Fritz Haber 1868-1934. Eine Biographie
Szöllösi-Janse
Fritz Haber 1868-1934. Eine Biographie.
Von M. Szöllösi-Janse.
C. H. Beck, München 1998. 928 S., 20 Abb., Leinen,
ISBN 3-406-43548-3
Daß die Wissenschaft im Frieden der Menschheit, im Kriege jedoch dem Vaterlande zu dienen habe, war zu Beginn unseres Jahrhunderts eine von der überwiegendenMehrzahl der Naturwissenschaftler geteilte Maxime - jedenfalls im wilhelminischen Deutschland. Fritz Haber - Gegenstand der vorliegenden Biographie - glaubte daran und handelte danach. Haber, der aus Breslau stammte, in Berlin, Heidelberg und wieder Berlin Chemie studierte und danach zum führenden Physikochemiker auf einem deutschen Lehrstuhl avancierte, entwickelte zu Beginn des Jahrhunderts nicht nur ein Verfahren zur Synthese des Ammoniaks aus den Elementen (Haber-Bosch-Verfahren), das Deutschland von den Importen von Chilesalpeter unabhängig und damit ernährungswissenschaftlich autark machte ("Brot aus Luft"), sondern verfolgte während des Ersten Weltkrieges mit ebengleicher Energie Verfahren, die Ammoniaksynthese für rüstungstech nische Zwecke (Sprengstoffproduktion) umzufunktionieren. Noch weiter verstrickte sich Haber mit den unter seiner Leitung am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie entwickelten Verfahren zur Produktion chemischer Kampfstoffe, die umgehend eingesetzt wurden, um den Stellungskrieg im Westen zugunsten der kaiser lichen Heere aufzulockern. Nobelpreisträger für "Brot aus Luft" und "Vater des Gaskriegs" - die Janusgesichtigkeit der modernen Naturwissenschaft hat sich in kaum einer anderen Forschungspersönlichkeit des zwanzigsten Jahrhunderts so klar abgebildet wie in der Person Fritz Habers. Daß ihn, den Preußischen Geheimrat, deutschen Patrioten und liberalen Juden die zahlreichen, aus patriotischer Überzeugung gewachsenen Verdienste um das Vaterland gegen nationalsozialistische Verfolgung nicht zu schützen vermochten, hat ihn letztlich persönlich gebrochen und seinem Leben eine zusätzliche Tragik verliehen.
Eine umfassende Darstellung dieser facettenreichen und für die Wissenschaftsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts so bedeutenden Vita hat jetzt Margit Szöllösi-Janse vorgelegt. Der Verfasserin, Privatdozentin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität München, ist es in bewundernswerter Weise gelungen, nicht allein die wissenschaftliche Karriere Habers, seine Erfolge und gelegentlichen Irrtümer, zu schildern, sondern darüber hinaus, und dort lag wohl auch der Schwerpunkt ihres historischen Erkenntnis interesses, die gesellschaftliche Rolle Habers als eines durchweg "modernen" Wissenschaftlers herauszuarbeiten: Haber verstand es wie kaum ein zweiter, seine persönlichen Verbindungen zu führenden Figuren in Wirtschaft, Staat und Militär für die Durchsetzung seiner wissenschaftlichen wie forschungspolitischen Ziele zu nutzen. Haber war damit nicht nur in der traditionellen Rolle des Forschers, sondern vielmehr auch in den diesem im zwanzigsten Jahrhundert zuwachsenden Funktionen des Initiators, Mediators, Organisators und Politikers tätig. Die auf umfassendster Auswertung aller verfügbaren Quellen basierende Darstellung ist damit nicht nur ein bedeutender, ja beispielhafter Beitrag zur wissenschaftshistorischen Biographik, die gerade ihre Renaissance erlebt, sondern darüber hinaus eine höchst lesenswerte Darstellung über die Anfänge, Grundlagen, Risiken und Verstrickungen des modernen Wissenschaftsbetriebes.
Priv.-Doz. Dr. Burghard Weiss, Institut für Medizin und Wissenschaftsgeschichte, Medizinische Universität Lübeck
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