Berechnungen deuten auf exotische „Dunkle Sternhaufen“
Die hypothetischen Objekte könnten zu tieferen Einsichten in Supernovae-Explosionen, Gravitionswellen sowie in Dynamik und Entwicklung von Sternhaufen führen.
In der Nähe der Schwarzen Löcher ist die Schwerkraft so groß, dass nicht einmal Licht nach außen gelangen kann. Nur wenn eine Gaswolke oder ein Stern von ihrer extremen Gravitation in seiner Bahn beschleunigt wird, können Astronomen die Existenz von Schwarzen Löchern nachweisen. „Unter bestimmten Bedingungen entwickeln sich besonders viele Schwarze Löcher in einem Sternhaufen“, sagt Sambaran Banerjee, der als Alexander von Humboldt-Stipendiat vom „Tata Institute of Fundamental Research“ in Mumbai (Indien) nach Bonn kam. „Wir schlagen vor, dann von einem Dunklen Sternhaufen zu sprechen, der aus umeinander kreisenden Schwarzen Löchern und einigen Sternen besteht.“
Die ursprüngliche Fragestellung der Bonner Physiker war es, die physikalischen Eigenschaften sterbender Sternhaufen zu erforschen. Die auf Hochleistungscomputern durchgeführten Rechnungen ergaben überraschend, dass sich solche Dunklen Sternhaufen bilden müssen. Die Sterne führen in den Haufen chaotische Tänze auf. Sie ziehen sich aufgrund der Schwerkraft gegenseitig an und wechseln deshalb laufend die Bahn. Die Gravitation hält den Sternhaufen zusammen, die Tänzer bleiben also zunächst beieinander. Jedoch wandeln sich die Tanzpartner. Mit der Zeit verdampfen die leichteren Sterne. Die durch Supernovae entstandenen schwereren Schwarzen Löcher und Neutronensterne reichern sich aber immer mehr an – der Sternhaufen wird deutlich dunkler, weil diese Komponenten kein Licht aussenden. Daraus entwickeln sich dann Dunkle Sternhaufen. Der Vorhang zur kosmischen Tanzveranstaltung schließt sich also allmählich.
Bei den Supernovae-Explosionen kann es jedoch passieren, dass die daraus resultierenden Schwarzen Löcher stark beschleunigt und aus dem noch jungen Sternhaufen herausgeschleudert werden. „Dieser Kick kann mit mehreren 100 Kilometern pro Sekunde erfolgen“, sagt Banerjee. Damit gehen die Schwarzen Löcher verloren und es kann sich kein Dunkler Sternhaufen entwickeln. Je näher der Sternhaufen am Zentrum der Milchstraße liegt, desto größer ist die umgebende Gravitation. Dann können die leichten Sterne während des Alterns des Haufens schneller verdampfen, als sich die Schwarzen Löcher gegenseitig herausschießen können. „Unsere Berechnungen zeigen, dass Dunkle Sternhaufen nur innerhalb eines Abstandes von ungefähr 15.000 Lichtjahren vom Zentrum der Milchstraße vorkommen können“, sagt Banerjee. Weiter weg verdampfen die leichten Sterne zu langsam, sodass sie die dunkle Phase nicht erreichen.
Bisher habe es keine Möglichkeit gegeben, nachzuprüfen, ob die Schwarzen Löcher und Neutronensterne überhaupt in den Sternhaufen blieben, berichten die Forscher. Anhand der Dunklen Sternhaufen, die sie aufgrund ihrer Berechnungen vorschlagen, sei dies nun möglich. Einen Dunklen Sternhaufen erkenne man daran, dass sich die noch verbleibenden Sterne in ihm deutlich schneller bewegten, als sie es dürften. „Die Sterne scheinen von einer unsichtbaren Kraft oder Masse zusammengehalten zu werden“, sagt Banerjee. Diese Kraft sei die zusätzliche Gravitation der im Sternhaufen vorhandenen Schwarzen Löcher und Neutronensterne.
„Astronomen können nun gezielt nach Dunklen Sternhaufen suchen“, sagt Pavel Kroupa vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn, der die Untersuchung leitete. „Wenn sie tatsächlich gefunden werden, dann ist eine neue exotische Klasse von Himmelskörpern entdeckt.“ Die dann gewonnenen Erkenntnisse würden auch das Verständnis für die Physik der Supernovae-Explosionen vervollkommnen. „Außerdem müssten die Sternhaufen dann die Quelle von Gravitationswellen sein, die Albert Einstein anhand seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hat“, schließt der Physiker der Universität Bonn.
U. Bonn / PH