22.09.2022

Die Wege der kosmischen Strahlung

Simulationssoftware ermittelt den Transport hochenergetischer Teilchen durch das All.

Seit ihrer Entdeckung von hundert Jahren versuchen Forscher zu entschlüsseln, woher die kosmische Strahlung kommt. Das Problem: Von der Erde aus betrachtet sieht sie so aus wie der Himmel bei Tag mit bloßem Auge: Er ist fast überall, wo man hinschaut, gleich hell erleuchtet. Denn das Licht der Sonne wird in der Erd­atmosphäre gestreut und verteilt sich gleichmäßig über den gesamten Himmel. Auch die kosmische Strahlung wird auf ihrem Weg zur Erde gestreut – durch Wechsel­wirkungen mit kosmischen Magnet­feldern. Von der Erde aus ist nur ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Bild zu sehen; der Ursprung der Strahlung bleibt verborgen.

 

Abb.: Die bunten Linien zeigen, wie kosmische Strahlung in Magnet­feldern...
Abb.: Die bunten Linien zeigen, wie kosmische Strahlung in Magnet­feldern abgelenkt wird. Die weißen Linien repräsentieren ein großskaliges Magnet­feld. Zusätzlich wirken hier nicht dargestellte kleinskalige Felder auf die Bahnen der Teilchen (bunte Linien). (Bild: L. Merten / RUB)

„Mit unserem Programm CRPropa ist es möglich, die Bahnen der Teilchen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Ankunft auf der Erde nachzuverfolgen – und zwar für alle Energien, die wir von der Erde aus beobachten können“, sagt Julien Dörner, Doktorand an der RUB. „Auch die Wechsel­wirkung der Teilchen mit Materie und Photon­feldern im Universum können wir vollständig berücksichtigen.“

Dabei kann das Programm nicht nur kosmische Strahlung simulieren, sondern auch Neutrino­teilchen oder Gamma­strahlung, die in Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung entstehen. „Diese Botenteilchen sind – anders als die kosmische Strahlung – direkt von ihren Quellen beobachtbar, sie kommen also auf direktem Weg zur Erde“, erklärt Patrick Reichherzer, Postdoktorand an der RUB. „Mit der Software können wir solche Strahlung von Neutrinos und Gamma­strahlung auch aus fremden Galaxien wie Starbursts oder aktiven Galaxien vorhersagen.“

Das vorgestellte Simulationsprogramm ist die umfassendste derzeit existierende Simulationssoftware und ermöglicht neue Forschungswege. „Wir können neue Energiebereiche in der Simulation erschließen, die mit bisherigen Programmen nicht vollständig erfasst werden konnten“, sagt Karl-Heinz Kampert von der Bergischen Universität Wuppertal. „Insbesondere der Übergang von der kosmischen Strahlung aus unserer eigenen Galaxie zu einem Anteil, der aus fremden Galaxien kommt, kann theoretisch beschrieben und mit Beobachtungen verglichen werden.“

Das Simulationsprogramm ist in einer internationalen Zusammenarbeit von 17 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entstanden, die in Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Italien, Kroatien, England und Österreich forschen. Die RUB ist mit acht Forschern federführend am Projekt beteiligt. Die Arbeiten sind im Rahmen des Sonder­forschungs­bereichs 1491 „Das Wechselspiel der kosmischen Materie“ entstanden, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. SFB-Sprecherin Julia Tjus von der RUB betont: „Die Veröffentlichung ist ein großer Schritt, um den Transport und die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung quantitativ in drei Dimensionen zu beschreiben. CRPropa wird signifikant dazu beitragen zu verstehen, woher die kosmische Strahlung kommt. Denn wir benötigen theoretische Berechnungen, die uns helfen, die Vielfalt an Daten, die wir aus dem Kosmos haben, zu interpretieren.“

RUB / DE

 

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