Aus den Wolken ins Labor geholt
Forschern aus Mainz und Darmstadt gelang im Dezember erstmals die Bergung von Aerosolproben polarer Stratosphärenwolken.
Polare Stratosphärenwolken sind entscheidend an der Entstehung des Ozonlochs beteiligt. Um sie zu erforschen, sind Messungen in großer Höhe erforderlich. Genau dies sind Forscher aus Mainz und Darmstadt im letzten Dezember über Nordschweden angegangen. In zwanzig Kilometer nahmen sie erstmals Aerosolproben aus dem Innern dieser Wolken. Im Labor klären sie jetzt, in welchem Ausmaß das Aerosol, das auch von menschlichen Aktivitäten stammt, zur Bildung der Wolken beiträgt.
Abb.: Das Forschungsflugzeug Geophysika, ein ehemaliger M17-Höhenaufklärer der russischen Luftwaffe, auf dem Flugplatz von Kiruna in Nordschweden. (Bild: R. Weigel)
Eigentlich wollten die Wissenschaftler aus Mainz und Darmstadt nur neue Instrumente an Bord eines Forschungsflugzeugs testen. Außergewöhnliche meteorologische Bedingungen im Dezember 2011 erlaubten jedoch zwei Messflüge ins Innere polarer Stratosphärenwolken. So gelang über Nordschweden in einer Höhe von 18 bis 20 Kilometer die weltweit erste Probennahme von Aerosolteilchen, die die Wolkenbildung ermöglichen.
Solche Formationen entstehen normalerweise in der erdnahen Troposphäre. In der Stratosphäre kommen sie nur im Winter und nur in den Polregionen vor. Bei Temperaturen von minus 78 Grad Celsius und kälter treten sie mit ihren eindrucksvollen irisierenden Farben in Höhen von 15 bis 30 Kilometern auf.
Die Wissenschaftler konnten mit Hilfe von neu entwickelten thermodynamischen und optischen Messinstrumenten an Bord des Forschungsflugzeugs „M55 Geophysika“ die Größe einzelner Wolkenteilchen messen und die Eigenschaften von Aerosolteilchen in der Stratosphäre bestimmen. Die eingesammelten Partikel werden jetzt im Labor untersucht. Ziel ist es, herauszufinden, in welchem Ausmaß Aerosolpartikel zur Entstehung der polaren Stratosphärenwolken beitragen können. Hierbei handelt es sich zum einen um Aerosol, das immer in der Stratosphäre vorhanden ist und zum Beispiel aus Vulkanausbrüchen stammt, zum anderen um Partikel anthropogenen Ursprungs wie Ruß sowie um Meteoritenstaub.
Polare Stratosphärenwolken spielen eine entscheidende Rolle beim Abbau des polaren Ozons, denn chemische Reaktionen an der Oberfläche und im Inneren der Kristalle wandeln inaktive, ursprünglich anthropogene chlorhaltige Substanzen in aktives, Ozon zerstörendes Chlor um. Erst im Frühjahr, wenn in die chemisch derart modifizierte Stratosphäre wieder genügend Licht dringt, findet der rapide Ozonabbau durch das angereicherte und aktivierte Chlor statt.
Um einschätzen zu können, wie sich der Ozonabbau in der Zukunft entwickelt, verwendet man numerische Vorhersagemodelle, deren Qualität stark von detaillierten Kenntnissen der physikalischen und chemischen Prozesse abhängt. Um beispielsweise die Bildung von Wolken im Computer richtig simulieren zu können, sind offene Fragen mit Hilfe von Experimenten im Inneren der polaren Stratosphärenwolken zu klären. Messträger mit den geeigneten Instrumenten in so große Höhen zu bringen, ist eine immense technologische Herausforderung sowohl für das Flugzeug als auch das Equipment.
„Wenn die derzeitigen meteorologischen Bedingungen in der Stratosphäre bis zum März stabil bleiben, wird sich im Frühjahr 2012 vermutlich ein erhebliches Ozonloch über der Nordhemisphäre bilden“, prognostiziert der Atmosphärenphysiker Stephan Borrmann, Direktor am MPI für Chemie und Professor an der Uni Mainz. „Das können wir auf Grund der beobachteten Wolken und der Spurengasmessungen sagen.“ Mittlerweile tritt das Ozonloch, das man aus der Antarktis kennt, auch in der Nordhemisphäre regelmäßig auf. Sobald sich die stratosphärischen Wetterbedingungen wieder auf die sommerlichen Verhältnisse umstellen, wird das abgebaute Ozon durch neu herbeiströmendes ersetzt.
MPIC / OD