Die Star Trek Physik
M. Tolan: Die Star Trek Physik, Piper 2016, 352 S., geb., 20 €, ISBN 9783492056533
Metin Tolan
Als ich 1978 erstmals die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise und seiner Besatzung verfolgte, faszinierte mich neben den Wortscharmützeln von Schiffsarzt „Pille“ McCoy mit dem vulkanischen Wissenschaftsoffizier Spock besonders das herrlich unverständliche Technik-Gebrabbel. Damals ahnte ich noch nicht, dass mehr dahinter stecken könnte. Umso besser, dass Physiker und Physik-Popularisator Metin Tolan nach Fußball, James Bond und Titanic nun endlich seiner vermutlich ältesten Passion ein Buch widmet: dem Star Trek-Universum. Das expandiert auch nach einem halben Jahrhundert munter weiter, und so ist Tolan natürlich nicht der erste, der die Abenteuer der Enterprise und ihrer Nachfolger auf den wissenschaftlichen Gehalt hin abklopft. Pionier auf diesem Gebiet ist der amerikanische Kosmologe Lawrence Krauss, der sich bereits 1995 in seinem Buch „Die Physik von Star Trek“ mit der Möglichkeit von Warp-Antrieb, Beamen oder außerirdischen Zivilisationen befasste. 1998 legte Andrew Bormanis, der wissenschaftliche Berater der Star Trek-Serien „Voyager“ und „Deep Space Nine“ sogar ein offizielles Buch über die Wissenschaft aus allen Phasen der Weltraum-Saga vor.
Doch Tolan setzt sich betont von diesen Werken ab, mit dem Anspruch, vieles „deutlich ambitio-nierter und an vielen Stellen auch quantitativer zu machen“. Um es kurz zu machen: Das gelingt ihm und macht den besonderen Reiz seines Buches aus. Er erklärt und berechnet beispielsweise, welche Schubkraft Spocks Raketenstiefel entfalten, wie die genauen Zahlenwerte der Warp-Skala lauten oder wie es um Datas intellektuelle Kapazitäten bestellt ist. Zudem setzt er eigene Akzente, etwa wenn er sich mit geradezu detektivischer Finesse der „Schwelle des H2-Moleküls“ zuwendet. Übrigens liefert Tolan in der Einleitung einen kenntnisreichen Überblick über das Medienphänomen Star Trek und dessen viele Inkarnationen.
Die Buchaufmachung ist attraktiv und originell, etwa die „Warpdrive-Optik“ des Einbands oder die „Icons“ am Seitenrand. Wenn mich etwas gestört hat, sind es die allzu vielen Fußnoten. Die bieten zwar fast immer interessante Ergänzungen oder Anlass zum Schmunzeln, wären aber vielfach in einem Glossar oder auch im Haupttext besser aufgehoben. Ein Literaturverzeichnis hätte die Fußnoten weiter reduziert. Die Idee, den einzelnen Abschnitten „Details für Besserwisser“ folgen zu lassen, finde ich dagegen prima. Auf diese Weise lässt sich gewissermaßen zwischen Kirk- und Spock-Niveau wählen. Dass Tolan längere Dialogauszüge als Aufhänger für seine Erklärungen nimmt, statt einfach nur von den Wortschöpfungen wie „Warp-Antrieb“ oder „Beamen“ auszugehen, ist dabei von Vorteil. Auf diese Weise kann er subtiler argumentieren. Das alles macht Tolans Buch zum perfekten Lesefutter für Nerds mit Anspruch. Meine Faszination für die technischen Fachsimpeleien bei Star Trek ist jedenfalls neu entflammt. Energie!
Alexander Pawlak