Auf dem Weg zu extrem schnellen und kompakten Computerspeichern
Nickeljodid weist stärkere magnetoelektrische Kopplung auf als andere Multiferroika.
Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher eine Gruppe ungewöhnlicher Materialien, Multiferroika, welche für die Datenspeicherung, chemische Sensoren und Quantencomputer nützlich sein könnten. Wissenschaftler der University of Texas in Austin und des MPI für Struktur und Dynamik der Materie haben jetzt gezeigt, dass das geschichtete multiferroische Material Nickeljodid der bisher beste Kandidat für extrem schnelle und kompakte Geräte sein könnte.
Multiferroika haben eine besondere Eigenschaft, die als magnetoelektrische Kopplung bezeichnet wird. Sie bedeutet, dass man die magnetischen Eigenschaften des Materials mit einem elektrischen Feld und umgekehrt die elektrischen Eigenschaften mit Magnetfeldern manipulieren kann. Das Team fand heraus, dass Nickeljodid eine stärkere magnetoelektrische Kopplung aufweist als jedes andere bekannte Material dieser Art, was es zu einem erstklassigen Kandidaten für technologische Fortschritte macht. „Die Entdeckung dieser Effekte auf der Skala atomar dünner Nickeljodidplättchen war eine gewaltige Herausforderung“, so Frank Gao von der Uni Texas, „aber unser Erfolg stellt einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet der Multiferroika dar.“
Im Inneren eines Materials können sich elektrische Ladungen und atomare magnetische Momente so anordnen, dass sich ihre Eigenschaften addieren und eine elektrische Polarisation oder eine Magnetisierung bilden. Solche Materialien werden als Ferroelektrika oder Ferromagnetika bezeichnet, je nachdem, welche dieser Größen sich in einem geordneten Zustand befindet.
In exotischen multiferroischen Materialien existieren diese elektrischen und magnetischen Ordnungen jedoch nebeneinander. Sie können so miteinander verschränkt sein, dass eine Änderung der einen Ordnung eine Änderung der anderen bewirkt. Diese Eigenschaft, die als magnetoelektrische Kopplung bezeichnet wird, macht diese Materialien zu attraktiven Kandidaten für schnellere, kleinere und effizientere Geräte. Damit diese effektiv arbeiten können, müssen Materialien mit besonders starker magnetoelektrischer Kopplung gefunden werden.
Die Forscher erreichen das, indem sie Nickeljodid mit ultrakurzen Laserpulsen im Femtosekundenbereich anregen. Sie verfolgen dann die sich daraus ergebenden Veränderungen der elektrischen und magnetischen Ordnungen des Materials und der magnetoelektrischen Kopplung anhand ihrer Auswirkungen auf bestimmte optische Eigenschaften. Um zu verstehen, warum die magnetoelektrische Kopplung in Nickeljodid so viel stärker ist als in ähnlichen Materialien, führte das Team umfangreiche Berechnungen durch.
„Zwei Faktoren spielen hier eine wichtige Rolle“, sagt Emil Viñas Boström vom MPSD. „Erstens: die starke Kopplung zwischen dem Spin der Elektronen und der Orbitalbewegung der Jodatome – ein relativistischer Effekt, der als Spin-Bahn-Kopplung bekannt ist. Der zweite Faktor ist die besondere Form der magnetischen Ordnung in Nickeljodid, die als Spin-Spirale oder Spin-Helix bezeichnet wird. Diese Ordnung ist sowohl für die Auslösung der ferroelektrischen Ordnung als auch für die Stärke der magnetoelektrischen Kopplung entscheidend.“
Materialien wie Nickeljodid mit starker magnetoelektrischer Kopplung haben ein breites Spektrum an möglichen Anwendungen. Dazu gehören magnetische Datenspeicher, die kompakt, energieeffizient und viel schneller sind als bestehende Speicher, oder auch Verbindungselemente in Quantencomputern und chemische Sensoren für die Qualitätskontrolle und Arzneimittelsicherheit in der chemischen und pharmazeutischen Industrie.
Das Forschungsteam hofft, dass diese bahnbrechenden Erkenntnisse genutzt werden können, um andere Materialien mit ähnlichen magnetoelektrischen Eigenschaften zu identifizieren, und dass andere Materialtechniken möglicherweise zu einer weiteren Verbesserung der magnetoelektrischen Kopplung in Nickeljodid führen könnten.
MPSD / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Y. Gao et al.: Giant chiral magnetoelectric oscillations in a van der Waals multiferroic, Nature, online 17. Juli 2024; DOI: 10.1038/s41586-024-07678-5 - Abt. Theorie, Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg
- Center for Complex Quantum Systems, University of Texas at Austin, USA