18.09.2003

Conceptual Developments of 20th Century Field Theories

Tian Yu Cao

Conceptual Developments of 20th Century Field Theories

Von Tian Yu Cao.
Cambridge University Press, Cambridge 1998. XX + 434 S., paperback,
ISBN 0-521-63420-2

Der Autor, ein Philosoph an der Boston University, stellt sich eine sehr ehrgeizige Aufgabe: die Entwicklung der Feldtheorien von Maxwells klassischer Elektrodynamik bis zu den quantisierten Eichtheorien des Standardmodells der Elementarteilchen philosophisch aufzuarbeiten und daraus wissenschaftstheoretische Lehren zu ziehen. Der Standpunkt des Autors hebt sich wohltuend von dem in den sogenannten science studies grassierenden Relativismus ab, der letztendlich jeden Fortschritt der Naturerkenntnis leugnet. Man muß den Fleiß bewundern, mit dem der Autor tief in technisch-mathematische Details einsteigt. Die Frage ist nur, wer das lesen kann und soll. Für das allgemeine Publikum ist das Buch kaum verständlich, da es den Leser mit Begriffen und Formeln aus der theoretischen Physik konfrontiert, ohne sie hinreichend zu erklären. Man muß im Grunde ein theoretischer Physiker sein, um dem Buch folgen zu können.

Ein Physiker wird aber beim Lesen auf technische Details achten und stößt dann auf Aussagen wie die, ein Operator mit reellen Eigenwerten sei hermitesch, oder bei dimensionaler Renormierung sei die Impulsintegration nach dem Grenzwert d→4 durchzuführen. Oder es heißt "renormalization blurs any point-like character". Auch begriffliche Unschärfen wie die Vermengung von Nambu-Goldstone- und Higgs-Mechanismus oder Eichtransformationen 1. und 2. Art stören. Generell scheint der Autor fälschlich Quantisierung mit Diskretheit zu identifizieren; die wirklichen begrifflichen Schwierigkeiten "quantisierter Geometrie" scheinen ihm nicht bewußt zu sein. Bedauerlich ist auch, daß wichtige Dinge überhaupt nicht angesprochen werden. In einem so philosophisch orientierten Buch sollte z.B. eine Diskussion des Reeh-Schlieder-Theorems nicht fehlen, das zeigt, wie problematisch und mysteriös die Lokalisierung relativistischer Quantenfelder ist. Die Diskussion der Renormierung beschränkt sich leider fast ausschließlich auf die Störungs theorie; nichtperturbative Zugänge wie die Gitterfeldtheorie oder die konstruktive Quantenfeldtheorie, die zumindest konzeptionell sehr viel klarer sind, werden nicht behandelt.

Trotz dieser Einschränkungen kann ein Feldtheoretiker dieses Buch mit Gewinn lesen. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an, wie der erstaunliche empirische Erfolg der Quantenfeldtheorie angesichts ihrer konzeptionell so verschlungenen und widersprüchlichen Geschichte zu erklären ist.
Dr. Erhard Seiler, MPI für Physik, München

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