25.03.2009

Der Quantenkosmos

Kiefer, C.

''Lässt sich das Universum begreifen?'' - mit dieser grundlegenden Frage beginnt Claus Kiefer, Professor für Theoretische Physik in Köln, seinen klar geschriebenen und verständlichen Bericht über die Suche nach der Quantentheorie von Raum, Zeit und Materie. Von der universellen Gültigkeit der Quantentheorie ausgehend, lässt sich das Universum als „Quantenkosmos“ begreifen, letztlich aber nur im Rahmen einer Quantengravitationstheorie. So lautet die Hauptthese des Buches.
Die unentbehrlichen Kapitel über Relativitätstheorie und Quantentheorie verkommen bei Kiefer nicht zu bloßen Pflichtübungen, sondern sind auf die These des Buches zugeschnitten, insbesondere durch die Abschnitte über Raumkrümmung, Parallelver-schiebung und Zusammenhang. Natürlich finden sich (in allen Kapiteln) auch die „üblichen“ Informationen. So erhält man ein immer tieferes Verständnis von Schwarzen Löchern.
Im Mittelpunkt der Ausführungen steht das zentrale Problem der Entstehung einer klassischen Welt aus einer reinen Quanten-welt. Die (für alle praktischen Zwecke?) ausreichende Lösung findet der Autor in der „Dekohärenz“: Global bleibt die Wellenfunk-tion immer bestehen, jedoch sind lokal keine Quantenkohärenzen mehr feststellbar, da sie in die Umgebung „ausgewandert“ sind. Die Welt erscheint lokal klassisch. Ein echter „Kollaps“ der Wellenfunktion findet nicht statt, sodass es immer viele Versionen des gleichen lokalen Beobachters gibt. Kiefer entscheidet sich also für eine Viele-Welten-Interpretation plus Dekohärenz.
Nach Kapiteln über Entropie und Kosmologie behandelt er Quantengravitation und Quantenkosmologie, insbesondere die Schleifentheorie (Looptheorie), die Stringtheorie und Kiefers Spezialgebiet, die kanonische Quantengravitation. Diese versucht wie die Looptheorie in erster Linie die Raum-Zeit zu quantisieren. Als Ergebnis erhalten wir eine zeitlose Abfolge von überlagerten Räumen, die statische Wellenfunktion des Universums. Mittels Dekohärenz (Freiheitsgrade spielen die Rolle der „Umgebung“) und einer Näherungsmethode soll nun unser Universum herausgerechnet werden. Dies gelingt durch eine starke Vereinfachung des Modells und durch die Auszeichnung der Größe der Modelluniversen als einer inneren Zeitvariablen, sodass schließlich eine klassische Zeit und ein klassischer Zustand erreicht werden können. Zeit und Zeitrichtung (Irreversibilität) werden durch das expandierende Universum definiert.
Wir erhalten folgendes Bild: Der theoretische Blick von Nirgendwo erschließt einen zeitlosen, aber räumlich strukturierten Quantenkosmos, während der immergleiche lokale Beobachter, dessen Existenz ein Geheimnis bleiben muss, die Illusion einer klassischen Welt hat. Hier stellt sich natürlich sehr scharf das Problem der Objektivität von klassischen Zuständen.
Das Buch gibt einen sehr klaren Abriss des Standes der Fundamentalphysik, geschrieben von einem international renommier-ten Forscher, wobei der Autor sehr genau zwischen haltloser sowie sinnvoller Spekulation und natürlich physikalisch gedeckten Theorien unterscheidet. Es wird deutlich, was wir wirklich wissen und was nicht. Ich kann das Buch Physikern und Laien nur dringend empfehlen.
Priv.-Doz. Dr. Peter Eisenhardt, Fachbereich Physik, Universität Frankfurt/M

C. Kiefer: Der Quantenkosmos
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2008, 352 S., geb.
ISBN 9783100395061

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