26.04.2005

Theoretical Concepts in Physics

Longair

Theoretical Concepts in Physics

Die zweite Auflage des Buches von Malcolm Longair#) eignet sich sehr gut als Einführung und Ergänzung im Physik-Studium (5. - 6. Semester) und kann fortgeschritteneren Studierenden besonders im Hinblick auf die Astrophysik empfohlen werden. Dem Autor gebührt Anerkennung dafür, dass er zahlreiche historische Highlights erläutert, etwa den Ursprung von Newtons Gravitationsgesetz oder der Maxwell-Gleichungen, die Entstehung des Quantenkonzepts und anderes mehr. Das hebt das Buch vorteilhaft von ­vielen anderen vergleichbarer Art ab.

Das Buch vermittelt Studierenden ein Gefühl dafür, wie theoretische und experimentelle Physik zusammenwirken, und liefert tiefe Einsichten in die traditionelle Modellbildung. Der Hauptvorteil ist dabei, dass das Material nicht in einer lehrbuchmäßig geglätteten Form präsentiert wird, sondern eher im Kontext seiner historischen Entstehung. Tatsächlich sind physikalische Theorien ein Produkt jahrelangen Nachdenkens und Verbesserns und nicht etwa nur spontane Eingebungen ihrer Schöpfer. Eine allzu perfekte Darstellung einer Theorie, in der die Formeln und Theoreme zwangsläufig aufeinander folgen, ist oft allzu künstlich, trocken und für Anfänger entmutigend. Longairs Buch hilft den Studierenden, an sich selbst zu glauben, indem es zu einer eigenen Herangehensweise ermutigt, und fördert so die Kreativität.

¿Theoretical Concepts in Physics¿ behandelt überlegt und präzise die Verbindung zwischen Theorie und Experiment, den angemessenen mathematischen Apparat, den theoretischen Hintergrund für andere Teile der modernen Physik und die Bedeutung von Näherungen und Modellen.

Die historischen Hintergründe, sehr gut vom Autor dargestellt, lehren uns, wie sich echte Physiker den Problemen nähern und diese lösen. Ein gutes Beispiel ist die Geschichte, wie G. I. Taylor nur anhand einer militärischen Filmaufnahme die Schockfront einer Kernexplosion analysierte und damit auf die (damals noch geheim gehaltene) Explosionsstärke schließen konnte (S. 169¿170).

Ich war angenehm überrascht, im Buch auch die sog. Skalengesetze zu finden, die bestimmte Regelmäßigkeiten in nicht-linearen Systemen enthüllen. Ein charakteristisches Beispiel ist das Guttenberg-Richter-Gesetz, welches die Wahrscheinlichkeit für ein Erdbeben abhängig von der Stärke auf der Richter-Skala beschreibt. Schon dieses Beispiel demonstriert die Originalität dieses Buches. Es sollte auch erwähnt werden, dass der letzte Teil des Buches über Allgemeine Relativitätstheorie und Kosmologie hilfreich für junge Astrophysiker sein wird.

Natürlich behandelt Longair nicht alle Errungenschaften der modernen Physik. Viele Leser dürften zunächst etwas enttäuscht sein, weder die moderne Festkörpertheorie noch das Phänomen der Supraleitung im Buch zu finden. Aber das lässt sich begründen: Bereits eine knappe Darstellung aller großen Entwicklungen der Physik des 20. Jahrhunderts würde mehrere Bände erfordern. Und so bin ich mit der Stoffauswahl des Autors voll zufrieden, da sie die repräsentativste für die Konzepte der modernen Physik darstellt.

Nach der Lektüre kann ich sagen, dass der Stoff originell präsentiert wird und Themen oft aus einem unerwarteten Blickwinkel beleuchtet werden. Zum Abschluss möchte ich noch den Autor zitieren: ¿In these great works (Maxwell, Rayleigh, Einstein) I find a clarity of thought and exposition, which results from a clear understanding of the relation between our physical world and mathematics we need to describe it.¿ Diese tief empfundene Würdigung der Grundgesetze der Physik ist das Sprungbrett für neue Einsichten und Entdeckungen.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Walter Greiner, Institut für Theoretische Physik und Frankfurt Institute for Advanced Studies, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Weitere Infos:

M. S. Longair:
Theoretical Concepts in Physics
An Alternative View of Theoretical Reasoning in Physics
Cambridge University Press, 2. Aufl. Cambridge 2003, 588 S., Paperback,
ISBN 052152878X

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