16.02.2018

Alle für einen

Am Very Large Telescope gelingt die Kombination aller vier Hauptteleskope zu einem virtuellen Riesenspiegel.

Das ESPRESSO-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile hat zum ersten Mal das kombinierte Licht aller vier 8,2-Meter-Haupt­teleskope nutzbar gemacht. Die Kombination von Licht aus den Hauptteleskopen macht das VLT im Hinblick auf die licht­sammelnde Fläche zum größten optischen Teleskop überhaupt. Eines der ursprünglichen Designziele des VLT der ESO war die Zusammenarbeit der vier Haupt­teleskope, um ein virtuelles Riesen­teleskop zu schaffen. Mit dem ersten Licht des ESPRESSO-Spektrografen im Vier-Haupt­teleskope-Modus des VLT wurde dieser Meilenstein nun erreicht.

Abb.: Das ESPRESSO-Instrument am Very Large Telescope kombiniert das Licht der vier Hauptteleskope. (Bild: ESO / L. Calçada)

Nach umfangreichen Vorbereitungen durch das ESPRESSO-Konsortium (unter der Leitung des Astronomischen Observatoriums der Universität Genf unter Beteiligung von Forschungs­zentren aus Italien, Portugal, Spanien und der Schweiz) und ESO-Mitarbeitern startete ESO-Generaldirektor Xavier Barcons diese historische astronomische Beobachtung per Knopfdruck im Kontrollraum.

Der ESPRESSO-Instrumenten­wissenschaftler Gaspare Lo Curto von der ESO erklärt die historische Bedeutung dieses Ereignisses: „Die ESO hat einen Traum verwirklicht, der bis in die Zeit zurückreicht, als das VLT in den 1980er Jahren konzipiert wurde: Das Licht aller vier Haupt­teleskope auf dem Cerro Paranal zu kombinieren, um ein einziges Instrument zu speisen!"

Wenn alle vier 8,2-Meter-Haupt­teleskope ihre Licht­sammel­leistung kombinieren, um ein einzelnes Instrument zu speisen, wird das VLT – was die licht­sammelnde Fläche betrifft – effektiv zum größten optischen Teleskop der Welt.

Zwei der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele von ESPRESSO sind die Entdeckung und Charakterisierung erdähnlicher Planeten und die Suche nach einer möglichen Veränderlichkeit der fundamentalen Natur­konstanten der Physik. Die letzt­genannten Experimente erfordern die Beobachtung entfernter und schwacher Quasare, und dieses wissenschaftliche Ziel wird am meisten davon profitieren, wenn das Licht aller vier Haupt­teleskope in ESPRESSO kombiniert wird. Beide Ziele erfordern eine hohe Präzision und Unempfindlich­keit des Instruments gegenüber äußeren Einflüssen und zusätzlich eine extrem stabile Referenz­lichtquelle.

Aufgrund der Komplexität dieses Unterfangens war die Kombination des Lichts aller vier Haupt­teleskope auf diese Art und Weise, dem „inkohärenten Fokus", bisher nicht realisiert worden. Allerdings wurde dafür von Anfang an Platz bei den Teleskopen und in der unter­irdischen Struktur des Berges vorgesehen.

Ein System aus Spiegeln, Prismen und Linsen überträgt das Licht von jedem VLT-Hauptteleskop zu dem bis zu 69 Meter entfernten ESPRESSO-Spektrographen. Dank dieser komplexen Optik kann ESPRESSO entweder das Licht von mehreren Haupt­teleskopen – bis zu allen vieren – sammeln und so die Licht­stärke erhöhen oder aber das Licht von jedem der Haupt­teleskope unabhängig voneinander empfangen, was eine flexiblere Nutzung der Beobachtungs­zeit ermöglicht. ESPRESSO wurde speziell für die Nutzung dieser Infrastruktur entwickelt.

Das Licht der vier Hauptteleskope wird routinemäßig im VLT-Inter­ferometer zusammengeführt, um extrem feine Details in vergleichsweise hellen Objekten zu untersuchen. Doch die Inter­ferometrie, die die Strahlen kohärent kombiniert, kann das enorme Licht­sammel­potential der kombinierten Teleskope zur Untersuchung lichtschwacher Objekte nicht ausschöpfen.

Projektwissenschaftler Paolo Molaro kommentiert: „Dieser beeindruckende Meilenstein ist der Höhe­punkt der langjährigen Arbeit eines großen Teams von Wissenschaftlern und Ingenieuren. Es ist wunderbar zu sehen, wie ESPRESSO mit allen vier Haupt­teleskopen arbeitet und ich freue mich auf die spannenden wissenschaftlichen Ergebnisse, die kommen werden."

Durch die Einspeisung des kombinierten Lichts in ein einziges Instrument erhalten Astronomen Zugang zu Informationen, die bisher nicht verfügbar waren. Die neue Anlage ist eine entscheidende Neuerung für die Astronomie mit hoch­auflösenden Spektro­graphen. Sie bedient sich neuartiger Konzepte, wie z.B. der Wellen­längen­kalibrierung mit Hilfe eines Laser­frequenz­kamms, die eine bisher unerreichte Präzision und Reproduzier­barkeit bietet, und nun die Fähigkeit, die Licht­sammel­leistung der vier einzelnen Haupt­teleskope zu vereinen.

„Wenn ESPRESSO mit allen vier Haupt­teleskopen arbeitet, gibt uns das einen verlockenden Vorgeschmack auf das, was die nächste Generation von Teleskopen wie das Extremely Large Telescope der ESO in einigen Jahren bieten wird", so Xavier Barcons, General­direktor der ESO.

MPIA / DE

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