27.12.2005

Wolfgang Paulis Schattenseiten

The Innermost Kernel & Brücken zum Kosmos

Gieser

Photo

Wolfgang Paulis wissenschaftlicher Beitrag zur Physik („Pauli-Prinzip“, Neutrinohypothese) dürfte uns allen bekannt sein. Der eine oder andere kennt vielleicht auch den „Pauli-Effekt“: „Es ist unmöglich, dass sich Professor Wolfgang Pauli und ein funktionierendes Gerät im gleichen Raum befinden“. Otto Stern, der Molekularstrahlphysiker, verbot Pauli tatsächlich aus diesem Grund, sein Labor zu betreten. Doch was uns hier als lustige Anekdote erscheint, wischte Pauli nicht einfach vom Tisch. Er interessierte sich für das Unbewusste, Irrationale und war bestrebt, Gemeinsamkeiten hinter Physik und Psychologie zu finden. In letzter Zeit erschienen zwei Bücher, die sich diesem Denken Wolfgang Paulis zuwenden.

Ernst Peter Fischer, der bekannte Autor vieler populärwissenschaftlicher Bücher, hat mit seinem Büchlein „Brücken zum Kosmos: Wolfgang Pauli zwischen Kernphysik und Weltharmonie eine Einführung in Paulis „Schattenseite“ geschrieben. Das Buch wendet sich an eine breite Leserschicht und ist ohne Mühe oder tiefere Kenntnis von Physik oder Psychologie zu lesen.

Wer sich aber auf eine tiefere und breitere Diskussion dieses doch recht ungewöhnlichen Stoffes einlassen möchte, dem sei das Buch von Suzanne Gieser „The Innermost Kernel. Depth Psychology and Quantum Physics. Wolfgang Pauli's Dialogue with C. G. Jung empfohlen.

Die Autorin betrachtet zunächst Paulis Leben, die Zeit, in der er lebte, und seine physikalischen wie philosophischen Einflüsse (Bohr, Mach, Schopenhauer, Laotse). Dieser Teil nimmt fast die Hälfte des Buches ein. Ich habe dies als sehr aufschlussreich empfunden, denn Diskussionen über Geist und Materie haben all zu schnell einen "esoterischen" Beigeschmack und genau dies fürchtete Pauli. Er selbst schrieb: „[E]s ist mir sehr ungemütlich, mit Parapsychologie, Spiritismus etc. in geistige Verbindung gebracht zu werden.“ Diese Gratwanderung gelingt der Autorin durch die breite Darstellung von Physik, Philosophie und Psychologie Paulis im Vorfeld.

Die zweite Hälfte des Buches gehört dann den beiden großen Geistern Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Grundlag bilden ca. 400 Briefe, die Pauli an Jung und andere verfasste, in denen er Archetypen, Alchemie und Unterbewusstsein thematisierte - immer im Hinblick darauf, Gemeinsamkeiten zwischen Physik und Psychologie zu finden, die er u. a. in Symmetrieprinzipien und Komplementarität sah. Pauli unterscheidet sich von anderen Physikern wie Pascual Jordan, der sich stark für Parapsychologie interessierte, dadurch, dass er versuchte, seine Erkenntnisse auch in seiner Arbeit als Physiker einfließen zu lassen. Er analysierte seine Träume mit Hilfe der Mitarbeiter von C. G. Jung und kritisierte gleichzeitig Jungs Psychologie, der wiederum diese Kritik in seine Arbeit einfließen ließ. Hervorzuheben ist auch, dass die Autorin sich bemüht hat, durch Diskussionen mit Karl von Meÿenn u. a. weitere Details, die über den Briefwechsel von Jung und Pauli hinausgehen, einfließen zu lassen.

Trotz des Lobes gibt es ein kleines Manko: Die Literaturhinweise findet man nur als Fußnoten. Eine Literaturliste am Ende des Buches würde einem ein weiteres Quellenstudium erleichtern.

Insgesamt wird das Buch der schwierigen Materie mehr als gerecht und ist als Ausgangsbasis für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema hervorragend geeignet. Wolfgang Pauli ging es um Wissenschaftlichkeit in der Psychologie, denn nur dann lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen Geist und Materie finden. Die Autorin hat sich selbst diesem Diktat unterworfen, was dieses Buch auch zu einem sehr guten Nachschlagewerk in Sachen Pauli machen dürfte. Man darf gespannt sein, ob Paulis Denken von Psychologen und interessierten Physiker neu aufgegriffen wird. Ernst Peter Fischer beklagt in seinem Buch: „Die Verlage scheinen zwar bedingungslos bereit, immer neue Biographien von Einstein etc. auf den Markt zu bringen, aber bei Pauli beginnt das große Abwinken.“ Der Springer-Verlag hat daher Mut mit der Veröffentlichung von „The Innermost Kernel“ bewiesen und man darf auf weitere (kritische) Veröffentlichungen von Paulis Denken gespannt sein - der Anfang ist mit diesen beiden Büchern jedenfalls gemacht.

Dr. Matthias Hahn, pro-physik.de

 

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