18.09.2003

Grundzüge der Thermodynamik

Müller

Grundzüge der Thermodynamik


Von I. Müller.
Springer, Heidelberg 1994. XV + 367 S., 164 Abb., Brosch.,
ISBN 3-540-58158-8

Dieses Lehrbuch, aus Vorlesungen des Autors für Studenten der Ingenieurwissenschaften, der Chemie und der Physik entstanden, behandelt die phänomenologische Thermodynamik unter besonderer Berücksichtigung von Anwendungen und historischen Bemerkungen. Es stellt sich die Frage, inwiefern es für Physikstudenten mit dem Studienziel Diplom geeignet ist.

Auf keinen Fall kann ich das Buch als begleitendes Lehrbuch zu einer Theorievorlesung über "Thermodynamik und Statistik" im Rahmen eines konventionellen Studienplans empfehlen. Die übliche formale Terminologie wird nicht entwickelt, kein Wort über Differentialformen, und auch solche fundamentalen Konzepte wie Maxwell-Relationen, thermodynamische Stabilität oder Legendre-Transformationen sucht man vergebens. Der zweite Hauptsatz wird nur kurz mit Worten eingeführt. Ohne auf die prinzipiellen theoretischen Implikationen einzugehen, folgt direkt danach eine Reihe von Anwendungen. Auf Seite 214 wird betont, daß das chemische Potential im Prinzip meßbar ist, und danach folgt ein ganzes Kapitel über die grundsätzliche Meßbarkeit des chemischen Potentials. Dadurch entsteht der falsche Eindruck, der absolute Wert des chemischen Potentials besitze eine wirkliche Bedeutung. Erst im kleingedruckten am Ende des Kapitels wird klar, daß alles nur bis auf eine additive Konstante gilt. Die Bedeutung dieser Konstante wird aber nicht diskutiert.

Von daher ist das Buch keine Alternative zu der bisherigen Lehrbuchliteratur der phänomenologischen Thermodynamik (wie zum Beispiel zum Buch von H. B. Callen). Positiv hervorzuheben sind andererseits die folgenden Punkte:

1) Im Gegensatz zu einer üblichen Thermodynamikvorlesung, kommt die Dynamik nicht zu kurz. Mit Hilfe der Bilanzgleichungen werden auch Nichtgleichgewichtsphänomene wie Wärmeleitungsgleichung und die Navier-Stokes-Gleichung kurz besprochen.
2) Die Anwendungsbeispiele (Sauna, Wolkenuntergrenze, Gele etc.) sind originell und instruktiv.
3) Die interessanten und humorvoll dargestellten historischen Anmerkungen lockern die Lektüre auf.

Nur dem Physikstudenten, der sich für diese im Rahmen des Physikstudiums eher untergeordneten Fragen interessiert, kann ich also das Buch empfehlen. Wegen der stark zurückgreifenden und mit Indices überladenen Notation kostet es allerdings viel Zeit, wenn man nur eine einzige Anwendung nachlesen möchte. Das Buch mag für Studenten der Ingenieurwissenschaften als vorlesungsbegleitende Lektüre geeignet sein. Dem Physikstudenten kann ich es aber nur als ergänzende Literatur empfehlen.

H. Löwen, München

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