Die göttliche Formel. Von der Ausdehnung des Universums
Aczel
Die göttliche Formel. Von der Ausdehnung des Universums
Von A. D. Aczel. Rowohlt, Reinbek 2002. 256 S., Paperback, E 9,90. ISBN 3-499-60935-5 (bestellen)
Wie zahlreichen anderen, in den letzten Jahren erschienenen Sachbüchern kommt auch diesem das Verdienst zu, die Physik der Gravitation physikalischen Laien verständlich und gut lesbar näher zu bringen. Erzählerisch locker geschrieben gibt Aczel die Geschichte der Einsteinschen Feldgleichungen wieder, die er als "göttliche Formel" gleichwohl etwas überzeichnet. Insgesamt reicht der historische Abriss von der Entstehung und experimentellen Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie über deren kosmologische Implikationen bis ins Jahr 1998, als erste Daten über die Beschleunigung der Expansion des Universums eintrafen. Physikalisch Interessierte wird dieses Buch fesseln und - so ist zu hoffen - zum Griff nach einem fachlich tiefgehenderen Physik- oder Astronomiebuch motivieren.
Über diese gut geschriebene Darstellung hinaus erhebt Aczel jedoch auch den Anspruch, eigene physikhistorische Untersuchungen des Verhältnisses zwischen Einstein und Erwin Finlay Freundlich vorzustellen, der als einer der ersten deutschen Astronomen die Lichtablenkung im Gravitationsfeld massereicher Körper nachzuweisen versuchte und die Allgemeine Relativitätstheorie bereits zu einem Zeitpunkt aufgriff, als diese noch nicht vollständig ausformuliert war und von anderen Wissenschaftlern ignoriert wurde. Es zeige sich, so Aczel, ein Bild Einsteins, der "nicht nur extrem ehrgeizig war, sondern auch bereit, Menschen zu benutzen, um seine Ziele zu erreichen, und sie rasch wieder fal len zu lassen, wenn sie keinen Wert mehr für ihn hatten." Zur Begründung dieser Haltung zitiert Aczel Briefe, die sich im deutschen Original harmlos lesen und den typisch legeren Stil Einsteins zeigen. Aus diesen auf einen "herablassenden und kaltschnäuzigen" Einstein zu schließen, erscheint mehr als verwegen und kann wohl nur ein Artefakt sinnfremder Übersetzung sein. Völlig ausgeblendet wird in Aczels Darstellung der oft recht problematische Umgang Freundlichs mit seinen Zeitgenossen, der zu zahlreichen Zerwürfnissen führte.
Abgesehen von der oben beschriebenen groben Fehlinterpretation leidet das Buch an den üblichen Kinderkrankheiten, wie sie durch physikalisch unbedarfte Lektoren und Übersetzer zwangsläufig verursacht werden. So wird die Invarianz physikalischer Größen durch folgendes Beispiel erläutert: "Man braucht zwei Stunden, um eine Entfernung von 70 Kilometern zurückzulegen, wenn man mit 140 Stundenkilometern fährt." Die durch das Buch angesprochene Zielgruppe wird auch wenig mit einigen eingestreuten Gleichungen anzufangen wissen, die für Laien quasi vom Himmel fallen. Insbesondere gilt dies natürlich dann, wenn bei deren Interpretation simple Umformungen falsch durchgeführt werden. Auch populärwissenschaftlichen Verlagen ist also dringend die Einstellung von Physikdidaktikern anzuraten.
Dipl.-Phys.Martin Erik Horn, Institut für Physik, Universität Potsdam