Gehirn und Verhalten Unser Kopf arbeitet anders als wir denken
Haken, Haken-Krell
Von H. Haken u. M. Haken-Krell.
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1997. 286 S., 118 Abb., Gebunden,
ISBN 3-421-02774-9
In der Hirnforschung ist das Verständnis der Prozesse, die Verhalten und menschliches Erleben steuern, abhängig vom Einsatz unterschiedlicher Methoden wie sie innerhalb der Molekularbiologie und der Psychologie existieren. Mit jeder Methode wird ein Ausschnitt des Untersuchungs gegenstandes gewählt, der allein nicht hinreichend zur Erklärung der Phänomene ist. Und so muß man die von Hermann Haken begründete Synergetik als ein Modell, eine weitere, spannende Perspektive für die Aufklärung von naturwissenschaftlichen Phänomenen ansehen, die sich fach übergreifend mit der Selbstorganisation in Systemen beschäftigt. Es ist faszinierend, über Gesetzmäßigkeiten in Musterbildungsvorgängen zu erfahren, die sich in der Wolkenbildung, in den Streifen von tropischen Fischen und in Prozessen der menschlichen Wahrnehmung und Motorik wiederfinden lassen.
Aber man muß sich vergegenwärtigen, daß die Synergetik nur eine Methode der Hirnforschung ist, die speziell geordnete neuronale Aktivität auf makroskopischem Niveau identifiziert. Beim Leser des Buches allerdings wird bewußt der Eindruck erweckt, es handle sich um eine eigene Wissenschaft, die umfassend veraltete, unbrauchbare Konzepte abgelöst habe. So wird gleich zu Beginn des Buches eine Dichotomie aufgestellt, die die Synergetik abhebt von dem Überkommenen, das bezeichnet wird als "das traditionelle experimentelle und theoretische Studium von Gehirnfunktionen". Diese Dichotomie wird dabei in einem Vergleich der Auslegungen der Gehirnfunktionen veranschaulicht. So würde "traditionellerweise" die Forschung Funktionen streng als lokalisatorisch - also an einen eng umschriebenen Ort - gebunden postulieren, die Synergetik hingegen als netzwerkartig verteilte Informationsverarbeitung. Diese Darstellung ist falsch. Es ist heute allgemeines Wissen in den systemischen Neurowissenschaften, auch bei Forschern, die nicht in synergetischer Modellbildung bewandert sind, daß etwa eine so simple Aufgabe wie das gleichmäßige Bewegen eines Fingers oder auch so kompliziertes Funktionieren wie beim Sprechen von dem Zusammenspiel über das gesamte Gehirn verteilter Funktionsareale abhängig ist.
Bei allem Bemühen der Autoren, die Idee der Synergetik anschaulich darzustellen - was wirklich gelungen ist -, hat aber am Ende der Lektüre der Eindruck Bestand, daß die implizite Vorgabe des Buchtitels "Gehirn und Verhalten. Unser Kopf arbeitet anders, als wir denken", umfassend über die Funktionsweise des Gehirns zu informieren, letztendlich nicht eingelöst worden ist. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, daß der Untersuchungsgegenstand, bei allem sonst vermittelten Grundwissen über den Aufbau der Gehirnzelle oder der Methoden der Erfassung von Gehirnaktivität, überwiegend aus nur einer einzigen Perspektive - der Synergetik - behandelt wurde.
M. Wittmann, München
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