
Aktiv beteiligt
Bei der Entstehung von Galaxien spielt die kosmische Strahlung nicht nur eine passive Beobachterrolle, sondern greift direkt in das Geschehen ein.
Victor Hess entdeckte vor über hundert Jahren die kosmische Strahlung. Deren Studium ermöglichte seitdem viele bahnbrechende Entdeckungen, von denen einige mit Nobelpreisen ausgezeichnet wurden. Beispielsweise ist schon seit Mitte der 1970er-Jahre bekannt, dass die kosmische Strahlung galaktische Winde antreiben kann. Aber erst 2012 konnten dreidimensionale Simulationen von entstehenden Galaxien dies belegen [2]. Seitdem hat sich ein aktives Forschungsfeld herausgebildet, das die Plasma-Astrophysik1) mit der kosmologischen Strukturentstehung verknüpft, um die Galaxienentstehung zu verstehen und damit Probleme des Standardmodells der Kosmologie auf der Größenskala von Galaxien zu lösen.
In den letzten zwei Jahrzehnten etablierte sich mithilfe von Präzisionsmessungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds und von Supernovae des Typs Ia sowie mit Himmelsdurchmusterungen von Galaxien und Galaxienhaufen das Standardmodell der Kosmologie. Das daraus resultierende Paradigma – die ΛCDM-Kosmologie, d. h. kalte Dunkle Materie mit einer kosmologischen Konstanten Λ – beschreibt unser Universum sehr gut auf kosmologischen Skalen, die größer als 100 Millionen Lichtjahre sind. Die aktuelle Kontroverse um die Hubble-Konstante könnte eine leichte Modifikation des Standardmodells erzwingen, was aber in der kosmologischen Strukturentstehung eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Das kosmologische Standardmodell enthält eine Reihe ungelöster Fragen. So postuliert es die Existenz von (i) Dunkler Materie, die nicht-baryonischen Ursprungs ist und hauptsächlich gravitativ mit der uns bekannten Materie wechselwirkt, und (ii) Dunkler Energie beziehungsweise der kosmologischen Konstanten. Das Modell ist zudem (iii) auf Skalen von Galaxien und Galaxienhaufen nicht vorhersagekräftig, da hier komplexe baryonische Physik eine wichtige Rolle spielt. Einfache Modelle der Galaxienentstehung gelangen an ihre Grenzen und können nicht alle Beobachtungsdaten erklären. (...)