27.08.2024

Welt – Erde – Globus

Robert Stockhammer: Welt – Erde – Globus.
Zur Philologie der Erdliteratur, Konstanz University Press, Konstanz 2023, 224 S., geb., 24 Euro, ISBN 9783835391581
Im Schuber mit zahlreichen Beigaben: Erdliteratur. Zur kritischen Be­obachtung von ­Weltkonstruktionen, 578 S., 68 Euro, ISBN 9783835391673

Robert Stockhammer

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Die Physik kennt die Suche nach der Weltformel, doch welche „Welt“ wird damit eigentlich mathematisch auf den Punkt gebracht? Wer das nicht nur für eine linguistische Spitzfindigkeit hält, dem empfehle ich die Lektüre dieses ungewöhnlichen Buches des Literaturwissenschaftlers Robert Stockhammer, Professor am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der LMU München.

Er untersucht darin in aller Ausführlichkeit die Bedeutungsdimensionen und die Tragweite des Wortes „Welt“ und dessen Verhältnis zu den Begriffen bzw. Objekten „Erde“ und „Globus“. Auf diese Weise nimmt er die vielfältigen Perspektiven, die Texte, Bilder und geographische Medien bieten, in den Blick. Der Anspruch des Autors ist dabei, „dem ebenso verführungsmächtigen wie unvermeidbaren Wort Welt seine Selbstverständlichkeit“ zu nehmen.

Herausgekommen ist eine ebenso anspruchsvolle wie anregende Analyse, die mit David Bowies Song „Space Oddity“ und den ersten Bildern der ganzen Erde, die aus dem Weltraum aufgenommen wurden, beginnt. Die Geschichte und das komplexe Bedeutungsgeflecht des Wortes „Welt“ diskutiert Stockhammer ausgehend von den viel­fältigen Bedeutungs­varianten, wie sie in der Ausgabe des Deutschen Wörterbuchs von 1954 aufge­listet werden. Diese Liste bietet eine Art Koordinaten­system für seine Argumentationen.

Stockhammer wirft zwangsläufig auch einen kritischen Blick auf naturwissen­schaftliche Termino­logien, auf die er etwa in einer längeren Fußnote verweist (S. 49) oder die in den Blick kommen, wenn es etwa um den Begriff des Anthropozäns geht. Dabei drängt sich unweigerlich die Frage auf, was eigentlich unter der oft genannten „Welt der Physik“ zu verstehen ist – wobei hier ausdrücklich nicht das populärwissenschaftliche Online-Portal gemeint ist.

Neben dem Einzelband, der sechzehn, zumeist far­bige Bildtafeln enthält, gibt es unter dem Titel „Erd­literatur“ auch eine erweiterte Edi­tion des Buches im Schuber. Diese versammelt zusätzliches Text- und Bildmaterial in Form von Broschüren und Klapptafeln. Dazu gehören fünf zusätzliche „Lektüren“, welche die „welt(be)deutenden“ Fragen anhand von Texten wie beispielsweise Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ (1795) oder „Tlön, Uqbar,­ Orbis Tertius“ (1940) des argentinischen Autors Jorge Luis Borges diskutieren. Dazu kommen ein Gesamtverzeichnis aller zitierten Literatur und Abbildungen sowie drei Broschüren, die Aspekte wie „Alte und neue Welt“, Kommunikation und Schriftkultur in Bezug auf ihre „weltprägende“ Wirkung in den Blick nehmen.

Notwendigerweise nimmt Stockhammer auf vieles Bezug, was Leser:innen aus naturwissenschaftlichen Bereichen nicht allzu geläufig sein dürfte, etwa wenn es um Konzepte des französischen Philosophen Jacques Lacan geht. Doch seine detailversessenen philologischen Argumentationen sind sicher etwas für alle Physiker:innen, die Interesse daran haben, Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand zu stellen.

Alexander Pawlak

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