12.04.2013

Antarktischer Meeresboden in 3D kartiert

Fächersonardaten liefern großräumiges Material zur Topografie vom Grund des Ozeans.

Verlässliche Informationen über die Tiefe und Bodenstruktur des Südpolarmeeres gab es bisher nur aus wenigen Küstenregionen der Antarktis. Jetzt ist es einem internationalen Wissenschaftlerteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Institutes zum ersten Mal gelungen, ein digitales Abbild des gesamten antarktischen Meeresbodens zu schaffen. Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) zeigt detailliert die Topografie des Meeresbodens für den gesamten Bereich südlich des 60. Breitengrades. Das Datenraster und die dazugehörige Antarktiskarte werden in Kürze frei im Internet zur Verfügung stehen und sollen Wissenschaftlern unter anderem dabei helfen, Meeresströmungen, geologische Prozesse oder das Verhalten von Meereslebewesen besser zu verstehen und vorherzusagen.

Abb.: Das an Bord des Forschungsschiffes Polarstern installierte Fächerecholot-System Hydrosweep DS-2 liefert 59 Einzelmessungen der Wassertiefe und Echostärke je Ping. (Bild: AWI)

„Für unser IBCSO-Datenraster haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 15 Ländern und von mehr als 30 Forschungseinrichtungen ihre Tiefenmessdaten von Schiffsexpeditionen zusammengetragen. Am Ende konnten wir mit einem Datensatz arbeiten, der aus rund 4,2 Milliarden Einzelwerten bestand“, erzählt IBCSO-Erstautor Jan Erik Arndt, Bathymetriker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.

Das Sammeln von Tiefendaten, wie sie zum Beispiel das deutsche Forschungsschiff Polarstern mit seinem Fächersonarsystem erfasst, reichte aber bei weitem nicht aus, um ein brauchbares, dreidimensionales Modell des Meeresgrundes zu entwickeln: „Der Ozean südlich des 60. Breitengrades erstreckt sich über eine Fläche von rund 21 Millionen Quadratkilometern und ist damit etwa sechzig Mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Verlässliche Tiefendaten existieren bisher nur für 17 Prozent dieser Fläche. Die größten Datenlücken gibt es zum Beispiel in den Tiefseeregionen des südlichen Indischen Ozeans sowie des Südpazifiks und in Gebieten mit teils ganzjährig schwierigen Seeeisbedingungen wie beispielsweise im Weddellmeer“, so Arndt.

Aus diesem Grund machten sich die Modellierer nicht nur die Mühe, alte Antarktis-Seefahrtskarten zu digitalisieren und Satellitendaten umzurechnen. Sie griffen auch auf einen mathematischen Trick zurück, indem sie den Datensatz interpolierten. „Wir haben gewissermaßen jeden vorhandenen Messpunkt wie einen Zeltpfosten behandelt und rein rechnerisch über diese Pfosten eine Zeltplane gespannt. Auf diese Weise haben wir Näherungswerte über die Höhe der Plane zwischen den Pfosten erhalten“, erklärt der AWI-Spezialist für Datenmodellierung.

Diese Mühe hat sich gelohnt: Das IBCSO-Datenraster verfügt über eine Auflösung von 500 mal 500 Metern pro Datenpunkt – ein Merkmal, das zu einer beeindruckenden Detailschärfe führt. Wo ältere Modelle einen Berg in der Tiefsee nur erahnen lassen, zeigt IBCSO eine Erhebung mit scharfen Gratkanten und tiefen Rinnen in den Hängen. Eine ehemals flache Stelle am Grund des Riiser-Larsen Meeres kann nun als ein rund 300 Meter tiefer Ausläufer des unterseeischen Ritscher Canyons identifiziert werden, der sich auf einer Länge von mehr als 100 Kilometern von Südwest Richtung Norden zieht. Und nicht weit entfernt von der heutigen Schelfeiskante des großen Getz-Eisschelfs sind ganz deutlich jene Furchen zu sehen, welche die Eiszunge zu Zeiten ihres Wachstums in den Meeresboden gepflügt hat.

Mithilfe dieser Detailschärfe soll IBCSO vor allem die Forschung vorantreiben: „Die Tiefendaten des Südpolarmeeres sind für Polarforscher aus vielen Fachrichtungen von großem Interesse. Ozeanografen können mit dem 3D-Datenraster des Meeresbodens Strömungen und die Wanderung des für die Entwicklung der Eisschilde so wichtigen antarktischen Tiefenwassers besser modellieren. Geologen erkennen in der Topografie des Meeresbodens Strukturen von geologischen Prozessen. Biologen können anhand unserer Karte eventuell besser abschätzen, in welchen Regionen sich bestimmte Lebensgemeinschaften herausbilden können oder ob zum Beispiel Robben in einem bestimmten Gebiet auf der Futtersuche bis zum Meeresgrund tauchen“, sagt Arndt.

Alle Freude über das neue Modell und seine dazugehörige Karte darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch immer mehr als 80 Prozent der Fläche des Südpolarmeeres nicht vermessen sind. Jan Erik Arndt: „Wir hoffen, dass mit der Bekanntheit unseres Datenrasters in der Fachwelt auch die Bereitschaft anderer Wissenschaftler wächst, uns Daten von aktuellen und künftigen Tiefenmessungen im Südpolarmeer zu überlassen. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Zur Zeit werden weltweit einige neue Forschungseisbrecher gebaut und jeder von ihnen wird vermutlich wie Polarstern mit einem modernen Fächersonarsystem ausgestattet sein.“

AWI / DE

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