kleinste Unterschiede in den Anfangsbedingungen zu komplett unterschiedlichen Endzuständen führen.
Doch kann es Thermalisierung auch in isolierten Quantensystemen geben? Diese Frage ist von großer Bedeutung für das grundlegende Verständnis der Thermodynamik von Quantensystemen in Abwesenheit eines Wärmebades sowie für die Erklärung von Experimenten mit ultrakalten Quantengasen [2]. Diese sind exzellent von der Umgebung isoliert und eignen sich aufgrund bedeutender Fortschritte in der experimentellen Kontrolle sehr gut, um theoretische Vorhersagen zu überprüfen...
Bildung - Beruf
„Wir sind alle Spielkinder.“
Seit Anfang 2017 ist der promovierte Physiker Jürgen Rink Chefredakteur bei der Computerzeitschrift c’t.
Nach der Promotion und einer mehrjährigen Postdoc-Phase beschloss Dr. Jürgen Rink (55), der Forschung den Rücken zu kehren: Mit 33 Jahren begann er ein Volontariat bei der c’t, die der Verlag Heise Medien in Hannover herausgibt.
Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?
Während meiner Postdoc-Zeit in England bekam ich die Möglichkeit, für eine populärwissenschaftliche Zeitschrift zu schreiben. Das hat mir viel mehr Spaß gemacht, als aktiv zu forschen. Ich habe dann noch ein Jahr in Marseille gearbeitet und mich zurück in Deutschland intensiv um den Einstieg in den Fachjournalismus bemüht.
… und sind beim Heise Verlag in Hannover gelandet.
Richtig, dort habe ich 1996 ein Volontariat bei der c’t begonnen. Das erste halbe Jahr hat mich mehr gefordert als das gesamte Studium. Für mich war unbegreiflich, wie man innerhalb eines Monats ein Gerät testen und darüber schreiben kann. Mein Zeithorizont für ein Experiment betrug eher drei Jahre...
Geschichte
Theorie zwischen Klassik und Moderne
Arnold Sommerfelds Einfluss auf die theoretische Physik reicht bis heute.
Der 150. Geburtstag von Arnold Sommerfeld ist nicht nur Anlass, einen wichtigen Physiker der Vergangenheit zu würdigen. Viele seiner zentralen Arbeiten zeigen eine erstaunliche Aktualität und haben sogar Bedeutung für die Suche nach Dunkler Materie.
Als Arnold Sommerfeld am 5. Dezember 1868 geboren wurde, waren die Maxwell-Gleichungen gerade drei Jahre alt. Die Versuche, mit denen Heinrich Hertz elektromagnetische Wellen nachweisen sollte, lagen noch zwanzig Jahre in der Zukunft. Im Rückblick bezeichnen wir dies als die Ära der klassischen Physik. Im Jahr 1951, in dem Sommerfeld am 26. April starb, befinden wir uns bereits im Zeitalter der modernen Physik, in dem die Theoretiker mit Feynman-Diagrammen und die Experimentalphysiker mit immer neuen Entdeckungen von Elementarteilchen für Aufsehen sorgten.
Am Beginn von Sommerfelds akademischer Karriere war von diesem Umbruch in der Physik noch nichts zu spüren. Während seines Studiums in Königsberg hatte er die Physik als nicht besonders aufregend erlebt, sodass sein Interesse zunächst mehr der Mathematik galt. Auch nach seinem Wechsel an die Universität Göttingen, wo er Assistent des Mathematikers Felix Klein wurde, wuchs ihm die Physik nicht sofort ans Herz. Bei Sommerfelds frühen Arbeiten der 1890er-Jahre stand die Mathematik immer im Vordergrund, selbst wenn er sich damit auf das Gebiet der Physik begab. In seiner Habilitationsschrift behandelte er die Beugung elektromagnetischer Wellen als Randwertproblem – ohne Rückgriff auf das in der Optik benutzte Huygenssche Prinzip, das der Beugungstheorie von Kirchhoff zugrunde lag. Er halte das für „Humbug und Redensarten“, schrieb Sommerfeld an seine Mutter, „was dieser mathematisch grundlichste unter den Physikern in der Optik gemacht hat. Aber das kann ich doch nicht in der Arbeit ohne Weiteres sagen.“ ([1], S. 83)...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
Sabine Hossenfelder: Das hässliche Universum – Warum unsere Suche nach Schönheit die Physik in die Sackgasse führt
DPG
Dresdner Industriegespräche
Im November finden die ersten zwei Industriegespräche in Dresden statt.
Physik trifft Musik oder Musik trifft Physik?
Ein Wochenendseminar der jungen DPG beleuchtete das Wechselspiel zwischen Physik und Musik.
Die Zukunft macht mobil
Elektromobilität, Wasserstoff, Hyperloop – wohin geht die Reise? Oder besser: mit welchem Fahrzeug?
Physik über die Grenzen des Klassenraums hinaus
An der diesjährigenSchülertagung der jDPG nahmen 35 Schülerinnen und Schüler teil.
Gut vernetzt im Süden
Anfang Juli fand das siebte jDPG-Vernetzungstreffen Süd in München statt.