18.09.2003

Fusionsfieber

Kreysa

Fusionsfieber

Von G. Kreysa.
WILEY-VCH, Weinheim 1998. X + 181 S., Broschur, DM 38,-.
ISBN 3-527-29627-1

März 1989: Fleischmann und Pons verkünden über die Presse die sensationelle Entdeckung der "Kalten Kernfusion" bei der elektrochemischen Einlagerung von Wasserstoff in Palladiumelektroden, verknüpft mit ungewöhnlicher Freigabe von Wärme (1 Watt rein, 4 Watt raus) und Gammastrahlen (anfangs bei 2,5MeV, später auf 2,2MeV verschoben) und Neutronendefizit ("yes, we have no neutrons"). Kreysa hat nun einen flüssig lesbaren Roman über die Folgen dieser wissenschaftlichen Hochstapelei nach dem Vorbild der "Science in Fiction" Romane von Djerassi geschrieben, in dem er die Sensa tionsberichte und die Verifizierungsversuche aus der Sicht der handelnden Personen wieder lebendig werden läßt. Hinter der rätselhaften Unprofessionalität von Fleischmann, der im Roman Rosenstock heißt, wird der Jux eines alternden Elektrochemikers vermutet. Im Verlauf der Handlung kommt die wissenschaftliche Verifizierungsmaschinerie auf Touren, die Sensation wird allmählich zerpflückt, der wissenschaftliche Selbstreinigungsprozeß funktioniert, das Fieber klingt am Schluß wieder ab, genauso wie damals der Palladiummarktpreis. Der Leser lernt das Alltagsleben der Wissenschaftler kennen, die mit einer Sensationsmeldung konfrontiert sind. Hochachtung mischt sich mit Konkurrenzneid, Mißtrauen kommt auf, unerwünschte Kritiker werden vom Tagungsprogramm ferngehalten. Die Soziologie der Wissenschaft wird sichtbar: internationale Vernetzung, Wissenschaftsjournalismus, Pa tentwesen, Intrigen, Wissenschaftspolitik, Urlaub. Kreysa liebt Millisekunden als Zeiteinheit, belehrt uns über Volta, Galvani, Böttger und Tschirnhaus (ein Anklang an seine Geburtstadt Dresden) und wirft der Großforschung Mangel an Flexibilität vor. In Wirklichkeit haben die großen Forschungszentren in aller Welt die Fleischmann-Pons-Behauptungen schnellstens als unreproduzierbar entlarvt, schon um ihre Fusionsetats nicht abstürzen zu lassen.

Der Leser lernt leider nicht, weshalb die "Claims" wissenschaftlich dubios waren. Ein Glossar hätte gutgetan. In Kreysas Vorwort wird der Roman jungen Menschen als Vermittler der Spielregeln im Wissenschaftsgeschäft empfohlen. Kalte Fusion à la Fleischmann und Pons ist aber nur ein Beispiel für pathologische Wissenschaft, die wie eine Art Religion von "alternativen Wissenschaftlern" betrieben und auch von Ideologen in der Politik benutzt wird. Der Vertrauensverlust, den unser Wissenschaftsystem in der Öffentlichkeit dadurch erleidet, wird in diesem Roman nicht angesprochen.
Prof. Dr. Helmut Wenzl, Institut für Festkörperphysik, Forschungszentrum Jülich

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